Die Schweizer Regierung hat Ende Februar den Außenpolitischen Bericht[1] 2024 veröffentlicht. Er dient dem Bundesrat dazu, jährlich Rechenschaft über die Außenpolitik der Schweiz abzulegen. Diesmal hat er außerdem einem thematischen Schwerpunkt: die BRICS-Staatengruppe. Die Abkürzung setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Gründungsmitglieder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zusammen. Inzwischen gehören der Gruppe auch der Iran, Äthiopien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und seit neuestem Indonesien an.
Der Schwerpunkt in dem Bericht folgt auf einen Vorstoß des sozialdemokratischen Parlamentsmitglieds Fabian Molina. Er hatte den Bundesrat aufgefordert zu berichten, wie er den „Einfluss der BRICS-Staaten auf die Weltordnung einschätzt und mit welcher Strategie die Schweiz der Staatengruppe begegnen wird“. Für Molina ist klar: Der Einfluss der BRICS wird wachsen. Immerhin lebt in ihren Mitgliedsländern fast die Hälfte der Weltbevölkerung.
Der Bericht beschreibt, dass die BRICS-Länder die Weltordnung an „neue Machtzentren“ anpassen wollten und eine umfassende Reform der Vereinten Nationen forderten. Jedoch auch, dass sie nicht einig seien, wie dies aussehen soll. Nicht zu unterschätzen sei, dass die Gipfeltreffen der BRICS und ihre Arbeitstreffen neue Netzwerke schafften, von denen westliche Staaten ausgeschlossen seien. Dies führe teilweise zur Etablierung alternativer Normengefüge, beispielsweise für die Streitschlichtung im internationalen Handel, Direktinvestitionen oder die Entschuldung von Staaten.
Zwölf Prozent des Schweizer Außenhandels entfallen auf BRICS-Staaten
Zur Wirtschaftsleistung verweist der Bericht darauf, dass ein großer Teil innerhalb der BRICS auf China entfällt. Trotz des globalen Wachstums der Staatengruppe entfielen lediglich rund 12 Prozent des schweizerischen Außenhandels auf die BRICS-Staaten, wobei China auch dort dominiere.
Doch wie soll die Schweiz nun auf die BRICS-Gruppe reagieren? Diese Frage beantwortet der Bericht nur vage. Als einzig konkrete Strategie nennt er, den Multilateralismus gezielt zu stärken: „Die Schweiz wird sich weiter im Rahmen ihrer Gaststaatpolitik dafür einsetzen, dass Genf als operatives Zentrum des Multilateralismus für alle internationalen Akteure, einschließlich der BRICS-Staaten, gleichermaßen offen und attraktiv bleibt.“
Angesichts der vom Schweizer Parlament beschlossenen Kürzungen[2] in der internationalen Zusammenarbeit ab diesem Jahr wird dies allerdings schwer zu erfüllen sein. Mit der Streichung der Gelder für namhafte Organisationen wurde gerade das internationale Genf hart getroffen. „Die Antwort des Bundesrates ist ernüchternd“, sagt Fabian Molina. Die Sparmaßnahmen befeuerten den Kern des Problems: „Aktuell verkaufen sich die zwei BRICS-Mitglieder China und Russland als die großen Kämpfer für den globalen Süden“, sagt Molina. „Das ist nur möglich, weil Europa und die USA deren Anliegen zu lange vernachlässigt haben.“
Die Stärkung der BRICS als Weckruf
So seien längst nicht alle Forderungen der BRICS ungerechtfertigt. Molina verweist auf Reformbedarf im UN-System, den Bretton-Woods-Institutionen Weltbank und Weltwährungsfonds sowie die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. „Die WTO-Regeln bevorteilen reiche gegenüber ärmeren Volkswirtschaften immer noch strukturell“, so Molina. Lokale Märkte könnten sich auf Grund der Marktmacht großer Konzerne nicht entwickeln. Die Stärkung der BRICS sei ein Weckruf, die „dringend notwendigen Reformen in der bestehenden Weltordnung voranzutreiben.“
Laut Molina können die dramatischen Kürzungen, die die US-Regierung vornimmt, eine Chance für Europa sein. „Die europäischen Staaten könnten die Lücke füllen, die die USA im globalen Süden hinterlassen“, sagt er. Bisher gebe es jedoch keine Anzeichen, dass dies geschehen werde. Deswegen hat Molina einen weiteren Vorstoß, eine Motion, eingereicht: Die Regierung solle eine hochrangige internationale Konferenz einzuberufen, um die Auswirkungen des Kahlschlags bei USAID zu analysieren und alternative Unterstützung zu beschließen. Er sagt: „Die Schweiz hat aufgrund ihrer Blockfreiheit theoretisch gute Voraussetzungen dafür, Brückenbauerin zu sein zwischen Nord und Süd.“
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