Kann man derzeit in Syrien humanitär helfen, ohne ungewollt das Regime von Präsident Assad zu stärken?
Ja, kann man. Es wird ja geholfen, leider von nur wenigen Organisationen. Viele dieser Organisationen kritisieren, dass die Regierung in Syrien erheblich Einfluss nimmt. Aber humanitäre Organisationen sind verpflichtet, solche Versuche soweit wie möglich abzuwehren. Der größte Teil der Hilfe läuft über UN-Organisationen und den Syrischen Halbmond. Auch die sind den humanitären Prinzipien der Neutralität und Unparteilichkeit verpflichtet.
Haben es nichtstaatliche Organisationen in dieser Hinsicht leichter als staatliche Agenturen oder UN-Organisationen?
Auf jeden Fall. Als nichtstaatliche Organisation haben wir uns unter anderem der finanziellen Unabhängigkeit verschrieben. Da wir mit syrischen Partnerorganisationen kooperieren, müssen wir zudem nicht selbst mit der Regierung verhandeln. Natürlich spüren auch unsere Partner den Druck. Das größte Problem ist aber, dass es weite Gebiete im Land gibt, in denen wir nicht helfen können, obwohl der Bedarf groß wäre. Wir haben dort keine Partner und damit auch keinen Zugang, weil es zu gefährlich ist.
Sind das vor allem Gebiete in denen Rebellenmilizen das Sagen haben?
In Syrien wie auch in anderen Konfliktregionen gibt es zunehmend Akteure, die die humanitären Prinzipien nicht achten. Sie betrachten Hilfsorganisationen als Vertreter eines feindlichen Regimes oder einer feindlichen Kultur und bekämpfen sie. In solchen Fällen haben wir keine Ansprechpartner mehr, mit denen wir reden und wo wir uns auf Sicherheitsabsprachen verlassen könnten. Das macht den Zugang extrem schwer.
Der Krieg in Syrien wird nicht so bald enden. Was müsste unter den gegebenen Bedingungen geschehen, dass besser humanitär geholfen werden kann?
Unsere Partnerorganisationen müssen frei und ohne Repressalien arbeiten können, ob es nun IS-Gebiet oder von der Regierung kontrollierte Regionen sind. Zugleich müssen wir selbst Zugang kriegen, um vernünftiges Monitoring zu betreiben. Wenn das gewährleistet wäre, könnten wir mehr tun.
Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.
Neuen Kommentar hinzufügen