(19.12.2012) Die Datenbank Eurodac, in der die Fingerabdrücke von Asylsuchenden gespeichert sind, soll künftig auch den nationalen Sicherheitsbehörden offen stehen. Kritiker fürchten, dieser Beschluss des Europaparlaments sei nur ein Teil umfassender Initiativen zur Grenzüberwachung, die die EU in Planung hat.
In Eurodac werden die Fingerabdrücke aller Asylbewerber in der EU gespeichert. Das System wurde 2000 für Einwanderungsbehörden eingerichtet, um überprüfen zu können, ob ein Asylsuchender bereits in einem anderen Mitgliedsland Asyl beantragt hat und Sozialleistungen bezieht. Eurodac soll also die Funktionsweise der Dublin-Verordnung sicherstellen – demnach ist nur der EU-Staat für einen Asylsuchenden zuständig, in den dieser einreist. Nach einer Entscheidung des Innenausschusses im Europaparlament mit Zustimmung der Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen sollen nun auch Polizeibehörden auf Eurodac zugreifen können – etwa zur Verfolgung schwerer Straftaten oder bei Terrorverdacht.
Der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hatte bereits im September 2012 vor dieser Neuerung gewarnt. Sie bedeute „einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte einer besonders verwundbaren Gruppe von Menschen, die des Schutzes bedürfen“. Das damit verbundene „Risiko der Stigmatisierung“ verlange „eine starke Rechtfertigung“. Die Kommission habe „keine ausreichenden Gründe vorgelegt, warum Asylsuchende für eine solche Behandlung ausgesondert werden sollten“.
Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, befürchtet, dass die EU-Kommission „die Datensammlung generell ausweiten will“. Es gebe bereits einen Vorschlag, der in die gleiche Richtung ziele: Das sogenannte „Smart-Borders“-(„intelligente Grenzen“)-Paket. Dieses sieht vor, künftig alle EU-Ausländer zu verpflichten, bei der Einreise in die EU ihre Fingerabdrücke abzugeben. Auch auf diese Datenbank sollten Polizeibehörden Zugriff erhalten.
Die Vorschläge dienten nur zur Stärkung der "Festung Europa"
Dieses Paket ist nur ein Teil der Initiativen zur High-Tech-Grenzüberwachung, die die Europäische Kommission plant. Dazu zählen die Schaffung eines Europäischen Grenzkontrollsystem (Eurosur), die Errichtung eines Einreise-/Ausreisesystems (Entry-Exit-System, EES) sowie die Einführung eines Registrierprogramms für Reisende (Registered Traveller Programme, RTP). Dabei sollen neue Technologien wie Drohnen, Offshore-Sensoren und Satellitensuchsysteme eingesetzt werden.
Die Heinrich-Böll-Stiftung hat die Pläne in der Studie „Borderline. The EU's New Border Surveillance Initiatives” untersucht. Darin fordern die Autoren Ben Hayes und Mathias Vermeulen eine eingehende öffentliche Debatte über den Bedarf an weiteren kostspieligen EU-Datenbanken und Überwachungssystemen. Sie halten die Verstärkung der Migrationskontrolle im Sinne der „Festung Europas“ für höchst fragwürdig. Insbesondere Eurosur ergänze die langjährige europäische Politik, Flüchtlinge daran zu hindern, in das Hoheitsgebiet der EU zu gelangen. Die Vorschläge zu „intelligenten Grenzen“ dienten vor allem dazu, eine zentrale europäische Datenbank aufzubauen, die biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Fotos aller in den Schengenraum einreisenden Drittstaatenangehörigen enthält. Eine so weitreichende Datenerfassung sei aber nur legal und legitim, wenn es dafür zwingende Gründe im Bereich der öffentlichen Sicherheit gebe – die Europäische Kommission habe diese bisher aber nicht dargelegt.
Zwar sind dies bisher nur Pläne für die Zukunft. Die Europäische Kommission hat aber laut Studie aus dem Fonds für innere Sicherheit der EU (2013-2020) immerhin 1,1 Milliarden Euro für die Entwicklung von EES und RTP zugewiesen. (osk)
(Die Heinrich-Böll-Stiftung stellt auch eine Zusammenfassung der Studie auf Deutsch zur Verfügung.)
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