Schlechte Karten für Flüchtlinge

Asylbewerber in Deutschland müssen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts künftig mehr Hilfe vom Staat bekommen. Indessen strebt die Europäische Union (EU) ein gemeinsames Asylsystem an, dass den Status von Flüchtlingen verschlechtern würde. In der Neufassung ist vorgesehen, dass Schutzsuchende künftig eingesperrt werden können - aus Gründen, die dem Missbrauch Tür und Tor öffnen.

António Guterres nannte es ein „Leiden epischen Ausmaßes". Der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR musste Mitte Juni verkünden, dass sich die Zahl der Flüchtlinge im vergangenen Jahr dramatisch erhöht hat. Kriege und Hungersnöte zwangen 4,3 Millionen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. 3,5 Millionen von ihnenversuchten, im eigenen Land Sicherheit oder Nahrung zu finden. Die übrigen flohen über die Grenzen, und Europa erscheint vielen noch immer als attraktives Ziel. Mehr als 300.000 Menschen baten 2011 in der EU um Asyl, drei von vier Anträgen, über die im vergangenen Jahr entschieden wurde, wurden abgelehnt.

Die Zahlen zeigen, das Schutzsuchende in Europa wenig willkommen sind. Aber es könnte für sie noch schlimmer kommen. Zurzeit verhandeln die Ratspräsidentschaft, die Europäische Kommission und das Parlament über eine Neufassung der EU-Richtlinie zur Aufnahme von Asylsuchenden. Nach dem derzeitigen Entwurf sollen sie künftig jederzeit und an jedem Ort in Europa inhaftiert werden können, wenn einer von sechs Gründen vorliegt. Dazu zählen etwa die Feststellung ihrer Identität, das Risiko, dass sie untertauchen könnten, oder einfach die Wahrung der „nationalen Sicherheit und Ordnung". Sogar Kinder und Jugendliche dürfen laut dem Entwurf eingesperrt werden.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Die Pläne sind Teil des schon lange angestrebten gemeinsamen europäischen Asylsystems, das bis Ende des Jahres stehen soll. Ziel müsste eigentlich sein, dass Flüchtlinge in allen europäischen Ländern dieselben Chancen auf ein faires Asylverfahren und eine menschenwürdige Behandlung haben - das derzeitige System gleiche einer „Lotterie", räumte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström kürzlich ein: In einem Land habe ein Flüchtling eine Chance von 70 Prozent, zu bleiben, in einem anderen liege diese nur bei einem Prozent. Vor allem Ungarn und Griechenland - denen die übrigen EU-Staaten nur wenige der dort einreisenden Flüchtlinge abnehmen - werden regelmäßig kritisiert, weil sie Asylsuchende menschenrechtswidrig inhaftieren. Offenbar soll nun nicht die beste, sondern die schlechteste Praxis zum Vorbild für die übrigen EU-Mitglieder werden. Das ist unmenschlich und unwürdig für Europa.

 

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erschienen in Ausgabe 7 / 2012: Konzerne: Profit ohne Grenzen
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