Während frühere Bundesregierungen fragwürdige Rüstungsexporte wenigstens noch als Ausnahmen zu rechtfertigen versucht haben, dreht die schwarz-gelbe Koalition den Spieß einfach um: Waffenlieferungen seien geeignet, Stabilität und Frieden zu sichern, lautet die neue Doktrin. Ein kurzsichtiger Irrweg, stellt die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) in ihrem jüngsten Rüstungsexportbericht fest.
Die Idee, man könne mit der Lieferung von Kriegswaffen Konfliktregionen stabilisieren helfen, sei „ein gefährlicher Trugschluss“, sagte Prälat Bernhard Felmberg, der evangelische Vorsitzende der GKKE, laut Redemanuskript bei der Vorstellung des Berichts am 10. Dezember in Berlin. „Eine Politik, die mit der Aufrüstung von Staaten Stabilitätsanker schaffen will, greift zu kurz und übersieht die Probleme, die von Waffenlieferungen ausgehen können.“
Man meint, die großen Rüstungsexporteure, unter denen Deutschland an dritter Stelle steht, sollten das nach den Erfahrungen mit Ländern wie Libyen mittlerweile verstanden haben. Aber die Berliner Ausfuhrpraxis zeigt laut dem GKKE-Bericht in die entgegengesetzte Richtung: Demnach hat die Bundesregierung ausgerechnet die Genehmigungen für Ausfuhren in sogenannte Drittstaaten, die nicht zur Nato oder zur Europäischen Union gehören, 2011 deutlich erhöht – gegenüber 2010 um zwei Drittel auf 2,3 Milliarden Euro. Auf diese Länder, darunter Saudi-Arabien, Ägypten, Indien und Russland, entfielen im vergangenen Jahr 42 Prozent aller Ausfuhrgenehmigungen, 2010 waren es 29 Prozent. Gut ein Fünftel der Genehmigungen wurden für Exporte in Staaten erteilt, die nach den Kriterien der OECD als Entwicklungsländer gelten.
Der Bundestag müsse mehr Kontrollrechte erhalten, fordert die GKKE
Der wachsende Anteil an Waffenlieferungen in eher instabile Regionen zeigt sich auch daran, dass 2011 die staatlichen Ausfallbürgschaften für Rüstungsausfuhren über sogenannte Hermes-Kredite deutlich gestiegen sind. Versichert waren vor allem Lieferungen an das Nato-Land Türkei, aber auch Geschäfte mit Pakistan und Peru. Der katholische GKKE-Vorsitzende Prälat Karl Jüsten kritisierte das und sagte laut Redemanuskript, die GKKE habe sich „immer dagegen gewehrt, das Geschäftsrisiko von Rüstungsexporteuren auf die Schultern der Steuerzahler zu verlegen“.
Die GKKE fordert in ihrem Bericht unter anderem mehr Transparenz bei Rüstungsexporten: Der Bundestag müsse dafür sorgen, dass er umfassender informiert wird und mehr Kontrollrechte erhält; derzeit scheine im Parlament „ein milder ,wind of change‘“ in diese Richtung aufzukommen. An die Bundesregierung appelliert die GKKE, sich weiter für einen „robusten“ internationalen Vertrag über den Waffenhandel (ATT) einzusetzen – so wie sie das bis zu den im vergangenen Sommer ergebnislos vertagten Verhandlungen bei den Vereinten Nationen in New York getan habe. Wobei sich die Frage stellt, wie glaubwürdig dieses Engagement angesichts der Berliner Exportpraxis eigentlich ist. (Tillmann Elliesen)