Gleich lange Spieße für die Rüstungsindustrie

Die Schweizer Kriegsmaterialverordnung verbietet Waffenexporte in Länder, die in Gewaltkonflikte verwickelt sind. Doch die Regierung prüft zurzeit eine Lockerung der Regeln. Bürgerliche Politiker hatten das gefordert, weil sie Nachteile für die einheimische Waffenindustrie befürchten.

Seit 2008 sind in der Schweiz Rüstungsgeschäfte mit Ländern verboten, die in Kriege oder Gewaltkonflikte verwickelt sind oder systematisch Menschenrechte verletzen. Ausnahmen sind möglich, etwa wenn ausgeschlossen werden kann, dass ein Land die Rüstungsgüter kriegerisch einsetzt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) muss sämtliche Geschäfte mit Kriegsmaterial prüfen und bewilligen.

Diese Regeln könnten sich nun ändern. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann hat Ende Mai beim Bundesrat, der Schweizer Regierung, einen Antrag eingebracht, die Kriegsmaterialverordnung zu lockern. Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, Ruedi Christen, bestätigte auf Anfrage einen Bericht des Internetportals „Newsnet“. Der Druck der Rüstungslobby sei groß, sagte er.

Autorin

Anja Burri

ist Redakteurin bei der Schweizerischen Depeschenagentur sda und ständige Korrespondentin von "welt-sichten".

Die Lockerungsbestrebungen gehen auf einen Lobbyisten der Rüstungsindustrie zurück: Vor zwei Jahren hatte der damalige bürgerliche Parlamentarier Bruno Frick (CVP) in der kleinen Kammer, dem Ständerat, einen entsprechenden Vorstoß eingebracht. Der passierte den Ständerat und forderte „gleich lange Spieße für die Schweizer Wehrtechnik“. Seit der Regelverschärfung sehe sich die Schweizer Industrie „mit einem signifikanten Wettbewerbsnachteil konfrontiert“. Nun liegt der Ball wieder beim Bundesrat. Dieser diskutiere derzeit über das Vorhaben, sagte Christen. Das Seco arbeite zudem Vorschläge aus, wie das Anliegen der Rüstungslobby umgesetzt werden könnte.

Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) zeigte sich „schockiert“. Sie wolle sich bei den Parlamentariern dafür einsetzen, dass diese Pläne keine Chance haben. Zudem solle sich das Seco „endlich an das geltende Recht halten“. Denn das ist nicht immer der Fall. Laut Kriegsmaterialverordnung dürfte die Schweiz etwa keine Rüstungsgüter an Deutschland liefern, das in Afghanistan als Kriegspartei involviert ist. Im vergangenen Jahr gehörte das Nachbarland aber zu den Hauptkunden der Schweizer Rüstungsindustrie und kaufte Kriegsmaterial für 240 Millionen Franken.

2011 war zudem wegen eines Flugzeugdeals mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Rekordjahr: Die Schweiz exportierte insgesamt Kriegsmaterial im Wert von 873 Millionen Franken, 36 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Trend wird sich offenbar fortsetzen: Wie Ende Mai bekannt wurde, bestellten Indien und Saudi-Arabien beim Schweizer Flugzeugbauer Pilatus Dutzende militärische Trainingsflugzeuge. Indien lässt sich 75 Maschinen rund 500 Millionen Franken kosten, wie viel Saudi-Arabien für 55 Flugzeuge bezahlt, ist nicht bekannt. Saudi-Arabien dürfte eigentlich kein Schweizer Kriegsmaterial erhalten. Das Seco erteilte dennoch eine Bewilligung für den Deal: Saudi-Arabien verwende die Flugzeuge nur zu Trainingszwecken und nicht für Kriegseinsätze oder die Bekämpfung von Aufständen.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2012: Konzerne: Profit ohne Grenzen
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