„Das Militär ist die wichtigste Stütze des Präsidenten“

Gabun
Am 12. April wird in Gabun ein neuer Präsident gewählt. Brigadegeneral Brice Oligui, der seit dem Putsch vom August 2023 die Übergangsregierung leitet, gibt sich als Reformer. Aber er etabliert sich als Autokrat, sagt Martin Acheampong, Wissenschaftler am GIGA Institute for African Affairs (IAA).

Martin Acheampong ist Wissenschaftler am GIGA Institute for African Affairs (IAA) in Hamburg.

Erwarten Sie einen friedlichen Verlauf der Wahlen und eine Legitimierung des neuen Regimes?
Brice Oligui ist bei der Bevölkerung beliebt, weil er Ali Bongo und seine korrupte und verschwenderische Dynastie gestürzt hat. Die Familie Bongo hat Gabun über Jahrzehnte beherrscht und ausgeplündert. Jetzt kultiviert Oligui sein Image als Reformer. Er verschleiert dabei, dass er ein Cousin von Ali Bongo ist und dessen Vater und Vorgänger im Präsidentenamt, Omar Bongo, lange Zeit als Adjutant gedient hat. 2020 wurde Oligui von Ali Bongo zum Leiter der Nationalgarde ernannt. Er hat von seiner Nähe zur Bongo-Dynastie wirtschaftlich und politisch viele Jahre profitiert. Trotzdem gelingt es ihm, sich als Kandidat des Neuanfangs darzustellen. Ich zweifle nicht daran, dass er gewählt wird – nicht zuletzt, weil die Wahlen zwar fair, aber nicht frei ablaufen werden.

Können Sie das bitte erklären? 
Ich denke nicht, dass am Wahltag in größerem Umfang Stimmzettel gefälscht werden oder verschwinden oder dass Wählende unter Druck gesetzt werden, das meine ich mit fair. Aber im Vorfeld der Wahlen hat Oligui eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die seine Machtposition als Präsident garantieren sollen und höchstwahrscheinlich werden. Zunächst hat er, als er sich zum Übergangspräsidenten erklärte, das Verfassungsgericht mit seinen Leuten neu besetzt und auch zwei Drittel der Sitze in Senat und Nationalversammlung.  Oligui geht also nicht nur mit einer Justiz in die Wahl, die bereit ist, seine Interessen zu schützen, insbesondere bei Rechtsstreitigkeiten über die Glaubwürdigkeit der Wahl, sondern auch mit einem schwachen und willfährigen Parlament, das ihn nicht wirklich kontrolliert.
Darüber hinaus wird jede Kritik daran, dass das Militär den Übergangsprozess zu seinem politischen Vorteil ausnutzt, von den staatlichen Medien als antipatriotisch und als Untergrabung der nationalen Einheit gebrandmarkt. 

Wie sichtbar ist die politische Opposition?
Es gibt eine organisierte zivile Opposition, aber sie ist kaum öffentlich sichtbar. Eine Oppositionskoalition, Alternance 2023, die von dem ehemaligen Universitätsprofessor Albert Ondo Ossa angeführt wird, warb bei den Wahlen 2023 für Reformen. Sie prangerte die hohe Jugendarbeitslosigkeit an und fragte, wohin all die Einnahmen aus der Ölförderung fließen. Als Ali Bongo sich bei eben diesen Wahlen zum Sieger erklärte und dann das Militär gegen ihn putschte, wäre wahrscheinlich Ossa der wahre Sieger gewesen. Aber als Oligui Übergangspräsident wurde, war keine Rede mehr von einer unabhängigen Überprüfung der Stimmenauszählung. Geändert hat die Junta auch, dass die Verantwortung für die Überwachung der Wahlen nicht mehr bei einer unabhängigen Wahlkommission liegt, sondern beim Innenministerium.

Ist die neue Verfassung ein Fortschritt?
Mitte 2024 veranstaltete die Militärregierung einen so genannten nationalen Dialog, in dem das Militär eine wichtige Rolle spielte und kaum Oppositionsparteien teilnehmen durften. Die dort neu formulierte Verfassung erlaubt Mitgliedern des Militärs, als solche für politische Ämter zu kandidieren. Die Rolle des Premierministers wurde abgeschafft und durch zwei Vizepräsidenten ersetzt, die die Amtszeit des Präsidenten auf sieben Jahre verlängert. Eine Verbesserung ist, dass ein Präsident jetzt nur noch zwei Amtszeiten regieren darf. Aber sieben Jahre sind für eine Amtszeit definitiv zu lang. Insgesamt stärken die per Referendum im November 2023 bestätigten Verfassungsänderungen die sowieso schon große Macht des Präsidenten. 

Sehen Sie eine Parallele zum Tschad, wo sich Übergangspräsident Mahamat Déby 2024 zum Präsidenten wählen ließ? 
Ja, auf jeden Fall, es ist das gleiche Drehbuch. Mahamat Déby ignorierte nach dem Tod seines Vaters den von der Verfassung vorgesehenen Nachfolgeprozess und ließ sich im April 2021 zum Präsidenten des Übergangs erklären. Dann veranstaltete er einen inszenierten nationalen Dialog und ein umstrittenes Verfassungsreferendum, das ihm den Weg zum vorhersehbaren Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2024 ebnete. Oligui markiert in vielerlei Hinsicht eher eine Fortsetzung als eine Abkehr von der Bongo-Dynastie. In Gabun und in Tschad ist jetzt das Militär die wichtigste Stütze der Präsidenten. 

Was bedeutet das für die Region?
Zentralafrika ist leider eine labile Region voller Konflikte, wohin man auch schaut. Angesichts dieser brisanten Lage denke ich, die umliegenden Regierungen werden das neue Regime allein deshalb schon akzeptieren, weil ihnen regionale Stabilität enorm wichtig ist – wichtiger als die Frage, ob und wie das Regime in Gabun demokratisch legitimiert ist. 

Das Gespräch führte Barbara Erbe.

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