Schulgeld für Kinder, die es vielleicht gar nicht gibt, Gehälter für Angestellte, die das Geld nie gesehen haben, und horrende Kreditkartenrechnungen unter anderem für iTunes-Einkäufe bei Apple – im Brüsseler Sekretariat der Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten (OAKPS) gab es in den vergangenen Jahren offenbar gravierende Fälle von Misswirtschaft und Betrug. Das geht aus einem vorläufigen Bericht von Buchprüfern und anderen internen Dokumenten hervor, über die das Onlineportal „Devex“ berichtet. Demnach hat das Sekretariat, das seit seiner Gründung vor 50 Jahren von der EU finanziell unterstützt wird, Schulden in Höhe von 5,5 Millionen Euro angehäuft, unter anderem bei einer Bank und in Gestalt von nicht bezahlten Gehältern und Sozialversicherungsbeiträgen.
Das Sekretariat mit zuletzt gut 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat jahrzehntelang die Zusammenarbeit der OAKP-Staaten mit der Europäischen Union koordiniert und war zudem für die Verwaltung des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) mitverantwortlich, aus dem die EU seit den 1970er Jahren die Entwicklungshilfe für die OAKP-Staaten finanziert hat. 1975 hatte die EU mit früheren europäischen Kolonien in Afrika, der Karibik und im Pazifik – daher AKP – ein Abkommen über Entwicklungshilfe und Handelsbeziehungen geschlossen. Die Abkommen wurden regelmäßig verlängert und aktualisiert – das letzte Mal Ende 2023, als auf der Pazifikinsel Samoa ein neuer Vertrag unterzeichnet wurde.
Seit der EEF im Jahr 2021 in den regulären EU-Haushalt integriert wurde, habe das OAKPS-Sekretariat allerdings „keine formale Rolle mehr“, erklärt Niels Keijzer vom entwicklungspolitischen IDOS-Institut in Bonn. Auch für das Funktionieren des Samoa-Abkommens spiele das Sekretariat keine große Rolle mehr, sagt Keijzer. Tatsächlich steht die gesamte EU-OAKPS-Partnerschaft seit Jahren auf zunehmend tönernen Füßen: Das Samoa-Abkommen kam nur nach sehr zähen Verhandlungen und mit jahrelanger Verspätung zustande, bei der Unterzeichnung im November 2023 waren nur 44 der 79 OAKPS-Mitglieder anwesend. Bereits ein Jahr zuvor war Südafrika aus der OAKP ausgetreten mit der Begründung, andere Foren seien wichtiger für die Beziehungen zur EU. Die Geldprobleme des Brüsseler Sekretariats rühren auch daher, dass etliche OAKPS-Mitglieder ihre Beiträge nicht zahlen.
5,6 Millionen Euro nicht ordnungsgemäß ausgegeben
Die EU-Kommission hatte in den vergangenen Jahren schon mehrfach einen fragwürdigen Umgang des Sekretariats mit Finanzen gerügt und unter anderem 5,6 Millionen Euro an Unterstützung zurückverlangt, weil das Geld nicht ordnungsgemäß ausgegeben worden sei. Vor einem Jahr hatte die Kommission dann laut „Devex“ zwei Prüfer beauftragt, die Bücher des Sekretariats unter die Lupe zu nehmen. Die Ergebnisse der Prüfung haben die Kommission nun veranlasst, die Unterstützung vorerst einzustellen.
Laut „Devex“ sollen 24 Mitarbeiter des Sekretariats für ihre Kinder Schuldgeld in Höhe von insgesamt fast 900.000 Euro geltend gemacht haben, ohne dafür den Buchprüfern Belege oder in etlichen Fällen auch nur Geburtsurkunden der Kinder vorgelegt zu haben. OAKPS-Generalsekretär Georges Chikoti hat demnach fast 42.000 Euro für eine Haushaltshilfe geltend gemacht, ohne beweisen zu können, dass es die Person gibt. Und eine von einigen OAKP-Regierungen veranlasste Untersuchung von zwei Kreditkarten des Sekretariats hat laut „Devex“ verdächtige Abbuchungen im Wert von Zehntausenden Euro ans Licht gebracht, unter anderem für Einkäufe im Apple iTunes Store.
Niels Keijzer vom IDOS sagt, es sei derzeit nicht klar, „ob und wann die EU-Finanzierung wieder aufgenommen werden kann oder ob beschlossen wird, das Sekretariat in seiner jetzigen Form einzustellen“. Im EU-Haushalt 2021-2027 sind insgesamt 46,7 Millionen Euro für das Sekretariat vorgesehen.
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