Für Jutta Urpilainen, die EU-Kommissarin für Entwicklungspolitik, hat eine „lange Reise“ nun ein „erfolgreiches Ende“ gefunden: Am 15. November haben die Europäische Union (EU) und die Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten (OAKPS) im Inselstaat Samoa einen Vertrag unterzeichnet, der das Cotonou-Abkommen aus dem Jahr 2000 ablöst. Das Samoa-Abkommen umfasst die Zusammenarbeit beider Staatengruppen unter anderem in den Bereichen wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Menschenrechte und Regierungsführung, Frieden und Sicherheit, Umweltschutz sowie Migration und Mobilität. Es besteht aus einem für alle gültigen gemeinsamen Teil und drei Protokollen jeweils für Afrika, die Karibik und die Pazifikregion. Das Abkommen tritt am 1. Januar 2024 in Kraft – zunächst nur vorläufig: Es muss noch vom Europäischen Parlament, sämtlichen EU-Mitgliedern und von mindestens zwei Dritteln der OAKPS-Staaten ratifiziert werden.
Der Unterzeichnung in Samoa vorausgegangen war eine jahrelange diplomatische Hängepartie in der EU: Zunächst verweigerte Ungarn dem Vertrag zwei Jahre lang die Zustimmung, weil darin auch Fragen der Migration zwischen Afrika und Europa und zu Rechten von LGBTQ-Personen angesprochen werden. Als Budapest dann im Frühjahr dieses Jahres endlich den Weg freimachte, blockierte Polen: Aus Warschau hieß es, man werde dem Vertrag erst zustimmen, wenn die EU beschließe, dass Getreideüberschüsse in Europa aufgrund der Importe aus der Ukraine als Lebensmittelhilfen nach Afrika verschifft werden.
Das europäische Hickhack ist auch bei der OAKPS nicht ohne Folgen geblieben. Ende 2022 trat Südafrika aus der Organisation aus; andere Foren seien wichtiger in der Zusammenarbeit mit der EU. Und kurz vor der Unterzeichnung in Samoa meldete Namibia Bedenken an mit der Begründung, man sei mit einigen Klauseln in dem Vertrag nicht einverstanden. Bei der Unterzeichnung in Samoa waren am Ende nur 44 der 79 OAKPS-Mitglieder anwesend; neben Namibia fehlten andere wichtige afrikanische Staaten wie Nigeria, der Senegal und Ruanda sowie einige Staaten aus der Karibik und dem Pazifik. Wenn sie das Abkommen nicht bis Jahresende unterzeichnen, dann fehlt der Europäischen Investitionsbank die Rechtsgrundlage für Investitionen in diesen Ländern. Das könnte unter anderem ein gerade erst angeschobenes EU-Vorhaben zur Produktion von grünem Wasserstoff in Namibia gefährden.
Das Modell ist nicht mehr zeitgemäß
Die Geschichte der Verbindung zwischen der EU und der OAKPS (vormals AKP-Gruppe) reicht bis in die 1970er Jahre zurück, als Europa die Entwicklungs- und Handelspolitik mit seinen ehemaligen Kolonien auf eine neue vertragliche Grundlage stellen wollte. Seitdem wurden die Verträge mehrfach erneuert, doch bereits seit einigen Jahren ist das Modell grundsätzlich nicht mehr zeitgemäß: Zum einen sind die Mitglieder der OAKPS wirtschaftlich längst nicht mehr so homogen wie vor 50 Jahren; die Beziehungen der EU zu den drei Untergruppen Afrika, Karibik und Pazifik sind viel stärker als früher von unterschiedlichen Interessen geprägt.
Zum anderen wurden die zwei zentralen Bereiche der EU-AKP-Partnerschaft, die Handels- und die Entwicklungspolitik, aus dem gemeinsamen Vertrag ausgeklinkt und werden nun anderswo geregelt: Für die Handelsbeziehungen drängt Brüssel seit Jahren auf sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit einzelnen AKP-Unterregionen; einige sind bereits beschlossen. Der Europäische Entwicklungsfonds wiederum wurde in den regulären Haushalt der EU eingegliedert und hat seinen Status als exklusiver Finanztopf für die AKP-Staaten verloren.
Neuen Kommentar hinzufügen