Soll das Entwicklungsministerium ins Auswärtige Amt integriert werden?

Zum Thema
Katikatur: Vor einem Gebäude mit Säulen fährt eine schwarze Limousine mit der Aufschrift "Auswärtiges Amt" vor sowie eine Pferdekutsche mit der Aufschrift "BMZ".
Wolfgang Ammer
Pro und Kontra
Neuwahlen stehen vor der Tür – und damit auch eine Neuauflage der Diskussion, ob Deutschland ein Entwicklungsministerium braucht. Befürworter versprechen sich von einer Zusammenlegung mit dem Auswärtigen Amt mehr außenpolitische Schlagkraft. Kritiker fürchten, dass die Entwicklungspolitik unter die Räder kommt.

Ja: Wirtschaftliche Zusammenarbeit attraktiver machen

Till Mansmann ist FDP-Bundestagsabgeordneter und entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.

Am stärksten kritisiert wird eine Zusammenlegung von Entwicklungsministerium (BMZ) und Auswärtigem Amt (AA) von den beteiligten Ministerien und von der Entwicklungs-Community. NGOs und Kirchen fürchten einen Mittel- und ihren Bedeutungsverlust, wenn sie den Zugang zur Macht mit anderen teilen müssen. Die Diplomaten des AA und die Entwicklungshelfer im BMZ fürchten vor allem sich gegenseitig. 

In den Partnerländern selbst, bei Thinktanks oder dem Bundesrechnungshof sorgt das uneinheitliche Auftreten der Regierung eher für Stirnrunzeln. Ganz zu schweigen von der EU und den G7-Ländern: Hier leistet sich niemand zwei separate Ministerien. Außenpolitikexperten plädieren angesichts komplexer Krisen und geopolitischer Spannungen mit Autokratien wie Russland und China für vernetzte Ansätze in der Außen-, Entwicklungs-, und Verteidigungspolitik. Das geopolitisch am stärksten umkämpfte Feld ist die Wirtschaft. Für Deutschland, dessen Stärke weniger militärischer als wirtschaftlicher Natur ist, ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit genau wie die Außenwirtschaftsförderung zentral. 

Solange die Ministerien ihre Strategien nicht gemeinsam entwickeln, bleibt eine Vernetzung oberflächlich. Die Aufgaben werden aufgrund des starken Ressortprinzips (und Chefs aus unterschiedlichen Parteien) zunächst eigenständig und parallel zueinander erledigt. Kernaufgabe des BMZ ist es, Ressourcen zu verteilen, nicht Außenpolitik zu machen. Doch im stark umkämpften globalen Süden ist genau das Außenpolitik – wie jeder Außenminister weiß, der mit Regierungen in Partnerländern verhandelt. 

Anders als humanitäre Hilfe war Entwicklungszusammenarbeit nie bedingungslos, sondern folgt als Soft-Power-Instrument nationalen wie mit den Partnerländern geteilten Werten und Interessen. In der Praxis jedoch gehen Entwicklungs- und Außenpolitik fließend ineinander über. Auch als FDP-Minister beide Ressorts leiteten, hatten sie nur begrenzten Erfolg, dieses Dilemma zu lösen: Da Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Fusion beider Häuser ablehnte, siedelten Dirk Niebel und Guido Westerwelle die humanitäre Hilfe im AA an, im Gegenzug für mehr entwicklungspolitisches Personal an den Botschaften. In der Folge entwickelte sich im AA die „kleines BMZ“ genannte Abteilung S für „Krisenprävention und Stabilisierung“ sowie im BMZ die „strukturbildende Übergangshilfe“. Der Bundesrechnungshof fordert schon lange eine bessere Koordinierung unter anderem dieser Doppelstrukturen.

Aus Partnerländern kommt die Kritik, dass unsere Entwicklungspolitik zu wenig nachfrageorientiert ist. Oder wie es ein Gesprächspartner aus dem globalen Süden formulierte: „Wenn wir mit China zusammenarbeiten, bekommen wir einen Flughafen. Von euch bekommen wir eine Belehrung.“ Angesichts der Paketlösungen Chinas sowie der für die enormen Transformationsaufgaben notwendigen großen Projekte wie der Just Energy Transition Partnerships oder der Global Gateway Initiative ist neben der entwicklungspolitischen Flankierung auch die Beteiligung weiterer Ressorts essenziell – wie des Wirtschaftsministeriums, das maßgeblich etwa an den Energiekooperationen mit Namibia und Südafrika beteiligt ist.

Deshalb: Die FDP will das Entwicklungsministerium nicht abschaffen, sondern für die globalstrategischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts aufstellen und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland für die Partner im globalen Süden wieder attraktiver machen. Zu einer Neuordnung von Entwicklungs- und Außenpolitik gehört daher auch die Außenwirtschaftspolitik des Wirtschaftsministeriums.

Nein: Es braucht eine eigenständige Entwicklungspolitik

Dagmar Pruin ist Präsidentin von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe

Die Debatte ist nicht neu. Schon 2009 hat die FDP gefordert, das Entwicklungs- in das Außenministerium einzugliedern. Der Vorschlag folgt in Zeiten multipler Krisen und knapper Budgets einer scheinbar naheliegenden Überlegung: Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sollen nur noch solche Initiativen gefördert werden, die Deutschland unmittelbar nützen. Ausdruck dessen ist die Idee, das Entwicklungsministerium (BMZ) im Auswärtigen Amt (AA) aufgehen zu lassen – einem Ministerium, das qua Auftrag Deutschlands Interessen im Ausland vertritt. 

Das Entwicklungsministerium wurde 1962 eingerichtet. Dessen erster Minister hieß Walter Scheel, bekanntlich Politiker der FDP. Er betonte stets, dass in erster Linie ethisch-moralische Gründe für die – wie es damals hieß – Entwicklungshilfe leitend sein sollten; er dachte vor allem an die Überwindung von extremer Armut und Hunger. 

Scheels Haltung ist auch sechs Jahrzehnte später noch richtig. Aus gutem Grund sprechen sich nahezu alle nichtstaatlichen Organisationen und beide großen Kirchen in Deutschland gegen die Abschaffung des Entwicklungsministeriums aus. Die meisten Entwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitiker von Union, SPD und Grünen sehen das auch so. Entwicklungspolitik ist kein Anhängsel zur Außenpolitik. Ihre auf universellen Menschenrechten basierenden Werte sollten an erster Stelle stehen und Grund genug für eine starke Entwicklungspolitik sein. Man lässt keinen Menschen verhungern! 

Diese Haltung ist folgerichtig für ein Land mit unserer Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Gräueln der Schoah hat man auch die Deutschen nicht verhungern lassen, sondern unseren Staat beim Aufbau unterstützt. Heute sind wir ein Land, dessen Regierung zu Recht betont, mehr Verantwortung in der Welt übernehmen zu wollen. Entwicklungspolitik, davon bin ich überzeugt, ist ein zentraler Baustein, diese Verantwortung konkret auszugestalten.

Doch auch aus deutschem Eigeninteresse wäre die Abschaffung des BMZ keine gute Idee. In einer globalisierten Welt brauchen wir nicht weniger Kooperation, sondern mehr. Beispiel Klimapolitik: Jede Tonne CO2, die irgendwo auf der Welt eingespart wird, ist gut für das Klima auf der ganzen Welt. Beispiel Ernährungspolitik: Statt unsere subventionierten Überschüsse billig in Länder des globalen Südens zu verkaufen, sollten wir deren Fähigkeit stärken, ihre Bevölkerung ohne Importe und damit krisenfester zu ernähren. Beispiel Sicherheit: Gute Entwicklungszusammenarbeit beugt Konflikten vor und hilft, Frieden zu sichern.

Befürworter der Eingliederung des BMZ ins AA verweisen gern auf andere Länder, die diesen Schritt gegangen sind. Doch in vielen davon ging es danach mit der Entwicklungszusammenarbeit bergab. Ein Beispiel ist Großbritannien, das nach der Abschaffung des Ressorts 2020 seine Entwicklungszusammenarbeit stark gekürzt hat. Von seiner einst führenden Rolle in der globalen Entwicklungspolitik ist nicht viel übrig. Und der Bekämpfung von Hunger und Armut in der Welt haben diese Entscheidungen anderer Länder geschadet.

„Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt.“ Dieser Satz von Gustav Heinemann gilt für mich nicht nur innerhalb der Grenzen unseres Landes. Er gilt auch mit Blick auf das globale Ganze. Die Menschen in ärmeren Ländern haben keine Lobby. Umso wichtiger ist, dass ihre Interessen und Perspektiven gleichberechtigt am Kabinettstisch sitzen. Sonst geraten unsere humanistischen – ich könnte auch sagen christlichen – Werte unter die Räder.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2024: Wo Macht sich kaufen lässt
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