Bei Migration sind die Ministerinnen nicht einig

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picture alliance / Metodi Popow/M. Popow
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (links) und ihre Kollegin und SPD-Parteigenossin Innenministerin Nancy Faeser im September im Reichstag.
Berlin
Deutschland schließt immer mehr Migrationsabkommen, um Flüchtlinge und Migranten abzuschieben und ausländische Fachkräfte anzuwerben. Das Entwicklungsministerium flankiert das – aber mit anderem Fokus.

Als Erfolge werden Geschichten erzählt wie die von Andrew, einem jungen Ghanaer, dem als IT-Spezialist die reguläre Einreise nach Deutschland zur Jobsuche gelang. Nach einer Lehre beim Softwarehersteller SAP in Ghana und fünf Jahren Berufserfahrung fand er in seiner Heimat keinen Weg zur beruflichen Weiterbildung, klopfte schließlich im ghanaisch-europäischen Zentrum für Jobs, Migration und Entwicklung an. Dort informierte er sich über Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland, schrieb sich für einen Sprachkurs ein und bekam Unterstützung beim Visumantrag und der Anerkennung seines Zertifikats. Seit März 2024 ist er in Deutschland, bewirbt sich auf Stellen und hatte erste Vorstellungsgespräche. 

Das erste Migrationsberatungszentrum in Afrika half bis 2023 vor allem rückkehrenden Ghanaern bei der Reintegration, wurde mit der Neuausrichtung der Migrationspolitik des Entwicklungsministeriums (BMZ) aber zu einer „Zweibahnstraße“ umgewidmet, die auch legale Arbeitsmobilität von Süd nach Nord erleichtert. Inzwischen haben solche Zentren für Migration und Entwicklung in weiteren acht Ländern – Ägypten, Irak, Jordanien, Marokko, Nigeria, Pakistan, Tunesien und demnächst Indonesien – die Arbeit aufgenommen. Sie dienen laut einem BMZ-Sprecher als Beratungsstelle für Menschen, die sich für eine Ausbildung oder Erwerbstätigkeit im Ausland interessieren, und weisen Wege in Richtung reguläre Migration nach Deutschland und Europa. Das werde gut angenommen, ergänzt der Sprecher, ohne Zahlen zu nennen. 

In Zeiten, in denen Entwicklungspolitik sich zunehmend rechtfertigen muss, lobt Ministerin Svenja Schulze die Zentren als „ganz konkrete Lösungsvorschläge, die wirken“. Mehr reguläre Migration könne gefährliche irreguläre Migration reduzieren helfen, sagte sie in einem Interview. Nach welchen Kriterien das Ministerium die Zentren wo etabliert, bleibt allerdings unklar. Aus einigen Ländern kommen viele Menschen irregulär, obgleich es nicht die Top-Herkunftsländer für Geflüchtete in Deutschland sind wie Syrien und Afghanistan. So entfielen laut Statistik auf Irak 2023 etwa 12.000 Asylanträge, je 3000 auf Pakistan und Nigeria, gefolgt von Tunesien (2500), Marokko (1900), Ägypten (1500) und Ghana (485). 

Schulze wünscht sich eine stärker entwicklungspolitische Sicht

Laut der Liste der federführend von Innenministerin Nancy Faeser initiierten Migrationsabkommen findet sich in nur einem Land – Marokko – auch ein vom BMZ gefördertes Zentrum. Leitend für Faesers Auswahl, so Schulze im April, seien „eher innen- und arbeitsmarktpolitische Kriterien“. Sie selbst würde sich eine stärker entwicklungspolitische Sicht wünschen, um etwa „gezielt mit Ländern zusammenzuarbeiten, die stark unter dem Klimawandel leiden und in denen Menschen dringend neue Perspektiven suchen“.

Die Migrationsabkommen der Ampelkoalition mit Ländern außerhalb der EU verfolgen das doppelte Ziel, qualifizierte Arbeitskräfte anzuwerben und irreguläre Migration zu verringern. Laut Faeser sollen aussichtslose Asylverfahren stärker vermieden und Menschen ohne Bleiberecht konsequent abgeschoben werden. Bei den bisherigen Abkommen scheint es aber vor allem um die Rekrutierung von Arbeitskräften zu gehen, weniger um Abschiebungen. Zumindest entfielen 2022 auf acht der neun Länder, mit denen es Migrationsabkommen gibt (außer Philippinen) – Georgien, Indien, Kenia, Kirgisistan, Marokko, Moldau, Usbekistan, Kolumbien – nur 5,9 Prozent der Asylanträge. Außer aus Georgien und Moldau überwiegt aus diesen Ländern die reguläre Einreise. Spekuliert wird, dass über Kirgisistan oder Usbekistan Afghanen ohne Bleiberecht zurückgeführt werden sollen.

Wie wichtig es ist, die Anwerbung von Arbeitskräften entwicklungspolitisch zu begleiten, lässt sich in Tunesien erahnen. Das Land ist nach den Philippinen zum zweitgrößten Herkunftsland für ausländisches Pflegepersonal geworden; 2023 wurden nach Regierungsangaben mehr als 2000 deutsche Arbeitsvisa ausgestellt. Doch wird berichtet, dass Agenturen wie Pilze aus dem Boden schießen, die versprechen, Interessenten gegen Bares Jobs zu vermitteln und sie durch den bürokratischen Dschungel der Einreiseformalitäten zu lotsen. Berichtet wird zugleich von Betrügereien und Abzocke, Bewerber verlieren Geld, statt idealerweise von amtlich zugelassenen Vermittlern auf Kosten des späteren Arbeitgebers begleitet zu werden. 

Kenia warnt vor zu hohen Erwartungen

Dagegen hob in Kenia der deutsche Botschafter kurz nach Abschluss des Migrationsabkommens Mitte September die Verantwortung des Privatsektors hervor. Die Politik schaffe nur die Rahmenbedingungen, sagte er am Rande einer Jobmesse, bei der der Andrang die zugelassenen 1500 Besucher übertraf. Arbeitsminister Alfred Mutua warnte die Jugend vor zu hohen Erwartungen, nachdem ein britischer Medienbericht über die Anwerbung von bis zu 250.000 Kenianern spekuliert hatte. Mutua sprach von lediglich 400 konkreten Angeboten, vor allem in der Gastronomie und der Landwirtschaft.

Weitere Zentren für Migration und Entwicklung könnten an der Finanzierung scheitern. Das Vorhaben wurde seit 2023 mit 121 Millionen Euro ausgestattet, sagt ein Sprecher. Angaben für 2025 seien wegen des laufenden Haushaltsverfahrens nicht möglich. „Das BMZ ist in Gesprächen mit verschiedenen Partnern, die Interesse haben, sich an der Finanzierung der Zentren zu beteiligen.“ 

Nicht zu verwechseln sind die Beratungszentren des BMZ mit Migrationszentren, die in Zusammenhang mit der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten genannt werden. Davon hält man im Entwicklungsministerium wenig: Es sollten stattdessen Alternativen stärker geprüft werden, etwa mehr Unterstützung für Erstaufnahmeländer im globalen Süden, mehr Wege der legalen Migration oder eben partnerschaftliche Migrationsabkommen, sagt der BMZ-Sprecher.

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