Um die Wette protzen, vom guten Leben träumen

Zwei junge, übermütig wirkende südafrikanische Männer Arm in Arm, sie tragen teure, teils bunte Designerklamotten und Markenschuhe; im Hintergrund mehrere junge südafrikanische Frauen.
Per-Anders Pettersson/Getty images
Jugendliche stellen bei einem Jugendfestival im Township Soweto in Johannesburg Designerklamotten und Markenschuhe zur Schau. ­Izi­khothane geben nicht nur mit teuren Sachen an, sondern zerstören sie dabei.
Südafrika
In manchen Townships Südafrikas wetteifern junge Männer darin, Luxusgüter zu verprassen, die sie sich kaum leisten können. Das ist weder als reine Verschwendung zu verstehen noch als Konsumkritik.

Stellen Sie sich vor, jemand ist arm, kauft aber teure Kleidung, Speisen und Alkohol, nur um das alles dann vor versammeltem Publikum zu zerstören. Das macht kurz gesagt die Subkultur des Ukukhothana aus. Ukukhothana bedeutet so viel wie „Zurschaustellen“ und ist in einigen südafrikanischen Townships ein starker Jugendtrend

Wann genau diese Subkultur entstanden ist, ist nicht eindeutig geklärt, aber es gibt Hinweise, wonach sie bis ins Jahr 2005 zurückverfolgt werden kann. Sie tauchte zuerst in den Townships des East Rand in der Provinz Gauteng auf und breitete sich dann auf andere Townships und Provinzen aus. Ihre Anhänger, die Izikhothane, sind schwarze männliche Jugendliche aus Townships, die in der Regel zwischen 13 und 22 Jahre alt sind und einen zur Schau gestellten, destruktiven Konsum betreiben. Der Begriff Izikhothane ist vermutlich eine freie Übersetzung aus dem karibischen Englisch und bedeutet „The Lickers“, das heißt Leute, die angeben und andere übertrumpfen oder ausstechen. Das Phänomen der Ukukhothana verweist darüber hinaus auch auf den afroamerikanischen Trend, Leute zu „dissen“, sich offen respektlos zu benehmen. 

In der Praxis treffen sich Gruppen von Izikhot­hane, von denen die meisten noch in der Oberschule sind, regelmäßig am Wochenende, um in Scheinkämpfen gegeneinander zu wetteifern. Dazu tragen sie teure Designerklamotten wie Rossimoda-Schuhe, Hemden von DMD und Versace, Carvela-Schuhe und angesagte Sportartikel von Nike und Adidas. Ein Outfit kann gut und gerne bis zu 400 US-Dollar kosten. Sie bringen auch mit, was im Township-Kontext als hochpreisiges Junkfood gilt: Kentucky Fried Chicken (KFC) und Debonair‘s Pizza oder Gerichte von McDonald‘s. Zum Essen gibt es teure Spirituosen wie Hennessy und Jameson – bekannte Cognac- und Whiskymarken, die sich normalerweise nur vermögende Leute leisten.

Schicke Klamotten, absichtlich ruiniert

Was mit diesen kostspieligen Artikeln geschieht, macht die improvisierten Quasi-Aufführungen interessant. Das Publikum besteht hauptsächlich aus Mitschülerinnen und Mitschülern, die sich zu einem großen Kreis um die rivalisierenden Gruppen versammeln; Musik spielt aus einem Minibustaxi oder aus einer tragbaren Lautsprecherbox, die über Bluetooth mit einem Handy verbunden ist. Die Atmosphäre ist in diesem Augenblick höchst aufgeladen. Laute Anfeuerungsrufe aus dem Publikum verstärken die glamouröse Stimmung, in der die jungen Männer gegeneinander antreten und um den Sieg wetteifern.

Und Action: Die teure Kleidung wird nicht selten zerrissen, verbrannt oder zertrampelt; die Lieblingsspeisen werden spielerisch und prahlerisch auf den Boden gepfeffert, oder die Tänzer bewerfen sich gegenseitig damit; der Alkohol wird getrunken, aber auch zum Händewaschen verwendet und sogar auf den Boden geschüttet. Diese Zerstörung erfolgt keineswegs wahllos, barbarisch und ungeordnet. Im Gegenteil, sie ist gut koordiniert und auf einzigartige Weise in die Tanzdarbietungen zu den dröhnenden Beats der House-Musik eingeflochten. Sie ist perfekt im Rhythmus und sehr gekonnt – eine unterhaltsame Vorstellung. 

All dies geschieht, um mit Reichtum, Stil und lässig-cooler Ausstrahlung zu punkten. Es geht darum, den Beifall des Publikums, die Aufmerksamkeit der weiblichen Zuschauer und den Respekt der rivalisierenden Izikhothane-Gruppen zu gewinnen. Es ist unterhaltsam anzuschauen, aber auch ein Schauspiel krasser materialistischer Zerstörung. Kritiker des Ukukhothana bezeichnen es als reine Verschwendung.

Schein und Sein

Ein faszinierender Fall ist die Subkultur der Izikhothane wegen des großen Gegensatzes zwischen ihren öffentlichen Darbietungen von destruktivem, protzigem Konsum und den Erfahrungen ihres Alltags. Denn der ist von wirtschaftlicher Armut und dem in der Arbeiterklasse verbreiteten Mangel geprägt. Die Izikhothane kommen überwiegend aus Arbeiterfamilien. Ihre Eltern sind, wenn sie überhaupt eine Anstellung haben, Hausangestellte, Fahrer, Gärtner, Büroangestellte oder Inhaberinnen kleiner Geschäfte im informellen Sektor. Unter den Anhängern der Ukukhothana-Subkultur sind sogar Waisenkinder aus elternlosen Haushalten, die gezwungen sind, sich selbst zu versorgen.

Wie können die Izikhothane angesichts ihres niedrigen sozioökonomischen Status ihre destruktiven Gewohnheiten überhaupt finanzieren? Was treibt sie dazu, die wenigen Ressourcen, die sie haben, zu verschwenden? Was haben sie von der Teilnahme an dieser Subkultur?

Autor

Sifiso Mnisi

unterrichtet Kommunikation und Medien an der Universität Johannesburg und leitet dort die School of Communication. Er forscht zu Verbraucherstudien, Jugendsubkulturen, Gender Studies und Dekolonisierung.

Da die Izikhothane im Allgemeinen aus armen Familien stammen, müssen sie viele Opfer bringen, um sich den Lebensstil leisten zu können, den sie zur Schau stellen. Manchmal helfen die Eltern ihren Kindern, die benötigte Kleidung zu kaufen – auf Kosten anderer lebenswichtiger Dinge wie gesundes Essen. Vonseiten der Eltern ist das Opfer eine Form der Liebesbekundung an das Kind. Die Eltern aus der Arbeiterklasse in Südafrika sind oft bestrebt, ihren Kindern ein besseres Leben als das zu ermöglichen, das sie selbst als Heranwachsende führen mussten – und dazu mag gehören, dass sie einer Freizeitbeschäftigung nachgehen können wie verschwenderischem Konsum. Dass teure Gegenstände mutwillig zerstört werden, unterstützen die Eltern jedoch nicht. Manche wissen vielleicht nicht einmal, dass ihre Kinder an der Subkultur teilnehmen, weil die ihnen nicht die Wahrheit sagen mögen.

Viele Izikhothane sind aber auch unternehmerisch tätig. Einige beschaffen sich Geld, indem sie kleine Geschäfte eröffnen – beispielsweise verkaufen sie in der Schule Snacks. Andere eröffnen Autowaschanlagen und betreiben sie nach der Schule. Die sind in Südafrika ein sehr beliebtes Geschäft und dienen in den Townships als soziale Treffpunkte, denn sie sind in der Regel kombiniert mit dem, was wir Shisa Nyama nennen: einer Metzgerei, wo man Fleisch kauft und es gleich grillt und verzehrt. Während die Leute also darauf warten, dass ihr Auto gewaschen wird, essen sie Fleisch mit Pap, einem Maisbrei, und mit Chakalaka, Gemüse in einer scharfen Soße. Interessanterweise dienen Autowaschanlagen dann auch als Schauplatz für die Zurschaustellung von Wohlstand und Status.

In der Apartheidszeit durften Schwarze nicht einmal Alkohol trinken

Eine auf Konsum beruhende Subkultur in Südafrika kann ohne den Kontext der Apartheidszeit nicht verstanden werden. Damals waren die staatliche Zuordnung aller Einwohner zu vier angeblichen Rassen (Weiße, Farbige, Inder und Schwarze) und der Konsum miteinander verbunden. In Südafrika hat der Zugang zu Ressourcen bis heute Wurzeln in der Ära der Apartheid, die „Rasse“ und Klasse miteinander verknüpfte und so die wirtschaftlichen Möglichkeiten und den sozialen Aufstieg für „Schwarze“ einschränkte. Als schwarz klassifizierte Menschen lebten in Armut und wurden an den Rand gedrängt. Von vielen Freizeitaktivitäten waren sie ausgeschlossen, und selbst Alkohol zu trinken war lange Zeit für sie illegal. Auch das Einkaufen war rassistisch geprägt, manche Geschäfte waren nur für „Weiße“ reserviert. Das Gesetz bestimmte, was Schwarze konsumieren durften und was nicht. Während der Apartheid führte diese strukturelle Gewalt dazu, dass manche junge schwarze Männer in den Townships bestimmte Bekleidungsmarken zum Fetisch erhoben.

Das Südafrika nach der Apartheid versprach ein besseres Leben für alle. Anfangs sah es auch tatsächlich danach aus, doch dann zeigten die Statistiken, dass die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer wurden. Man kann nachempfinden, wie schmerzhaft es ist, wenn man sich sehr danach sehnt, sein Leben zu verbessern, aber der Erfolg einem verwehrt ist und man stattdessen entmenschlichende Armut ertragen muss, die Menschen die Würde raubt. So wird Konsum zu einem Vehikel, das in Südafrika nach der Apartheid soziale Mobilität und Freiheit versinnbildlicht. Konsum ist ein Indikator der sozialen Klasse. Das hat eine ausgeprägte Konsumkultur geschaffen, bei der es darum geht, ein Bild des sozialen Aufstiegs zu vermitteln.

Sehnsucht nach Freiheit, Demonstration von Männlichkeit

Aus diesem Grund spielt der Konsum in der Subkultur der Izikhothane eine wesentliche Rolle. Erstens symbolisiert er Freiheit, weil der Ausschluss von bestimmten Konsummustern ein Instrument der Unterdrückung war. Zweitens symbolisiert er für die meisten Schwarzen den sozialen Aufstieg.

Drittens steht er für den angestrebten Lebensstil. Der Konsum der Izikhothane ist zum Teil eine Darstellung ihrer Wünsche und Sehnsüchte. Sie erwerben nicht einfach zufällig Güter und Dienstleistungen, sondern ihr Konsum folgt ganz bestimmten offen erkennbaren Mustern. Die sind geprägt von einer Reihe Faktoren, etwa von wirtschaftlichen, vom kulturellen Hintergrund, sozialen Umständen und Geschlechtsidentitäten. In patriarchalischen Gesellschaften kann die Konsumfreude als soziales Barometer für Männlichkeit dienen. Der auffällige Konsum der Izikhothane ist auch eine Inszenierung der eigenen Männlichkeit.

Letztlich ist die Subkultur des Ukukhothana aber keine Form der Konsumkritik. Vielmehr übertreiben die Izikhothane die Konsumfixierung, um zu demonstrieren, was sie anstreben und erhoffen: Sie behaupten, mehr zu haben, als sie haben, und zerstören sogar, was sie haben, um zu suggerieren, dass sie im Überfluss leben, obwohl das nicht der Fall ist. Das Bild, das ein Izikhothane von sich entwirft, beruht auf der Vorstellung, in Fülle zu leben und sich noch mehr leisten zu können. Es soll der Eindruck erweckt werden, dass ich meine wertvollen Güter einfach so kaputt machen und sie mir dann mit Leichtigkeit wieder neu kaufen kann. 

Die Subkultur hat nicht nur schlechte Seiten

Das Element der Zerstörung in dieser Subkultur ist zwar besorgniserregend, aber man sollte bedenken, dass es nicht im leeren Raum stattfindet. Izikhothane leben in einer ausgeprägten Konsumgesellschaft und wollen aktiv dazugehören. 

Man kann argumentieren, dass es gefährlich ist, mittels Konsum nach sozialem Aufstieg zu sterben, weil das Wunschdenken bleibt und das Risiko einer Armutsfalle birgt. Aber es kann auch einen Nutzen haben, wenn es dazu ermutigt, auf das Leben, das man sich wünscht, unermüdlich hinzuarbeiten. Bei manchen Anhängern der Subkultur ist das der Fall. Einige von ihnen sind zu Symbolen der Populärkultur geworden, sie machen Geld mit Sponsorenverträgen mit Unternehmen und Verträgen für Reality-TV-Shows. Andere haben ihre Berühmtheit als Izikhothane genutzt, um das Wachstum ihrer Unternehmen anzukurbeln. Wieder andere haben sich einfach nur um eine Ausbildung und eine Beschäftigung bemüht, um sich ein besseres Leben zu sichern, während die Sehnsucht nach dem „Immer mehr“ bestehen bleibt.

Aus dem Englischen von Anja Ruf. 

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erschienen in Ausgabe 5 / 2024: Vorsicht Subkultur!
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