Seit dem Sturz Hasinas Anfang August hat es in 45 der 64 Bezirke des Landes Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten gegeben, berichtet der Bangladesh Hindu Buddhist Christian Unity Council (BHBCUC), das größte Minderheitenforum in dem mehrheitlich muslimischen Land. Seit Anfang August seien 200 bis 300 Häuser und Geschäfte von Hindus sowie mindestens zehn Hindu-Tempel angegriffen und verwüstet worden. Auch Christen wurden angegriffen, lässt das Forum wissen. Mindestens neun Häuser von Christen sowie christliche Organisationen seien seit Hasinas Sturz angegriffen worden, darunter das Regionalbüro der Caritas im südlichen Bezirk Khulna, sagte ein katholischer Sprecher.
In Bangladesch, das bis zu seiner Unabhängigkeit 1971 zu Pakistan gehörte, sind rund 90 Prozent der über 170 Millionen Einwohner Muslime, acht Prozent Hindus, ein Prozent Buddhisten und 0,3 Prozent beziehungsweise 600.000 sind Christen. Der Islam ist seit 1988 Staatsreligion. Die bisher regierende Awami-Liga von Sheikh Hasina verfolgt eine säkulare Agenda und hat deshalb unter den religiösen Minderheiten besonders viele Anhänger. Dies macht Hindus, Buddhisten und Christen nun zum Ziel von Angriffen der Opposition.
Gespräche mit der Übergangsregierung
Das Minderheitenforum BHBCUC hat nach dem Sturz Hasinas umgehend das Gespräch mit Muhammad Yunus gesucht, dem Chef der Übergangsregierung, und Schutz für die Minderheiten gefordert. „Wir erwarten, dass die Übergangsregierung starke Initiativen ergreift, um ein Bangladesch aufzubauen, das auf Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit basiert und das integrativ ist“, sagte der katholische Erzbischof von Dhaka, Bejoy N. D’Cruze, bei dem Treffen. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass ethnische und religiöse Minderheiten nicht benachteiligt oder unterdrückt würden. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz lobte außerdem die Studierenden, die mit ihren Demonstrationen zum Sturz der vorigen Regierung beigetragen hatten.
Wochenlang hatten Hunderttausende in Bangladesch gegen die autoritäre Regierung von Sheikh Hasina demonstriert, der schwere Menschrechtsverletzungen während ihrer Amtszeit vorgeworfen werden. Mehr als 450 Tote hatte es bei den Protesten gegeben. Auslöser war eine geplante Quotenregelung bei der Vergabe staatlicher Stellen. Diese sind in Bangladesch besonders begehrt, weil sie gut bezahlt und unkündbar sind. Jährlich werden 3000 neue Stellen ausgeschrieben, auf die sich 400.000 Menschen bewerben. Die Quotenregelung hatte ein Drittel der Stellen für die Nachfahren von Kämpfern im Unabhängigkeitskrieg von Pakistan vorgesehen. Dies hätte vor allem regierungsnahe Bewerber und Mitglieder der Awami-Liga bevorzugt. Minderheiten hätten ihre eigene Quote bekommen. Unterstützt wurden die Proteste von der größten Oppositionspartei, der religiös-konservativen Bangladesh Nationalist Party (BNP) sowie der islamistischen Partei Jamaat-e-Islami.
Yunus versprach die Übergriffe auf Minderheiten untersuchen zu lassen. Die Regierung werde sich „unverzüglich mit den betroffenen Gruppen zusammensetzen, um Wege zu finden, solch abscheuliche Angriffe zu unterbinden“. Bei dem Treffen mit dem Übergangs-Ministerpräsidenten forderten die Vertreter der Minderheiten unter anderem auch die Einführung zusätzlicher landesweiter religiöser Feiertage, etwa den christlichen Ostersonntag oder das buddhistische Fest Prabarana Purnima.
Besonders aufmerksam werden die Vorgänge in Bangladesch im Nachbarland Indien verfolgt, nachdem dort in den sozialen Medien Videos von Lynchmorden an Hindus und brennende Tempel kursierten. „Wir machen uns Sorgen um die Sicherheit unserer Brüder und Schwestern in Bangladesch“, sagte ein Sprecher des katholischen Bischofsrats in Kerala gegenüber Medien. Aber auch unter der hinduistischen Mehrheitsbevölkerung in Indien wächst die Unruhe, insbesondere im Bundesstaat Westbengalen, der eine über 2000 Kilometer lange Grenze zu Bangladesch hat. „Wenn die Situation nicht unter Kontrolle kommt, sollten wir uns darauf vorbereiten, zehn Millionen Hindu-Flüchtlingen Aufnahme zu gewähren“, sagte ein Parlamentsabgeordneter der regierenden BJP gegenüber Medien. In Neu-Delhi befürchtet man, dass ein instabiler Nachbar, in dem die islamistische Jamaat-e-Islami eine größere Rolle spielen könnte, den Rivalen China und Pakistan mehr Einfluss in der Region einräumen könnte.
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