Biowende: gewünscht, aber vorerst gescheitert

Ein dunkelhaariger Mann und eine dunkelhaarige Frau beugen sich über einen Plastiksack mit organischem Dünger. Im Hintergrund ein agrarisches Gelände in Sri Lanka.
Christian Nusch
Kleinbauern versuchen jetzt, auf eigene Faust von ­Chemie loszukommen. In diesem Schulungszentrum lernen sie, wie man organischen Dünger und Kompost herstellt. 
Landwirtschaft in Sri Lanka
Im April 2021 verfügte der damalige Präsident Gotabaya Rajapaksa, dass Sri Lanka zum Biostaat werden sollte. Ein halbes Jahr später explodierten die Lebensmittelpreise und es kam zu Unruhen. Trotzdem würden viele Kleinbauern gerne auf Bioanbau umstellen.

Jahrelang hatte Thilak Kariyawasam dafür gekämpft, dass es in Sri Lanka mehr Bioanbau gibt. Als es dann aber ganz plötzlich so weit war, war er vor allem erschrocken. „Das Erste, was ich dachte, war: Das gibt Probleme“, erinnert sich der Präsident der Bewegung für organischen Landbau in Sri Lanka, kurz LOAM. Genau wie die Bauern hatte auch er im April 2021 aus der Zeitung erfahren, dass er ab sofort in einem Biostaat, also einem Land, in dem nur noch biologisch angebaut wird, lebt. „Es ist ja völlig richtig, dass die Landwirtschaft grundlegend verändert werden muss. Aber das geht nicht über Nacht. So, wie das angegangen wurde, konnte es nicht funktionieren.“ 

Sri Lanka ist mit seinen rund 23 Millionen Einwohnern etwa so groß wie Bayern. Eine tropische Insel mit viel Regen und Sonne, größtenteils bedeckt von sattem Grün. Eigentlich bietet das Land ideale Anbaubedingungen. Doch als die Bevölkerung in den 1960er Jahren enorm wuchs, glaubte die damalige Regierung den Versprechen der Grünen Revolution: Mehr Erträge dank Kunstdünger und Pestiziden, dadurch weniger Hunger und mehr Wohlstand für alle. Das Land verschrieb sich der konventionellen Landwirtschaft und subventionierte den Import von Düngemitteln und Pestiziden. 

„Die Leute stellten auf konventionellen Anbau um, weil sie dachten, sie würden das umsonst bekommen. Und die Weltbank und andere Institutionen gaben dafür Kredite“, erklärt Kariyawasam. Die Rechnung ging nicht auf, zumindest nicht für Sri Lanka. Das Land geriet in die Schuldenfalle. Nicht nur, aber auch wegen der Importe von Agrarchemie. Als dann während der Pandemie mit ihren Lockdowns auch noch der Tourismus als wichtiger Devisenbringer ausfiel, konnte sich Sri Lanka den Import von Kunstdünger und Pestiziden für 350 Millionen US-Dollar pro Pflanzsaison schlicht nicht mehr leisten.

Ohne Kunstdünger brachen die Ernteerträge dramatisch ein

Einfach aussteigen geht aber offensichtlich auch nicht. Ohne den Kunstdünger brachen die Erträge in den folgenden Monaten auf Sri Lankas Feldern dramatisch ein, bei manchen Früchten war die Rede von 40 bis 60 Prozent. „Synthetischer Dünger macht das Land nicht produktiver, sondern die Bauern müssen ständig mehr davon verwenden, wenn sie weiter produzieren wollen“, sagt Kariyawasam. Lebensmittel wurden unerschwinglich, es gab Unruhen und noch bevor Gotabaya Rajapaksa unter dem Druck der Straße zurücktrat, erlaubte der Präsident die Einfuhr der Agrarchemie wieder. Seither gilt Sri Lanka bei Vertretern der Agrarindustrie als Paradebeispiel dafür, dass es unmöglich sei, ein Land auf Bioanbau umzustellen.

Die Einfuhr von Agrarchemie nach Sri Lanka ist zwar wieder erlaubt, wird aber kaum noch subventioniert. Deshalb sind die Mittel für die Kleinbäuerin Anushi Ranika unerschwinglich. „Ich muss zwei Mal im Monat spritzen. Das kostet mich jeweils fünf- bis sechstausend Rupien“, rechnet die 34-Jährige vor. Umgerechnet sind das 33 Euro im Monat, das entspricht ziemlich genau dem Mindestlohn. Für die Mutter von drei Kindern, die mit ihrem Gemüsegarten auch noch Mann und Schwiegereltern ernähren muss, ist das viel zu teuer. 

Autorin

Katharina Nickoleit

ist freie Journalistin. Sie berichtet seit vielen Jahren aus dem globalen Süden für den Hörfunk sowie gemeinsam mit ihrem Mann Christian Nusch für die ARD und mehrere Hilfsorganisationen.

Egal, mit wem man spricht, jeder träumt davon, wenigstens einen kleinen Küchengarten anzulegen, um sich selber mit gesundem Gemüse versorgen zu können. Der enorme Pestizideinsatz in den vergangenen Jahren richtet inzwischen nicht mehr zu ignorierende Gesundheitsschäden an. Nierenversagen ist in Sri Lanka inzwischen eine anerkannte Volkskrankheit. Nahrungsmittel sind so teuer geworden, dass sich viele Menschen nur noch zwei Mahlzeiten pro Tag leisten können. Anushi Ranika würde jedenfalls allein der Kosten wegen gerne umstellen – wenn sie wüsste, wie.

Thilak Kariyawasam legt ein Faltblatt von CropLife vor, dem Lobbyverband der Produzenten von Dünge- und Pflanzenschutzmittel, in dem unter anderem Bayer, Syngenta und BASF Mitglieder sind. Es wirbt für Schulungen, in denen es um die Anwendung von Agrarchemie geht. Seit Jahrzehnten sei die gesamte landwirtschaftliche Ausbildung maßgeblich durch die Agrarindustrie bestimmt worden. „Das fängt schon in den Schulbüchern an. Die Bauern lernen ihr ganzes Leben lang nur, wie man konventionell produziert. Dass es auch anders geht, kommt einfach nicht vor.“ Ohne dieses Wissen ist die Umstellung unmöglich, sein Fehlen war der Hauptgrund für das Scheitern der Biowende. Mit der Unterstützung des katholischen Hilfswerks Misereor hat LOAM deshalb vor den Toren der Hauptstadt Colombo ein kleines Schulungszentrum eingerichtet, in dem kostengünstige Methoden gelehrt werden, mit denen die Kleinbauern selber Biomittel, also vor allem organische Dünger, herstellen können.

Kleinstbauern lernen, wie ein Agroforstsystem funktioniert

Im Schatten des Vordaches eines einfachen Ziegelhauses hören 15 Frauen und drei Männer gespannt zu, als ein Trainer erklärt, wie sich in einem Agroforstsystem die verschiedenen Pflanzen ergänzen, indem sie einander Schatten und Dünger spenden. Es sind Kleinstbauern, manche versorgen mit ihren Küchengärten nur ihre Familie, andere produzieren genug, um auch etwas zu verkaufen. Eine von ihnen ist Anushi Ranika. 

Wie kompliziert erscheint ihr die Umstellung? „Es ist schwierig, denn es braucht Zeit. Besonders der Kompost, der braucht drei Monate, bis er so weit ist. Kunstdünger kann ich einfach auf dem Markt kaufen.“ Sie wiederholt damit ein weit verbreitetes Vorurteil. Ajantha Palihawadana, der für das frisch gegründete Bio-Trainingscenter verantwortlich ist, widerspricht. „Das wird zwar so verbreitet, aber es stimmt einfach nicht. Wenn man weiß, wie es geht, kann man in zwei Wochen flüssigen organischen Dünger herstellen. Das ist genau das Wissen, das wir hier vermitteln wollen.“ 

Er deutet auf die Trainerin, die inzwischen zum praktischen Teil des Kurses übergegangen ist und zeigt, wie man eine Regenwurm­waschanlage baut: Dazu füllt man einen aufgeschnittenen großen Wasserkanister mit Steinen und Erde. Darin werden die Regenwürmer gezogen. Am unteren Ende ist ein Ablauf, über den man Flüssigkeit ablassen kann. „Man gießt von oben Wasser herein und wäscht damit das Sekret, das die Würmer produzieren, von ihnen ab. Es enthält alle möglichen Mikronährstoffe. Wenn man dieses Wasser auffängt und verdünnt, erhält man den besten Biodünger, den es gibt“, versichert Palihawadana. 

Mit lokaler Düngerproduktion auf einmal konkurrenzfähig

„Die Biowende braucht eine Übergangsphase von etwa zehn Jahren, so lange dauert es, die Bauern weiterzubilden und die neuen Methoden zu etablieren“, sagt Thilak Kariyawasam, der Präsident von LOAM. Dabei müssen auch die anderen Mitspieler des Agrarsektors mitgenommen werden. „Die kleinen Geschäftsleute, die heute davon leben, dass sie importierten Kunstdünger verkaufen, brauchen eine Alternative, um ein Einkommen zu erwirtschaften. Etwa, indem sie organische Mittel vertreiben.“ Tatsächlich gibt es die ersten Firmen, die konzentrierte Lösungen mit Mikroorganismen anbieten. Als die importierte Chemie verboten und dann kaum subventioniert wurde, wurden sie mit ihrer örtlichen Produktion auf einmal konkurrenzfähig. 

Doch ob das so bleibt, ist fraglich. Denn ungeachtet des wachsenden Interesses am Bioanbau empfiehlt Sri Lankas Regierung nach der gescheiterten Biowende wieder die Nutzung von Agrarchemie. So bleibt es kleinen Bewegungen wie LOAM und ihren Spendern überlassen, den Bauern zu helfen, ihre Landwirtschaft umzustellen und das Land aus der Abhängigkeit zu befreien.

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