Ihr Logo, ein Regenbogen, wird in manchen Ländern Afrikas zur Belastung für die Organisation The Rain Workers, die die Gynäkologin Maria Hengstberger 1989 gegründet hat – damals unter dem Namen Aktion Regen. Ihr Ziel: Wissen über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte zu verbreiten, um Frauen zu stärken und Armut zu reduzieren. The Rain Workers bildet in Ländern wie Kenia, Sambia, Tansania und Uganda sogenannte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus, die in Bildungseinrichtungen und anderen Organisationen das Wissen weitertragen.
Nun wird der Organisation unter anderem ihr bisheriges Regenbogen-Logo zum Verhängnis, also das Symbol der LGBTIQ-Bewegung, die sich unter anderem für die Rechte homosexueller Menschen einsetzt. „Unsere lokalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden verbal attackiert. Sie trauen sich nicht mehr, unser Logo auf T-Shirts oder für Trainingsmaterial zu verwenden“, sagt Geschäftsführerin Ines Kohl. Aufgrund zunehmender Drohungen hat sich The Rain Workers entschlossen, nun die Abbildung eines Regentropfens als Logo zu nutzen.
In den vergangenen Jahren ist in einigen afrikanischen Ländern der Druck auf die Mitglieder der LGBTIQ-Bewegung stark gewachsen. In Uganda hat im Frühjahr 2023 Präsident Yoweri Museveni ein Gesetz unterzeichnet, das bei „schwerer Homosexualität“ die Todesstrafe vorsieht. In Ghana hat das Parlament im Februar dieses Jahres ein Gesetz verabschiedet, das die Unterstützung von LGBTIQ-Aktivitäten mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Auch in Kenia wird eine Verschärfung der Gesetze befürchtet.
Informationen über die Rechte Homosexueller gelöscht
In Sambia hat laut Ines Kohl das Gesundheitsministerium alle NGOs angewiesen, nur noch den Begriff „sexuelle und reproduktive Gesundheit“ zu verwenden und nicht mehr von Rechten zu sprechen. The Rain Workers musste deshalb Informationen über Rechte homosexueller Menschen aus einem Trainingsheft für Multiplikatoren entfernen. „Dennoch versuchen wir, mündlich darüber zu informieren, dass wir alle die gleichen Rechte besitzen“, sagt Kohl. Schließlich hätten die betroffenen Länder UN-Menschenrechtskonventionen unterzeichnet.
In 32 afrikanischen Ländern sind homosexuelle Handlungen mittlerweile gesetzlich verboten. Dass Homosexualität ein Straftatbestand ist, ist in vielen Ländern ein Erbe aus der Kolonialzeit, im Fall von Uganda etwa aus der britischen Kolonialherrschaft. Als einen der Gründe für den jüngsten Anstieg homophober Bestimmungen sehen einige Fachleute den zunehmenden Einfluss evangelikaler Gruppen aus den USA.
Ines Kohl war zuletzt vergangenen Sommer auf Projektreise in Westkenia. Sie erzählt von einem Workshop mit Teilnehmenden aus Kenia, Tansania, Uganda und Sambia: „Gleich zu Beginn kamen Angestellte vom Kriminalamt und befragten uns, was wir hier genau machen würden, und durchforsteten unsere Unterlagen.“ Ihre kenianische Kollegin wurde zudem am Flughafen von Beamten wegen des Regenbogen-Logos auf dem Koffer befragt.
Gespräche aus Furcht abgesagt
„welt-sichten“ hat versucht, mit lokalen Mitarbeitenden in Uganda und Kenia zu sprechen. Die geplanten Gespräche wurden aber kurzfristig abgesagt aus Furcht, sie könnten abgehört werden. „Wir beobachten große Angst bei unseren Projektpartnern, am Telefon darüber zu sprechen, weil niemand die Konsequenzen abschätzen kann. Es wird bespitzelt, es werden Leute denunziert und ihnen Homosexualität vorgeworfen“, sagt Ines Kohl von The Rain Workers.
„Die Stigmatisierung ist stark“, berichtet eine Universitätsprofessorin aus Kenia. Menschen, die mit Homosexualität in Verbindung gebracht werden, hätten beispielsweise Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Daher wollten sich viele nicht mit diesen Themen befassen, auch wenn sie die Anliegen und Rechte der LGBTIQ-Bewegung unterstützen. Zugleich sieht die Professorin in den sozialen Medien auch eine gewisse Öffnung dem Thema gegenüber.
Die Arbeit von The Rain Workers beschränkt sich nicht auf sexuelle Gesundheit. Die Organisation spricht auch über andere Themen wie weibliche Genitalverstümmelung und sichere Schwangerschaftsabbrüche, die oft mit einem Tabu behaftet sind. Es obliege nun den lokalen Trainerinnen und Trainern, welche Begriffe sie dafür verwenden, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, sagt Ines Kohl. Man werde genau beobachten und evaluieren, wie die Arbeit sinnvoll fortgesetzt werden könne.
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