Überall scheint es an Wasser zu mangeln: Teile Kenias, Somalias und Äthiopiens erleben die schwerste Dürre seit Jahrzehnten. Ungewöhnliche Trockenheit herrscht Mitte 2023 auch in der Türkei, dem Maghreb, Spanien und Südfrankreich. Der Gelbe Fluss in China versiegt in manchen Jahreszeiten, bevor er das Meer erreicht. Und laut dem jüngsten Weltwasserbericht der Vereinten Nationen hatten 2020 noch rund zwei Milliarden Menschen keine sichere Trinkwasserversorgung am Haus und etwa 800.000 nicht einmal eine Grundversorgung, das heißt eine saubere Quelle in höchstens 30 Minuten Entfernung.
All dies zeugt aber nicht von einer globalen Wasserknappheit, sondern von unterschiedlichen regionalen Wasserproblemen. Die gehen großenteils darauf zurück, wie Süßwasser lokal genutzt und verteilt wird. Ein globaler Trend allerdings verschärft die Probleme: die Erderhitzung. Sie verändert Niederschlagsmuster und vergrößert vielerorts Wasserknappheit, die Gefahr schwerer Fluten oder beides.
Grundsätzlich ist Süßwasser nicht endlich, sondern erneuert sich ständig durch Niederschlag. Davon fließt ein Teil in Seen und Flüsse ab, ein anderer durchfeuchtet den Boden. Dort wird Wasser teils von Pflanzen aufgenommen und verdunstet; teils füllt es das Grundwasser auf, das, wo es an die Oberfläche tritt, Quellen und Gewässer speist. Die meisten fließen am Ende ins Meer; von dort bringen Wolken neuen Regen.
Die Wassernutzung hat Grenzen, der Wasserverbrauch wächst
Doch die Nutzung des Wassers aus Flüssen, Seen und Grundwasser hat Grenzen. Dem Kreislauf lassen sich nur begrenzte Mengen entnehmen, ohne Ökosysteme und Gewässer schwer zu schädigen und den Grundwasserspiegel auf Dauer abzusenken. Wie viel Entnahme nachhaltig ist, ist je nach Gebiet sehr unterschiedlich, wobei das Einzugsgebiet der Flüsse die wichtigste Bezugsgröße ist. Denn Niederschlag ist sehr ungleich verteilt, Böden nehmen Wasser unterschiedlich gut auf. Und Grundwasser, das laut den UN etwa 99 Prozent des Süßwassers enthält und damit der größte zugängliche Speicher ist, erneuert sich nur langsam, besonders in Trockengebieten. Hier kann das Tausende Jahre dauern, so dass manches Grundwasser, etwa unter der arabischen Halbinsel, als nicht erneuerbar gilt.
Die Unterschiede zwischen den Weltregionen sind dramatisch. Südamerika ist bei weitem am wasserreichsten, wobei es auch dort wasserarme Gebiete gibt. Am wenigsten nachhaltig nutzbares Fluss-, See- und Grundwasser haben der Nahe Osten, Zentralasien und Nordafrika. Umgerechnet auf die unterschiedlichen Bevölkerungsgrößen sind laut FAO in Südamerika knapp 30.000 Kubikmeter Wasser pro Mensch und Jahr nachhaltig verfügbar, im übrigen Amerika um 12.000, in Europa und Südostasien gut 8000, in Afrika südlich der Sahara knapp 4000. Dies ist aber keineswegs der trockenste Teilkontinent: In Ostasien sind es gut 2000 Kubikmeter pro Person, in Südasien und Westasien grob 1000 und in Nordafrika nur etwa 250.
Der Wasserverbrauch nimmt in den meisten Weltgegenden zu – nach Schätzungen der UN um global ein Prozent pro Jahr. Der Bedarf wächst mit der Bevölkerung, den Städten, dem Wirtschaftswachstum und dem Konsum – und nun auch mit der Erderhitzung. Besonders in dicht bevölkerten trockenen Gebieten wie Nordafrika und Teilen Südasiens und Nordchinas, aber auch im Westen der USA wird Süßwasser tatsächlich physisch knapp, zumindest in manchen Jahreszeiten: Der UN-Weltwasserbericht diagnostiziert Wasserstress danach, wie viel des nachhaltig nutzbaren Vorkommens ausgeschöpft wird – in manchen Flusseinzugsgebieten etwa in Indien und Mexiko ist das bereits mehr, als sich erneuert.
Wofür und von wem wird immer mehr Wasser genutzt? Der kleinste Anteil, global weniger als ein Siebtel, entfällt auf private Haushalte, etwa zum Trinken, Kochen und Waschen (Grafik unten). Schätzungsweise die Hälfte der Stadtbevölkerung weltweit wird dabei mit Grundwasser versorgt; dessen Anteil nimmt zu und ist in Europa höher.
Die Industrie braucht global etwa ein Sechstel. Dieser Bedarf, der auch Kühlwasser etwa für Kraftwerke enthält, liegt – wenig überraschend – in hoch industrialisierten Gebieten wie Europa und Nordamerika stark, in Ostasien mäßig über dem globalen Durchschnitt, anderswo weit darunter. Besonders viel Wasser brauchen die Textil- und Nahrungsmittelindustrie.
Der global mit Abstand größte Verbraucher ist aber die Landwirtschaft. Regen auf Äcker und Weiden, der nicht für andere Zwecke nutzbar ist, wird dabei nicht mitgerechnet: Es geht um künstliche Bewässerung etwa von Reis-, Weizen- und Baumwollfeldern oder Gemüse- und Blumenplantagen. Die schluckt über zwei Drittel des Wassers, das weltweit aus Fluss-, See- und Grundwasser entnommen wird. Insgesamt wird rund ein Fünftel der weltweiten Agrarflächen bewässert, besonders viel im bevölkerungsreichen Süd- und Ostasien und im Westen der USA – oft auch mit Grundwasser (Grafik unten). Diese Flächen erbringen wegen der intensiven Bewirtschaftung zwei Fünftel der globalen Ernten.
Die FAO erwartet, dass Landwirte in vielen Entwicklungsländern zunehmend mit wachsenden Städten um Wasser konkurrieren müssen und, je nach Wirtschaftsentwicklung, auch mit Bergbau und Industrie. Arme und politisch wenig einflussreiche Gruppen haben hier oft das Nachsehen.
Wassermangel in einer wasserreichen Stadt
Einen aufschlussreichen Fall hat Julia Renner 2019 in Kenia beobachtet: Die Stadt Naivasha am gleichnamigen See hat ihre Einwohnerzahl seit 2000 fast verzehnfacht, weil Blumenfarmen und Luxushotels viele Arbeitsplätze bieten. Kleinbauern, Hirten und Fischer haben in der Folge den Zugang zu Wasser verloren – nicht weil es knapp wäre, sondern weil es von den neuen Betrieben und der Stadt verschmutzt wird und weil Land am Seeufer großenteils privatisiert wurde und nicht mehr öffentlich zugänglich ist. Von vorher rund 100 Stellen, an denen Einheimische Wasser holen und Vieh tränken konnten, waren 2019 nur 14 übrig. Kenias Regierung und die Eliten haben, so Renner, ihre Interessen und die der Investoren über die Belange örtlicher Kleinbauern, Fischer und Hirten gestellt. Als Folge leiden diese in einem wasserreichen Gebiet Wassermangel und müssen das Nass für ihre Tanks kaufen, wenn sie sich das leisten können.
In vielen Fällen haben einflussreiche Großverbraucher in trockenen Gebieten wie Indien lokale Wasserknappheit ausgelöst oder verschärft. So trug in Nordindien eine Cola-Fabrik zum Schwinden des Grundwassers bei, bis sie nach anhaltenden Protesten 2016 geschlossen wurde. Die Folgen des Lithium-Abbaus in den Anden, der enorme Wasserbedarf der neuen Tesla-Fabrik in Brandenburg und die von Margarita Pastene geschilderten Konflikte in Chile sind weitere Beispiele.
Dabei sollte Trinkwasser Vorrang haben, denn der Zugang dazu ist ein Menschenrecht, wie die UN-Generalversammlung Mitte 2010 bestätigt hat. Wasser muss danach nicht kostenlos, aber für alle erschwinglich sein. Staaten dürfen niemandem den Zugang nehmen, etwa Brunnen trockenlegen. Sie müssen das Recht gegen Eingriffe Dritter schützen – etwa Firmen kontrollieren, die Menschen das Wasser abgraben könnten. Und sie müssen denen, die keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, dazu verhelfen. Ähnliche Pflichten gelten international, etwa für Entwicklungshilfe und die Tätigkeit von Firmen im Ausland. Es gibt aber keine Möglichkeit, international gegen Verletzungen dieses Menschenrechts zu klagen.
Keine sichere Quelle in bis zu 30 Minuten Entfernung
Immerhin ist laut dem jüngsten Weltwasserbericht der UN der Anteil der Weltbevölkerung mit Zugang zu einer sicheren Trinkwasserversorgung auf dem Grundstück seit dem Jahr 2000 von 62 auf 74 Prozent gestiegen. Es müsste aber viermal schneller vorangehen, um, wie in den UN-Nachhaltigkeitszielen vorgesehen, bis 2030 allen diesen Zugang zu geben, besonders in den ärmsten Ländern. Dort lebt auch die Mehrheit der 800 Millionen Menschen ohne Grundversorgung, also ohne sichere Quelle in bis zu 30 Minuten Entfernung – die meisten in Afrika.
Dass dies jedoch selten mit physischer Wasserknappheit zu tun hat, zeigt schon ein Vergleich der zwei Karten der ersten Grafik oben: Die Trinkwasserversorgung ist nicht etwa in Ländern mit Wasserstress besonders schlecht, sondern in wasserreichen armen Regionen wie Zentralafrika. Sie ist in erster Linie eine Frage der Infrastruktur und der Zugangsrechte: Gibt es funktionierende Anlagen, die Wasser speichern oder Grundwasser fördern, es wenn nötig aufbereiten und es an alle verteilen? Wird Verschmutzung und Übernutzung unterbunden? Das sind im Kern öffentliche Aufgaben, die Staaten und Kommunen leiten müssen (siehe Kasten).
Privates Geld wird es nicht richten
Der Aufbau der Leitungen, Speicher, Aufbereitungs- und Kläranlagen für die Trinkwasserversorgung ist aus guten Gründen eine öffentliche Aufgabe. Trinkwasser ist unentbehrlich und zusammen mit Abwasserentsorgung ...
Für den lokalen Wasserkreislauf ist der Trinkwasserverbrauch aber die geringste Belastung. Nicht nur weil er einen kleinen Teil des Verbrauchs ausmacht: Dieses Wasser fließt großenteils mit dem Abwasser in den lokalen Kreislauf zurück, wenn auch oft mangels Kläranlagen mehr oder weniger verschmutzt. Das gleiche gilt für die Industrie. Hier kann die Verschmutzung noch problematischer sein, falls Behörden keine Umweltauflagen durchsetzen können oder wollen – siehe mit Chemikalien belastete Abwässer der Modeindustrie oder mit Zyanid und Blei belastetes Abwasser im Goldbergbau.
Pflanzen verdunsten Wasser – mit teils gravierenden Folgen
Die Landwirtschaft, besonders die intensive, verschmutzt Gewässer ebenfalls; so ist Nitrat aus dem Dünger eine der größten Gefahren für das Grundwasser in Westeuropa. Aber bei Bewässerung wird Wasser auch tatsächlich „verbraucht“: Was man aus Flüssen, Stauseen oder dem Grundwasser auf Felder leitet, geht dem lokalen Wasserkreislauf mehrheitlich verloren, weil es von Pflanzen aufgenommen und verdunstet wird. Die Folgen können gerade in Trockengebieten gravierend sein. So führt der Baumwollanbau in Zentralasien dazu, dass der Aralsee austrocknet. Der Lebensunterhalt von Millionen Bauernfamilien in Indien hängt davon ab, dass sie Wasser aus der Tiefe auf ihre Felder pumpen – als Folge sinkt der Grundwasserspiegel in großen Teilen des Landes bedrohlich.
Die Erderhitzung verschärft nun die Folgen von nicht nachhaltiger Wassernutzung auf mehreren Wegen. Der Klimawandel verändert die Niederschlagsmuster: Sowohl lange Trockenzeiten als auch sehr heftige Starkregen nehmen zu. Das führt zu mehr Wassermangel und zu schweren Überflutungen – oft im selben Gebiet wie 2022 in Pakistan und im Mai 2023 in Somalia. Höhere Temperaturen bewirken auch mehr Verdunstung aus Gewässern und der Vegetation. Dies hat zusammen mit mehr Wasserentnahme bereits den Inhalt von gut der Hälfte der natürlichen Seen der Erde seit 1972 schrumpfen lassen. Der Bewässerungsbedarf steigt mit der Temperatur aber weiter. Und weil gleichzeitig der Meeresspiegel ansteigt, leiden Küstengebiete unter dem Eindringen von salzigem Wasser in Flüsse und Grundwasserspeicher.
Darüber hinaus schmelzen mit den Gebirgsgletschern wichtige natürliche Wasserspeicher. Als Folge können Flüsse einige Jahrzehnte mehr Wasser führen, danach wird der Abfluss aber geringer sein und über das Jahr viel stärker schwanken. Für Hunderte Millionen Menschen in Süd- und Südostasien, deren Lebensadern die Ströme aus dem Himalaja sind, ist das existenzbedrohend.
Der jüngste Bericht des Weltklimarats warnt deshalb, dass „das größte Risiko für die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele von Gefahren für die Wassersicherheit“ ausgeht. Das wirksamste globale Gegenmittel wäre natürlich konsequenter Klimaschutz. Der ist leider immer noch ungenügend. Was kann man zusätzlich oder unabhängig davon tun, um Wasserkrisen zu bewältigen?
Naturnahe Lösungsansätze für die Wasserkrise
Lösungsansätze bieten regionale und lokale Anpassungen des Wassermanagements. So können mehr Speicher jahreszeitliche Schwankung des Niederschlags abfedern. Großstaudämme sind allerdings oft sozial und ökologisch problematisch. Eine Alternative sind kleinere, dezentrale Speicher – vor allem da, wo nicht insgesamt zu wenig Regen fällt, sondern dieser ungünstig und unzuverlässig übers Jahr verteilt ist. In Indien haben zahllose Bäuerinnen und Bauern im Rahmen eines Programms, das eine Mindestzahl von staatlich bezahlten Arbeitstagen im Jahr garantiert, kommunale Wasserspeicher, Kanäle für Kleinbewässerung und Regenrückhaltevorrichtungen zum Auffüllen des Grundwassers gebaut. Das hat laut dem indischen Center for Science and Environment ihre Ernten und den Lebensstandard erhöht.
Wassermangel lässt sich auch lindern, wenn man Regenwasser auffängt, Verluste im Leitungsnetz verringert, Abwasser aus Haushalten und der Industrie recycelt und weniger Flächen versiegelt. Es wird aber auch nötig sein, begrenzte Vorkommen fairer zu verteilen. In Spanien stellt sich zum Beispiel die Frage, ob Golfplätze und Hotels für Touristen weiter Vorrang vor örtlichen Landwirten haben sollen und auch, was die mit knappem Wasser am sinnvollsten anbauen können.
Der zweite Ansatzpunkt ist die Anpassung der Landwirtschaft. So erzielen in Tunesien Bauern mit einer neuen Bewässerungsmethode höheren Ertrag mit weniger Wasser, schildert Sarah Mersch. Dass der wenige Regen besser in den Boden sickert, erreichen Bauern in Burkina Faso mit vielen sichelförmigen Gruben; anderswo können Gräben oder Terrassen geeigneter sein. Damit Böden mehr Feuchtigkeit halten, setzen brasilianische Bauern auf Anbau ohne Pflügen, so dass die Erde nie blank liegt. Mulchen, Kompost und Bäume auf Äckern haben in Uganda trotz weniger und unzuverlässigem Regen mehr Erträge gebracht.
Solche naturnahen Methoden sind auch ein Beitrag zur Milderung von Fluten, die mit dem Klimawandel zunehmen. Und sie helfen, den größten natürlichen Wasserspeicher aufzufüllen, das Grundwasser. Um das zu schützen, muss auch im Norden die Landwirtschaft umgestellt werden auf weniger Dünger und Chemikalien, die Grundwasser dauerhaft verschmutzen. Das alles sind zugleich wichtige Beiträge zum Klimaschutz. Wenn die Erderhitzung nicht gebremst wird, kommen Anpassungen an ihre Grenzen. Dann können tatsächlich bald große Teile der Welt unter zu wenig Wasser, zu viel Wasser oder beidem leiden.
ZUM WEITERLESEN
FAO, The state of the world’s land and water resources for food and agriculture 2021: Systems at breaking point, Rom 2022
The United Nations World Water Development Report 2022: Groundwater. Making the invisible visible, Paris 2022
The United Nations World Water Development Report 2023: Partnerships and cooperation for water; Paris 2023
IPCC, Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. The Working Group II contribution to the IPCC Sixth Assessment Report, 2022
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