In dieser Region spielt einer der größten Konzerne Brasiliens, Vale, eine zentrale Rolle. Er baut Eisenerze ab und verarbeitet sie. Die Zerstörung des Waldes, Wasser- und Luftverschmutzung sowie der Lärm der Züge – einige Orte werden fast 50 Mal am Tag während 15 Minuten von über 300 Waggons passiert – nimmt der Konzern in Kauf. Die Züge fahren durch Regionen, die zu den ärmsten des Landes gehören und in denen Geld für Bildung, Unterstützung und Infrastruktur dringend nötig wäre.
Vale versteuert einen Teil der Gewinne in der Schweiz über seine Filiale in St-Prex im Kanton Waadt am Genfer See. Die Schweiz zieht einerseits die Steuern gerne ein, möchte andererseits aber keine Verantwortung dafür übernehmen, womit dieses Geld erwirtschaftet wird. Das ist problematisch.
Zugang zur europäischen Justiz und zu Entschädigungen
Nun hat die EU einen vielversprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, um die Einhaltung von Umweltschutz und Menschenrechten in der Lieferkette zu sichern. Dem EU-Kommissar Didier Reynders kann man grundsätzlich zustimmen: «Unser Vorschlag wird ein Game Changer für die Art und Weise, wie Firmen ihre Geschäfte entlang der Lieferkette betreiben». Allerdings bleibt noch einiges an Arbeit, um dem EU-Entwurf die Zähne zu geben, die er braucht, um volle Wirkung entfalten zu können – gerade für bedrohte Menschen und Gemeinschaften im globalen Süden. Wichtig ist, dass sie Zugang zur europäischen Justiz und zu Entschädigungen erhalten, die Beweislast beim Verursacher liegt und auch Dritte die Möglichkeit haben, die Interessen der Geschädigten zu vertreten. Es darf nicht sein, dass eine indigene Gemeinschaft ohne juristische Hilfe gegen einen multinationalen Konzern klagen muss. Auch die Klimafrage muss einbezogen werden. Ein strenger Klimaschutz ist zentral, damit die Menschenrechte eingehalten werden. Deshalb sollten auch dort Klagen möglich sein, wo Investitionen und wirtschaftliches Handeln den Pariser Klimavertrag verletzen. Schließlich gilt noch zu klären, wie man kleine und mittelständische Unternehmen mit den neuen Regeln einerseits nicht überfordert, andererseits aber diejenigen, die in Risikosektoren wie mit Rohstoffen ihr Geld verdienen, dem Gesetz unterstellen kann.
Die Schweiz hat eine Schlüsselrolle im Welthandel
Angesichts von globaler Ausbeutung, Armut, Hunger, Klimawandel und Artenverlust ist dieses EU-Gesetz dringend nötig. Die Schweiz kann sich dem nicht entziehen. Die Schweizer Zivilgesellschaft, die 2020 immerhin 50,7 Prozent der Bevölkerung hinter die Konzernverantwortungsinitiative gebracht hat, baut mit einer nationalen Unterschriftenkampagne und kantonalen Gesetzesvorstößen erneut Druck für ein Lieferkettengesetz auf. Die Schweiz ist kein EU-Mitglied und hat den Sitz von über 10.000 multinationalen Unternehmen im Land. Damit sie am Ende nicht ohne wirksame Rechtsgrundlage dasteht, muss die Zivilgesellschaft wieder Druck auf die Politik aufbauen. Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Norwegen gehen mit guten Lieferkettengesetzen bereits voran. Österreich, Belgien, die Niederlande, Finnland und Luxemburg sind auf gutem Weg. Die Schweiz mit ihrer Schlüsselrolle im Welthandel sollte nicht warten, bis die EU Druck macht.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat 2020 gebetsmühlenartig wiederholt, der Bund wolle eine mit Europa abgestimmte Regelung. Diese Chance bietet sich jetzt, um die Haftung von Unternehmen für ihre Lieferketten konsequent umzusetzen und so eine spürbare Verbesserung für Mensch und Umwelt zu erreichen. Als internationale Organisation der Entwicklungszusammenarbeit, die an der Seite der Bedürftigsten steht, werden wir sowohl in der Schweiz als auch in Europa daran mitwirken.
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