Sie wollen Chemiefirmen im Süden helfen, nachhaltiger zu wirtschaften. Um welche Probleme geht es?
Viele produzierende Firmen, zum Beispiel in der Modeindustrie, geben eine Menge Schadstoffe an die Umwelt ab. Wenn sie das nicht in den Griff bekommen, können sie nicht dauerhaft wirtschaftlich bestehen. Denn sie werden irgendwann keine Mitarbeiter oder keine Käufer für ihre Produkte mehr finden oder rechtliche Vorgaben nicht einhalten können. Das gleiche gilt, wenn sie nicht sozial nachhaltig sind, also Angestellten und deren Familien ein Auskommen geben und sie vor gesundheitsschädlichen Chemikalien schützen.
Mit welcher Art Firmen arbeiten Sie?
Wir arbeiten gern mit Entrepreneuren, mit kleinen Start-ups, aber auch mit größeren Firmen bis hin zur Großindustrie. Zwei Fünftel unserer Tätigkeit finden in Europa statt, 15 Prozent in Asien, je ein Viertel in Amerika und Afrika.
Obwohl es in Afrika relativ wenig Chemieindustrie gibt?
Aber zum Beispiel betreibt das deutsche Unternehmen BASF in Nigeria ein großes Projekt zum Plastikrecycling. Dazu sind sie auf Abfallsammler angewiesen. Wir arbeiten mit einem Unternehmen zusammen, das mit Hilfe informeller Sammler diesen Müll aus der Umwelt holt. Es bezahlt die Sammler für das Gesammelte und zahlt auch ihre Sozialversicherung. Das Plastik wird dann aufbereitet – in Handarbeit, das ergibt hohe Sortenreinheit – und BASF macht daraus neuen Kunststoff.
Wie sieht ein typisches Projekt in Lateinamerika aus?
Die Firma LeQara in Peru wollte etwas daran ändern, dass die Herstellung von Leder so umweltschädlich ist. Dabei werden Chromsalze genutzt, die große Mengen Wasser vergiften und mit denen auch oft Mitarbeitende in Berührung kommen. Die Firma hat ein veganes Leder entwickelt. Sie füttert Bakterien mit Abfällen aus der Landwirtschaft und die erzeugen einen Stoff, der sich an der Wasseroberfläche absetzt und sehr fest wird. Er ist ein guter Ersatz für Leder und wird in der Modeindustrie stark nachgefragt.
Sie konzentrieren sich auf kleine innovative Firmen in Zukunftsmärkten, die noch Nischen sind?
Nein, wir unterstützen auch große Firmen punktuell. Aber wenn wir mit kleinen arbeiten, die von Anfang an auf Nachhaltigkeit setzen, können wir oft die größte Wirkung erzielen – besonders im globalen Süden, wo die Chemieindustrie noch kaum etabliert ist. In Europa gibt es in der Chemiebranche komplexe, eingespielte Wertschöpfungsketten, die man nur schwer ändern kann.
ISC3 beteiligt sich am Klima-Aktionsprogramm für die chemische Industrie (CAPCI), das vom Umweltministerium finanziert wird. Wie tragen Sie zum Klimaschutz bei, zum Beispiel bei der Düngerproduktion?
CAPCI hat einen etwas anderen Fokus als wir, da geht es mehr um Kenntnisse in großen Chemiefirmen, etwa um die Freisetzung von Methan zu vermeiden. Wir sitzen in der Jury des Chemical Leasing Award der Vereinten Nationen, das davon ausgeht: Das Ziel ist, den Ertrag mit möglichst wenig Dünger zu verbessern. Chemical Leasing heißt, man verkauft das Wissen, wie man Dünger am besten einsetzt, so dass die Bauern mit einer geringeren Menge den gleichen Ertrag erzielen. Wir unterstützen das mit Trainings sowohl für die Anwender, beispielsweise Landwirte, als auch für die Hersteller von Dünger. In Uruguay wiederum arbeiten wir zusammen mit Krankenhäusern daran, dass sie mit weniger Desinfektionsmitteln auskommen. In Hospitälern werden Unmengen von Bioziden eingesetzt, um Hände, Oberflächen oder Werkzeuge zu desinfizieren, meist nach dem Motto „viel hilft viel“. Wir beraten sowohl Krankenhäuser als auch Firmen, die Desinfektionsmittel herstellen, mit dem Ziel, die Umwelt zu schonen und trotzdem zuverlässig zu desinfizieren. Dabei wird pro desinfizierter Einheit oder Fläche bezahlt. Bei weniger Aufwand sparen beide Vertragspartner und teilen sich den Gewinn.
Klimaschutz soll sich daraus ergeben, dass weniger Chemie eingesetzt wird?
Ja. Das Chemical Leasing trägt dazu bei, dass die insgesamt hergestellte Menge an Chemikalien sinkt und man deshalb auch weniger Ressourcen braucht. Aber wir haben auch Projekte, um aus überschüssigem grünem Strom chemische Grundstoffe herzustellen. Ein Beispiel ist wieder Uruguay, wo elektrischer Strom zum größten Teil mit Wasserkraft oder Windkraft hergestellt wird. Die will das Land stark ausbauen, um grünen Wasserstoff auf dem Weltmarkt anbieten zu können. Der ist auch ein grüner Grundstoff für die Chemieindustrie, an dem die sehr interessiert ist. Denn aus Wasserstoff und Kohlendioxid kann man Kohlenwasserstoffe erzeugen und daraus im Prinzip alles herstellen, was die Chemieindustrie bisher aus Erdöl macht – von Ammoniak für die Düngerproduktion über synthetische Treibstoffe, Öle und Wachse für Kosmetika bis hin zu Kunststoffen aus erneuerbaren Quellen. Per se biologisch abbaubar sind diese Kunststoffe damit allerdings noch nicht.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
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