Berlin gibt mehr Hilfe für die Impfstoffproduktion in Afrika

REUTERS/Amr Abdallah Dalsh
Seit dem Sommer produziert das ägyptische Pharmaunternehmen Vacsera in Kairo den ­chinesischen Covid-19-Impfstoff Sinovac.
Pandemie weltweit
Nur drei Prozent der afrikanischen Bevölkerung sind gegen Covid-19 geimpft, während in den reichen Ländern über "booster shots" und die Immunisierung von Kleinkindern debattiert wird. Immerhin: Deutschland schiebt erste Projekte zur Produktion von Vakzinen in Afrika an.

Während in Europa rund zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind, liegt der Anteil in Afrika bei verschwindenden drei Prozent. Zu wenig Vakzin kommt auf dem Kontinent an. Bei einer Konferenz der Initiative Compact with Africa stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel fest, diese „dramatische Ungerechtigkeit“ müsse überwunden werden. Im Rahmen der Covax-Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in der reiche Länder für die Versorgung der ärmeren mitzahlen, soll bis September nächsten Jahres Impfstoff für 30 Prozent der Afrikaner geliefert werden.

Die Afrikanische Union (AU) kauft 400 Millionen Dosen Johnson & Johnson dazu, und die EU sagte jüngst 200 Millionen Dosen bis Dezember zu. Afrikas führende Politiker fordern, dass Hersteller von Covid-19-Vakzinen ihre Rezepturen freigeben, damit auf dem Kontinent Generika produziert werden könnten. Doch dazu sind diese nicht bereit, und auch Merkel hält das für keine gute Idee.

Ziel: Wirkstoffe "made in Africa"

Stattdessen soll westliche Politik freiwillige Kooperationen der Patent­inhaber mit afrikanischen Pharmapartnern anbahnen. So sollen zunächst Kapazitäten zur Abfüllung geschaffen und gleichzeitig eigene Produktionsketten aufgebaut werden. Die Afrikanische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 etwa 60 Prozent der in Afrika benötigten Impfstoffe auf dem Kontinent zu fertigen und auch die Covid-19-Pandemie möglichst bald mit Wirkstoffen „Made in Africa“ zu bekämpfen.

Deutschland hat im Juni erste Zusagen gemacht, das zu unterstützen, dabei aber den Eindruck vermittelt, dass die Regierung sich intern nicht besonders gut abgesprochen hatte. In Südafrika trat Gesundheitsminister Jens Spahn auf, kurz darauf Entwicklungsminister Gerd Müller im Senegal. Statt einer gemeinsamen Initiative gab es zwei getrennte ohne Bezug aufeinander. Nun hat das BMZ bei der Berliner Afrika-Konferenz Ende August über Twitter ein Gesamtpaket der Regierung zur Förderung der Impfstoffproduktion in Afrika bis 2022 im Umfang von 500 Millionen Euro angekündigt: neben Südafrika und Senegal auch für Ghana. 

Berlin liefert 70 Millionen Impfdosen an Covax

Merkel ließ das Paket vor der Presse unerwähnt, obwohl sie auf das Thema Impfstoff einging. Deutschland werde statt der geplanten 30 Millionen Dosen 70 Millionen Dosen an die Initiative Covax geben. Zugleich werde an Möglichkeiten gearbeitet, die Technologie Schritt für Schritt zu transferieren und die Produktion zu entwickeln. Mit Ruanda, Senegal und Südafrika, so Merkel, gebe es erste Projekte. Wofür genau Deutschland die geplanten 500 Millionen Euro zur Unterstützung des freiwilligen Technologietransfers ausgeben wolle, werde bei späterer Gelegenheit erläutert, stellte das Entwicklungsministerium auf Anfrage klar. Es werde eine Mischung aus Zuschüssen, Krediten und Maßnahmen der KfW-Tochter DEG sein. 

Covax kritisiert Impfstoffproduzenten

Bis Ende dieses ...

Was sich als Bild bislang zusammenfügt: In Südafrika stehen aus BMZ-Mitteln 50 Millionen Euro zur Unterstützung für Impfstofflogistik wie Kühlkettenmanagement, Digitalisierung, Impfaufklärung und Nachverfolgung von Nebenwirkungen zur Verfügung. Für eine am Kap bereits existierende Vakzinproduktion soll es Unterstützung etwa bei Ausbildung, Forschung und Entwicklung, Zertifizierung, Marktanalysen und dem Aufbau von Pilotanlagen geben. Der bestehenden Anlage der Pharmafirma Aspen, die laut Medienberichten bis Ende 2022 rund 500 Millionen Dosen klassischer Impfstoffe von Johnson & Johnson produzieren soll, stellt das BMZ eine DEG-Finanzierung von 144 Millionen Euro in Aussicht. 

Neue Produktionsstätte in Dakar soll Impfstoff herstellen

Unklar ist allerdings, inwieweit es um eigene Herstellung oder bloß um erhöhte Abfüllkapazitäten (Fill & Finish) gehen wird. Auch für Letztere dauere es rund 18 Monate, eine Produktionsstrecke einzurichten, sagt der Direktor der African Vaccine Manufacturers Alliance (AVMI), Simon Agwale. Ein erstes Zentrum für neuartige mRNA-Impfstoffe, wie das deutsche Unternehmen Biontech sie herstellt, mit den Firmen Afrigen Biologics und Biovac wird von der WHO und der EU-Kommission unterstützt.

In Senegal, wo das Pasteur-Institut bereits Impfstoff gegen Gelbfieber herstellt, geht es um den Aufbau von Abfüll- und Produktionsanlagen. Deutschland stellt als Mitglied des sogenannten Team Europe mit Frankreich, der EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EIB) 20 Millionen Euro an Zuschüssen, technischer Hilfe und Fortbildungen zur Verfügung. Eine neue Produktionsstätte in Dakar soll ab Ende 2022 monatlich 25 Millionen Dosen eines zugelassenen Covid-19-Impfstoffs herstellen, so die EIB. Sie werde damit ein wichtiger Teil der von der AU und den Africa Centres for Disease Control and Prevention (Africa CDC) beschlossenen Impfstrategie.

Zusammenarbeit mit ghanaischen Pharmafirmen

In Ghana, wo es noch keine Fertigungsanlage gibt, ist laut BMZ zunächst Beratung vorgesehen. Hauptpartner sei das Gesundheitsministerium sowie ein von der Regierung einberufenes Komitee. Ein Konsortium aus unter anderem deutschen Unternehmen plant zusammen mit einer Gruppe ghanaischer Pharmafirmen den Aufbau einer Abfüllanlage für Impfstoffe bis 2023/2024. In Ruanda führt die EU-Kommission Gespräche, ebenso wie in Marokko und Ägypten.

In Berlin holte die Kanzlerin zum Zeichen ihrer guten Absichten den Chef des heimischen Vorzeigeunternehmens Biontech, Ugur Şahin, an Bord. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa begrüßte im Anschluss dessen Vorschlag, Wissen und Technologie zu transferieren und auf dieser Grundlage Produktionsanlagen auf dem Kontinent zu errichten. Şahin hat die Präsidenten von Ruanda und Senegal getroffen. Man prüfe dort den Aufbau von Produktionsmöglichkeiten ab 2022, sagte er – auch für Mittel gegen Malaria oder HIV.

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