Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) warnt vor einem sprunghaften Anstieg des Hungers infolge der Covid-19-Pandemie. Bis Ende des Jahres könnten bis zu 132 Millionen Menschen zusätzlich von Unterernährung betroffen sein. Warum verschärft die Pandemie die Hungerkrise?
In vielen Ländern haben arme Menschen aufgrund der Wirtschaftskrise und den Ausgangssperren ihre Jobs verloren und können sich deshalb kein Essen leisten. Millionen von Menschen sind wieder in ihre Dörfer zurückgegangen, weil sie keine Jobs mehr haben.
Hungern die Menschen auf dem Land weniger als in den Städten?
Nicht unbedingt. Die Kleinbäuerinnen und -bauern müssen auch für die nächste Ernte aussäen – und das wird schwierig, wenn sie kein Saatgut kaufen können, weil die Märkte geschlossen sind.
Welche Regionen und Länder sind besonders betroffen?
Wir machen uns Sorgen um Länder, die schon vor der Pandemie von Krisen wie dem Klimawandel oder bewaffneten Konflikten betroffen waren. Dazu zählen beispielsweise Mali, Niger und Burkina Faso. In Äthiopien und Kenia gab es in den letzten fünf Jahren nur einmal eine gute Regenzeit. Kritisch ist es auch in großen Flüchtlingslagern, etwa in den überfüllten Rohingya-Flüchtlingslagern in Bangladesch. Dort ist es schwierig, Nahrungsmittel so zu verteilen, dass die Menschen Abstand zueinander halten. Deshalb verteilen wir sie in größeren Mengen und seltener.
Tragen die Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19 wie Ausgangssperren und Grenzschließungen zu einem Anstieg des Hungers bei?
Grenzschließungen und Ausgangssperren erschweren auch den Transport von Lebensmitteln – sowohl zwischen Ländern als auch zwischen Stadt und Land. Bereits in guten Zeiten geht rund ein Drittel der Ernte auf dem Weg zu den Verbrauchern verloren, weil es aufgrund fehlender Lagerplätze verrottet oder von Ungeziefer befallen wird. Durch die jetzt zusätzlich unterbrochenen Transportwege können viele Bauern ihre Ernte nicht rechtzeitig auf den Markt bringen.
Was kann die internationale Gemeinschaft tun, um den Hunger zu bekämpfen?
Humanitäre Organisationen brauchen von den Regierungen Geld ohne Zweckbestimmung, damit sie flexibel reagieren können. Die Vereinten Nationen haben vor kurzem zehn Milliarden US-Dollar für die humanitäre Hilfe in der Covid-19-Pandemie gefordert. Davon ist ein Drittel für die Verteilung von Nahrungsmittelhilfen durch das Welternährungsprogramm vorgesehen.
Das Gespräch führte Moritz Elliesen
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