Sind die Länder der Europäischen Union auf dem Weg, die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu verwirklichen? Bei den meisten sieht es ganz gut aus, sagt die EU-Statistikbehörde EUROSTAT in einem neuen Bericht (Kurzfassung). Danach gab es seit Verabschiedung der SDGs 2015 deutliche Fortschritte in Europa bei Frieden und vertrauenswürdigen Institutionen, bei Armutsbekämpfung, menschenwürdiger Arbeit, Gesundheit und nachhaltiger Beseitigung von Hunger. Bei anderen der 17 Ziele – etwa Bildung, nachhaltiger Konsum, saubere Energie und weniger Ungleichheit – verzeichnen die Statistiker langsamere Fortschritte oder ein gemischtes Bild. Keinerlei Besserung finden sie beim Klimaschutz, und bei der Geschlechtergerechtigkeit zeigten die widersprüchlichen Trends in der Summe eher rückwärts.
Die Behörde nutzt nicht den in den UN vereinbarten Indikatorensatz, sondern 100 Messgrößen, darunter 36 für mehrere Ziele; zum Beispiel ist die Zahl der Verkehrstoten einer der Indikatoren für „Gesundheit“ und für „nachhaltige Kommunen“. Diese Anpassung der globalen Vorgaben an europäische Verhältnisse (und an die vorhandenen Daten) ist insgesamt plausibel. Lobenswert ist der ganzheitliche Blick: Der ausführliche Bericht (nicht aber die Kurzfassung) verweist oft auf Querbezüge zu anderen Zielen und hilft damit, sowohl Synergien als auch Zielkonflikten auf die Spur zu kommen. Seltsam ist jedoch, dass Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten – von Ausnahmen wie beim SDG 11 zu Ungleichheit abgesehen – nur in einzelnen Grafiken auftauchen und in der Kurzfassung fehlen.
Der Bericht stellt wichtige Trends in der EU sehr nützlich zusammen. Er verschweigt aber das entscheidende Problem, das beim genaueren Blick auf die Daten klar wird: Soziale und wirtschaftliche Fortschritte werden weiter mit untragbarem Umweltverbrauch erkauft. So wird mehr Fläche versiegelt, der Energieverbrauch wächst trotz Zunahme der Effizienz, die Ammoniak-Emissionen der Landwirtschaft steigen wieder trotz mehr Bio-Anbau, der Einsatz giftiger Stoffe sinkt kaum. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass Europa einen Teil seines Umweltverbrauchs in andere Weltteile auslagert, weil es zum Beispiel Viehfutter importiert und Müll exportiert: Den Effekt ignoriert der Bericht.
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