In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD haben die Arbeitsgruppen (AG) diese Woche ihre vorläufigen Abschlusspapiere abgeliefert. Für die Außen- und Sicherheitspolitik war in der ersten Runde der Verhandlungen ein Großteil der Zielformulierungen offenbar überraschend unstrittig. Doch zur Entwicklungspolitik birgt das interne Koalitionspapier der AG 12 „Verteidigung, Außen, Entwicklung, Menschenrechte“ einigen Sprengstoff. Danach bleibt unsicher, ob das Entwicklungsministeriums (BMZ) erhalten bleibt. Wie aus den Gesprächen durchsickerte, möchten die Unionsparteien das Ressort als eigenständiges Ministerium abschaffen und ins Auswärtige Amt (AA) eingliedern. Eine Lösung ist vermutlich erst zum Ende der Koalitionsverhandlungen zu erwarten.
Über Entwicklungspolitik verhandeln in der AG 12 federführend auf Seiten der Union die Entwicklungspolitiker Wolfgang Stefinger und Thomas Rachel. Laut dem bekannt gewordenen Papier soll die Zusammenarbeit mit den ärmeren Ländern der Welt neu strukturiert und mit der Außen- und Verteidigungspolitik enger verzahnt werden: „Zu diesem Zweck werden wir das BMZ in das Auswärtige Amt integrieren“, heißt es als Unions-Option. Für die Sozialdemokraten leistet die Noch-Ministerin Svenja Schulze, sekundiert von Staatssekretär Jochen Flasbarth, Widerstand. Die Formel der SPD: „Wir werden den integrierten Ansatz durch eine bessere Zusammenarbeit von AA, BMZ und BMVg stärken“; BMVg steht für das Verteidigungsressort.
Aus Sicht der SPD würde die Abschaffung des 1961 gegründeten Entwicklungsministeriums international ein verheerendes Signal senden, zumal Deutschland im Zuge der Demontage der Entwicklungspolitik in den USA zum weltgrößten Geberland aufrücken würde. Zugleich soll im BMZ ein Szenario kursieren, wonach ein Teil des BMZ in einer nachgeordneten Behörde aufgehen könnte. Solche Behörden hat etwa das Agrarministerium in Form des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
Die Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt gilt als schwierig
Konsequenzen hätte eine Abwicklung des BMZ auch auf die internationale Umwelt- und Klimapolitik. Denn der Großteil deutscher Gelder für Klimaanpassung, Klima- und Naturschutz im globalen Süden kommt aus dem BMZ. Vor einigen Jahren wurde noch überlegt, das BMZ zu einem Ministerium für globale Nachhaltigkeit auszubauen. Die Zusammenarbeit mit dem AA, das über humanitäre Nothilfe entscheidet, galt seit jeher als schwierig – jedenfalls bei der Übergangshilfe, die an Nothilfe anknüpft und beim BMZ angesiedelt ist.
Aufgeschreckt melden sich Verteidiger des BMZ zu Wort. Die katholischen Hilfswerke Misereor und Caritas appellieren an die Unterhändler, das BMZ nicht aufzugeben und außenpolitischen Interessen unterzuordnen – „gerade jetzt, wo die USA sich international zurückziehen und in Frage steht, welche Kräfte die hinterlassene Lücke füllen werden“. Warum ein wichtiges Instrument für Einfluss als verlässlicher Partner in der Welt aus der Hand geben, fragen sie. „Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sind dringende Notwendigkeit in einer Welt, in der einzelne Staaten immer rücksichtsloser agieren, um ihre Interessen durchzusetzen.“
Die NGOs Welthungerhilfe und ONE mahnten die künftigen Koalitionäre, mit einem eigenständigen Ministerium eine starke Stimme für Menschenrechte und die Beseitigung von Hunger und Armut am Kabinettstisch zu erhalten. Großbritannien liefert laut der Chefin von ONE-Deutschland, Lisa Ditlmann, ein warnendes Beispiel, wie es mit einer Fusion ohne Not seine globale Führungsrolle abgegeben und international Einfluss eingebüßt habe. London hat das Ministerium (DfID) 2020 ins Foreign Office integriert. In der Folge hätten sich Fachwissen, Krisenmanagement und Transparenz bei der Mittelverwendung verschlechtert, so ONE. „Es spricht wirklich nichts dafür, diesen Fehler zu wiederholen.“
Kurzzeithilfe und Diplomatie haben andere Ziele als nachhaltige Strukturpolitik
Auch das Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit (IDOS) in Bonn hat im März die Abwicklung „des britischen Weltmeisters unter den Entwicklungsministerien“ als Negativbeispiel für den Verlust eines wichtigen Instruments für Reputation und globale „Soft Power“ angeführt. Kurzzeithilfe und Diplomatie hätten andere Ziele als Kooperation für langfristige und nachhaltige Strukturpolitik und als die Arbeit mit Partnern für globale Aufgaben; die bauten zumindest in Teilen auf einer Solidaritätslogik auf, auch wenn Eigeninteressen stärker vorrückten. Viel hänge aber auch von der Ausgestaltung einer möglichen Fusion ab, etwa ob die Entwicklungspolitik weiter Kabinettsrang hätte und im Bundessicherheitsrat vertreten wäre.
Die Union strebt in der nächsten Regierung auch eine Halbierung des EZ-Budgets an, berichtet RiffReporter aus Kreisen der Unterhändler. Auch das ruft Widerrede hervor: „Die massiven Kürzungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit von heute sind die globalen Krisen von morgen, mit Auswirkungen bis nach Deutschland“, betont Misereor-Geschäftsführer Bernd Bornhorst. Viele Projekte der Konfliktprävention und Friedensarbeit müssten in der Folge eingestellt werden.
Die Welthungerhilfe mahnt, besonders Organisationen der Zivilgesellschaft verlören bei Kürzungen die Unterstützung, die sie in einem zunehmend autokratischen Umfeld bräuchten, um sich für benachteiligte Gruppen und Menschen in Not einzusetzen. Deutschland dürfe nicht Geberländern wie USA und Großbritannien folgen, die zentrale Programme zur Ernährungssicherung und Gesundheitsvorsorge streichen.
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