Kreislaufwirtschaft nicht in Sicht

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Der Salzsee Salar de Uyuni in Potosi, Bolivien: Ein deutsch-bolivianisches Projekt zur Lithiumgewinnung dort wurde im November 2019 gestoppt.

Rohstoffstrategie
In Deutschland verarbeitete Rohstoffe sollen möglichst fair und umweltgerecht abgebaut werden, heißt es in der neuen Strategie der Bundesregierung. Änderungsbedarf sieht Berlin vor allem in den Abbauländern. Nachhaltig geht anders, moniert die Opposition – und auch die Recyclingindustrie.

Am Salzsee Salar de Uyuni liegt ein deutsch-bolivianisches Gemeinschaftsprojekt zur Lithiumgewinnung gerade auf Eis. Präsident Evo Morales hatte es kurz vor seiner Flucht aus Bolivien im vergangenen November gestoppt – nach Unmut in der Bevölkerung und indigenen Gemeinschaften, die dort Landwirtschaft betreiben. Dabei sollten dort die Eingriffe in Umwelt und Wasserhaushalt viel geringer ausfallen als in anderen Lithiumfabriken der Region.

Vorhaben wie dieses verdeutlichen den Balanceakt einer deutschen Rohstoffstrategie zwischen dem Bedarf etwa für Batterien künftiger Elektroautos und den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt in den Abbauländern. Zugleich sagt die OECD voraus, dass der globale Rohstoffverbrauch bis 2060 doppelt so hoch sein wird wie heute.

Mitte Januar hat die Bundesregierung ihre Strategie erneuert und dabei nach eigenem Befinden ein ausgewogenes Paket für die Versorgung der heimischen Industrie geschnürt – ausgewogen zwischen „sicher, verantwortungsvoll und der Nachhaltigkeit verpflichtet“. Rohstoffe müssten „unter menschenwürdigen Bedingungen sowie klima- und umweltschonend abgebaut werden“, heißt es darin unter anderem. Doch zugleich ist der Ansatz auch eine erneute Absage an ein Lieferkettengesetz, das heimische Einkäufer zu Sorgfalt verpflichten würde. Der Fokus liegt vor allem auf der Verantwortung bei der Rohstoffgewinnung in den Abbauländern.

So will Deutschland sich dafür einsetzen, hohe Standards im Bergbau „unter ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten“ europaweit und international „weiter zu etablieren“. Dafür werden etwa bestehende Dialogforen genannt, wie die freiwillige European Partnership for Responsible Minerals (EPRM). Darin begleiten Zivilgesellschaft, Industrie und Politik die Umsetzung der EU-Verordnung gegen Handel mit Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus Konfliktgebieten. Auch soll die Transparenz-Initiative EITI, die die Regierungsführung in Rohstoffländern verbessern will, stärker Nachhaltigkeitsstandards in den Blick nehmen.

Berlin setzt vor allem auf ­bereits bestehende Initiativen

Ansonsten setzt die Regierung auf zwischenstaatliche Organe wie das Intergovernmental Forum für Bergbau, Minerale, Metalle und nachhaltige Entwicklung (IGF), in dem für Bergbau zuständige Ministerien aus 74 Ländern eine nachhaltige Sektorpolitik entwickeln sollen. Dazu gehören etwa der Aufbau von Kapazitäten für staatliche Mineninspektionen, die auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Auftrag der Entwicklungspolitik unterstützt. In Entwicklungs- und Schwellenländern soll die Weltbank ihre Strategie des Climate Smart Mining „für einen klimasensibleren und umweltschonenderen Bergbau“ ausbauen, heißt es in der neuen Strategie der Bundesregierung.

An die Privatwirtschaft richtet sich lediglich ein neuer „Leitfaden zu ökologischen Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten“, den das Umweltministerium laut der Strategie in einem internationalen Prozess erarbeiten soll. Aber selbst dieser Leitfaden soll freiwillig bleiben. Aus Sicht von Opposition und Zivilgesellschaft greift die Strategie deshalb zu kurz.

So monieren die im Arbeitskreis Rohstoffe zusammengeschlossenen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, Deutschland bleibe hinter dem Koalitionsvertrag zurück, der Zusagen zum verbesserten Menschenrechtsschutz in Lieferketten und für verbindliche Umwelt- und Menschenrechtsstandards in der EU-Handelspolitik enthalte. „Der Nachhaltigkeitsanspruch wird nicht mit den notwendigen konkreten Maßnahmen unterfüttert“, kritisierte Koordinator Michael Reckordt. Auch dem anhaltenden Verlust biologischer Vielfalt durch Abbau von Erzen werde kein Einhalt geboten.

Weltweit der fünftgrößte Importeur metallischer Rohstoffe

Die Grünen sehen sich in ihrer Forderung bestätigt, heimischen Unternehmen in einem Lieferkettengesetz Sorgfaltspflichten aufzuerlegen. Deutschland ist eher selten direkt am Bergbau beteiligt, aber weltweit der fünftgrößte Importeur metallischer Rohstoffe. Rohstoffsicherheit und Menschenrechtsschutz sollten dabei kein Widerspruch sein, betonte der entwicklungspolitische Sprecher Uwe Kekeritz.

Unzufrieden reagierten Grüne, Umweltorganisationen und selbst die Recyclingwirtschaft auch darauf, dass die Strategie Wege zu einer Kreislaufwirtschaft von metallischen Rohstoffen eher nachrangig behandelt. Zwar sei eine verlässliche Versorgung gerade für die Energiewende und die Elektrifizierung der Mobilität geboten. Doch zum Schutz von Klima und Umwelt hätte man sich einen Fahrplan für eine ressourcenleichte und klimaneu­trale Kreislaufwirtschaft gewünscht. „Ohne einen ambitionierten und verbindlichen Rechtsrahmen für recyclingfreundliches Produktdesign, lückenlose Sammlung von Wertstoffen und hochwertiges Recycling ist die Rohstoffstrategie nicht mehr als ein Lippenbekenntnis”, erklärte die Grünen-Sprecherin für Umweltpolitik, Bettina Hoffmann.

Die Recyclingbranche vermisst eine stärkere Förderung der eigenen Industrie, die zentral sei dafür, Rohstoffe so lange wie möglich wiederzuverwenden – was auch den Importbedarf verringert. So hofft der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) nun darauf, dass eine Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes vor allem die Recyclingfähigkeit von Produkten, den Einsatz von recycelten Stoffen und eine nachhaltige öffentliche Beschaffung verbindlicher als bisher regeln wird.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2020: Schuften für den Weltmarkt
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