Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay sorgt in Österreich erneut für hitzige Debatten. Frühere Bundesregierungen haben das Abkommen klar abgelehnt, doch die aktuelle Koalition zeigt sich uneins: Während die liberalen NEOS das Abkommen klar befürworten, lehnen die Sozialdemokraten von der SPÖ es ab. Die konservative ÖVP zeigte sich bisher ablehnend, doch ihr Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer sprach sich im April überraschend für den Handelspakt aus. Die EU und die Mercosur-Staaten hatten sich im Dezember 2024 auf den Vertrag geeinigt, der nun von den Mitgliedern beider Bündnisse ratifiziert werden muss.
In Österreich wird erneut debattiert, weil die wirtschaftliche Lage derzeit besonders angespannt ist: Das Land steht laut IWF-Prognose dieses Jahr als einzige Industrienation vor einer Rezession. Hohe Inflation, steigende Arbeitslosigkeit und mögliche US-Strafzölle verschärfen die Lage. Wirtschaftsvertreter setzen daher Hoffnung unter anderem in das Mercosur-Abkommen. Es soll Exportmärkte öffnen und die Konjunktur ankurbeln.
Doch Österreich verfolgt in der EU traditionell einen skeptischen Kurs bezüglich Freihandelsabkommen. 2019 war es das erste EU-Mitglied, das sich mit einem Parlamentsbeschluss klar gegen den Handelspakt mit dem Mercosur aussprach – mit Verweis auf Bedenken hinsichtlich des Umweltschutzes, nachteilige Folgen für die heimische Landwirtschaft und die Schwächung europäischer Standards etwa bei der Regulierung von Pestiziden und beim Arbeitsrecht, die in Mercosur-Staaten nicht gelten. Neben Österreich lehnen bisher auch Frankreich, Italien, Polen, Belgien, Luxemburg und Irland das Abkommen ab.
Umwelt- und Sozialorganisationen zeigen sich alarmiert
„Für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie Österreich ist der Zugang zu internationalen Märkten essenziell“, sagt Elisabeth Christen, Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Rund 40 Prozent des Handels Österreichs außerhalb der EU fielen bereits jetzt auf Länder und Regionen, mit denen die EU Freihandelsabkommen geschlossen habe, etwa Japan oder Zentralamerika. Christen verweist zudem auf den kontinuierlich steigenden Handelsüberschuss Österreichs mit den Mercosur-Ländern: Im Jahr 2024 belief sich der Überschuss auf 751 Millionen Euro.
Hauptsächlich exportiert Österreich Maschinen, Pharma- und Chemieprodukte, Kfz-Teile, technische Instrumente sowie Lebensmittel und Getränke wie Energydrinks und Spirituosen in den Mercosur. Das Mercosur-Abkommen könnte laut Christen zudem neue Exportchancen für Agrarprodukte wie Käse und Wein schaffen. Auf der Importseite dominieren landwirtschaftliche Erzeugnisse: Brasilien liefert Obstkonzentrate und Kaffee nach Österreich, Argentinien Futtermittel, Rinderleder und Wein, Uruguay Rindfleisch und Holz, aus Paraguay kommt vorwiegend Soja.
Doch genau diese Importe alarmieren Umwelt- und Sozialorganisationen wie Global 2000, Südwind und Greenpeace. Sie warnen vor einem Anstieg von Rindfleisch- und Sojaimporten und den möglichen Folgen für die Umwelt in den Exportländern. Außerdem kritisieren sie die mögliche Missachtung europäischer Umweltstandards: Produkte wie Rindfleisch oder Soja könnten im Mercosur ohne die gleichen Standards bei Pestiziden oder Wasserschutz billiger produziert werden und so Druck auf die Produktionsweise der heimischen Bauern erhöhen.
Auch Landwirte warnen vor Billigimporten
Auch aus der österreichischen Landwirtschaft, die traditionell der ÖVP nahesteht, kommt Widerstand. Sie warnt vor Billigimporten, die die heimische Qualitätserzeugung bedrohten. WIFO-Expertin Christen räumt ein, dass einzelne Regionen Österreichs unter einem verstärkten Wettbewerbsdruck leiden könnten – allerdings nicht nur als Folge des EU-Mercosur-Abkommens, sondern auch des wachsenden EU-internen Wettbewerbs.
Für alternativen Handel setzt sich hingegen das Projekt Alianza Österreich–Argentinien ein, getragen vom Welthaus Graz und der argentinischen Partnerorganisation INCUPO. Es vernetzt kleinbäuerliche Betriebe beider Länder mit dem Ziel, Lösungsansätze für eine umwelt- und klimaschonende Tierhaltung zu entwickeln und voneinander zu lernen.
„Handelsabkommen wie jenes mit dem Mercosur zu Lasten kleinbäuerlicher Betriebe auf beiden Seiten des Atlantiks sind kein Lösungsansatz für die gegenwärtigen Probleme. Partnerschaften auf Augenhöhe hingegen schon“, erklärt Markus Meister, Geschäftsführer des Welthauses Graz, das Teil der Diözese Graz-Seckau ist. Österreichische Modelle wie das Programm Styria Beef, das auf höhere Wertschöpfung durch nachhaltige Tierhaltung setzt, stoßen in Argentinien auf großes Interesse. Umgekehrt lernen österreichische Betriebe von argentinischen Bauern den Umgang mit klimabedingten Ernteausfällen und eine an den Klimawandel angepasste Landwirtschaft.
Besonders kritisch sieht Meister die im Mercosur-Abkommen vorgesehene deutliche Senkung argentinischer Exportsteuern auf Soja. Das könne die Ausweitung des industriellen Sojaanbaus anheizen, mit Folgen vor allem für indigene Gemeinden und kleinbäuerlichen Betriebe. Es sei nötig, vor Inkrafttreten des Abkommens mögliche ökologische und menschenrechtliche Folgen abzuschätzen und Beschwerdemechanismen einzurichten.
Ob die Regierung am Widerstand gegen das Abkommen mit dem Mercosur festhält oder ihm doch zustimmt, ist offen. Eine Entscheidung wird bis Sommer erwartet.
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