„Im kooperativen Agroforstanbau liegt die Zukunft des Kaffees“

Fairer Handel
Die Kaffeepreise sind in den vergangenen Monaten enorm gestiegen. Marcel Hackler erklärt, woran das liegt, und was diejenigen davon haben, die den Kaffee anbauen.

Marcel Hackler arbeitet in der Koordinationsstelle Kirche und Gesellschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg. Außerdem führt er eine kleine Kaffeerösterei in Oldenburg, die der fair und ökologisch orientierten europäischen Genossenschaft Roasters United angehört.
 

Im Durchschnitt sind die Verbraucherpreise für Kaffee im Vergleich zum Jahr 2020 um über 70 Prozent gestiegen. Woran liegt das?
Der Weltmarktpreis an der New Yorker Kaffeebörse ist von 2,50 im letzten Herbst auf 4,20 US-Dollar im Frühjahr geklettert, das ist mehr als je zuvor in so einem Zeitraum. Der wichtigste Grund für den Preisanstieg ist, dass es in den größten Anbauländern – Vietnam, Brasilien und Kolumbien – drei Jahre in Folge sehr schlechte Ernten gab. Das ist eine Folge des globalen Klimawandels. 

Wie genau wirkt der sich auf den Kaffeeanbau aus?
Brasilien und Vietnam haben drei Jahre lang extreme Dürreperioden erlebt, gefolgt von starken Regenfällen. Kaffeepflanze sind dafür sehr sensibel. Schon kleine Veränderungen der klimatischen Bedingungen wirken sich direkt auf ihren Ertrag und auch auf die Qualität aus. Vor allem die beliebten Arabica-Pflanzen, aber auch die weniger anspruchsvollen Robusta-Pflanzen, brauchen milde Temperaturen zwischen 18 bis 24 Grad . Wird es heißer, verkümmern die Pflanzen, bringen kaum noch Erträge und werden anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Regnet es zur falschen Zeit, verfaulen die Früchte am Baum. Am schlimmsten ist es, wenn die ganze Pflanze Schaden nimmt oder gar eingeht, denn Kaffeesträucher wachsen ja nicht wie andere Erntegewächse jedes Jahr neu, sie können bis zu 80 Jahre alt werden, werden aber in der Regel nach wenige Jahrzehnten verjüngt, also zurückgeschnitten. 

Treiben noch weitere Ursachen die Preise?
Ja. Der Transport wird teurer, da sind die Kapazitäten aufgrund überfüllter Häfen knapp geworden, ganz abgesehen von Transportkrisen wie zurzeit am Persischen Golf, den viele Reedereien aus Angst vor Überfällen und Beschuss meiden und dafür einen langen Umweg in Kauf nehmen. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach Kaffee in Indien und China, wo früher wenig Kaffee getrunken wurde. Und auch im Kaffeeanbau fehlen oftmals Arbeitskräfte. Ich war kürzlich in Guatemala, Peru und Honduras. Vor allem in Guatemala finden viele Kaffeeproduzenten – egal ob groß oder klein – nicht mehr genügend Arbeitskräfte, weil die ihr Glück lieber in den USA versuchen, wo sie sich bessere Verdienste versprechen. Das könnte sich unter der restriktiven Migrationspolitik der jetzigen US-Regierung natürlich wieder ändern.

Die Produzenten profitieren aber, wenn die Kaffeepreise steigen, oder?
Nicht direkt, die Preisanstiege machen die Produktion an sich ja nicht fairer oder lukrativer. Die Kaffeeanbauenden haben ja auch Mehrkosten, beispielsweise durch Ernteausfälle und steigenden Aufwand bei der Pflege ihrer Pflanzen, die sich eben auf die Preise schlagen. 
Gut ist aber auf jeden Fall, wenn die Abnehmer im globalen Norden merken, dass dieses Produkt wertvoll ist und viel Arbeit und Aufwand in ihm steckt. Das hilft idealerweise auch den Farmern am Ende der Lieferkette. Nur so kann Kaffee langfristig aus seinen kolonialen Fußstapfen heraustreten. 

Wie können sich die Kaffeebauern auf die Klimaveränderungen einstellen?
In Guatemala beispielsweise, wo ich gerade war, wird ein Großteil des Kaffees in Agroforstwirtschaft angebaut. Die Kaffeesträucher wachsen nicht in Monokulturen, sondern unter Schattenbäumen wie Bananen, Avocados, Bohnen oder anderen einheimischen Pflanzenarten. Ich denke, im kooperativen Agroforstanbau liegt die Zukunft des Kaffees, auch dort, wo heute noch Monokulturen vorherrschen. Und auch im Züchten neuer Sorten oder dem Aufpfropfen anspruchsvoller Arabica-Sorten auf die Wurzeln widerstandsfähigerer Robusta-Sorten, die auch in wärmeren Lagen gedeihen und gegen Krankheiten, Klimaschwankungen und Schädlinge resistenter sind. Wenn diese Arbeit geschätzt und entsprechend entlohnt wird, werden auch mehr junge Leute aus Kaffeeregionen den Anbau weiter betreiben, anstatt wie heute ihr Glück in den Städten zu suchen. 

Das Gespräch führte Barbara Erbe.

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