Dass der von der CDU-Fraktion initiierte Beschluss im parlamentarischen Verfahren nicht ausgebremst wurde, gilt in NGO-Kreisen als Errungenschaft. Selbst der Agrarausschuss, der die Lösung für eine sichere Welternährung mehrheitlich in intensiverem Ackerbau und Viehzucht sieht, stimmte zu. Der Beschluss beschwört zwar keine globale Agrarwende, erwartet aber von der Entwicklungspolitik, alternative, standortgerechte und nachhaltigen Agrarmethoden stärker zu fördern.
Vor dem Hintergrund, dass Anbauflächen und Wasser knapper würden und dies Konflikte schüre, liege die Lösung in einer Landwirtschaft, die an örtliche Gegebenheiten angepasst sei, betonte Wolfgang Stefinger für die CDU/CSU-Fraktion in einer nächtlichen Debatte vor der Sommerpause. Es gehe darum, ertragreiche und vielfältige Sorten zu verwenden, sowie um passgenaue Düngung, nährstoffhaltige Böden und effiziente Bewässerung. Das erfordere eine gute Ausbildung für Kleinbauern sowie gleichberechtigten Zugang zu Land und Finanzierungsmöglichkeiten.
Eine Antwort auf soziale Probleme und ökologische Krisen
Das zivilgesellschaftliche Netzwerk Inkota, das federführend in einem Positionspapier von 56 Organisationen für Agrarökologie wirbt, weist darauf hin, dass sie neben der Bodenfruchtbarkeit die Biodiversität fördert und Ökosysteme widerstandsfähig macht sowie bäuerliches Wissen in die Forschung einbezieht. Dazu gehöre, dass kleinbäuerliche Gemeinschaften selbst bestimmen, auf welche Weise sie Böden, Pflanzen und Tiere kultivieren, ohne dem Mantra der Agrarindustrie zu folgen, der Segen allein liege in höherer Produktivität.
Letzteres ist für die Verfechter des Konzepts ohnehin ein Trugschluss. So verbrauche die industrielle Bewässerungslandwirtschaft mehr als zwei Drittel des globalen Wassers; das sei kein zukunftsweisender Weg zur Ernährungssicherung, sagt Luise Steinwachs von Brot für die Welt. Der Bundestag verweist auf die Welternährungsorganisation (FAO), die in der Agrarökologie eine wichtige Antwort auf soziale Probleme und ökologische Krisen wie Abholzung, Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt sieht.
Das BMZ soll das Konzept international voranbringen
Laut dem Beschluss soll das BMZ sein Engagement weiter ausbauen und die Prinzipien der Agrarökologie international „vorrangig verankern“. Mehr Geld soll dafür in die Sonderinitiative Eine Welt ohne Hunger fließen, die Minister Gerd Müller beständig ausbaut. Das missfällt jedoch der Opposition: Die Grünen lehnten den Antrag ab. Zu Begründung hieß es, zum einen kooperiere die Sonderinitiative in „Innovationszentren“ mit Partnern aus der Wirtschaft, die auf den Einsatz chemischer Düngemittel und Pestizide setzten und der Lehre der Agrarökologie widersprächen.
Zum anderen verspreche der Bundestagsbeschluss etwas, was ohne breiteren Übergang zu einer regenerativen Landwirtschaft nicht zu erfüllen sei. „Es reicht nicht, ein paar schöne Projekte anderswo zu fördern. Wir müssen bei uns selbst anfangen“, erklärte Renate Künast. Sprich: Massentierhaltung stoppen, Agrarland im globalen Süden nicht länger als Futteranbaufläche missbrauchen und das Recht auf Nahrung durchsetzen. „Dieser Antrag ist leider nicht mehr als ein Placebo für das siechende agroindustrielle System“, so Künast.
Folgen für die europäische Agrarpolitik?
Die FDP wiederum lehnte es ab, die Agrarökologie „als Wunderwaffe zu verkaufen“. Meist seien nicht fehlende Kenntnisse in landwirtschaftlichen Techniken die Ursache von Hunger, sondern die Beeinträchtigung durch Krieg und Krisen, sagte Christoph Hoffmann.
Entwicklungsorganisationen wie Brot für die Welt, Misereor oder Inkota hingegen halten den Beschluss für einen Fortschritt. „Wir begrüßen es, dass der Bundestag mit der Anerkennung der Agrarökologie und ihres Potenzials für die Armutsbekämpfung und die Stärkung von Kleinbauern einen wichtigen Pflock eingeschlagen hat“, sagt Sarah Schneider von Misereor. Wenn das BMZ in diesem Jahr sein Konzept zur ländlichen Entwicklung überarbeitet, müsse es den Auftrag des Parlaments erfüllen, Agrarökologie darin in konkreten Vorhaben zu verankern, betont Lena Bassermann von Inkota.
Bislang spielt die Agrarökologie keine große Rolle im Projektportfolio des Ministeriums. Bereits in Planung sind aber neue Wissenszentren für ökologischen Landbau, die das BMZ in drei afrikanischen Regionen mit heimischen Gastgebern gründen will. Sie sollen auch eine Brücke zur „Erforschung und Dokumentation traditioneller Anbaumethoden und Biodiversität“ schlagen, wünscht der Bundestag.
Die Zivilgesellschaft hofft, dass der Beschluss über das BMZ hinaus ausstrahlt – etwa ins Agrarministerium. „Wenn der Bundestag schon das Potenzial des Konzepts anerkennt“, sagt Schneider, „dann sollte man es nicht auf die Entwicklungszusammenarbeit beschränken, sondern in die EU-Agrarpolitik integrieren und gleichzeitig verhindern, dass negative Auswirkungen aus dem europäischen Außenhandel das Modell untergraben.“
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