Der Abschlussbericht der von der Europäischen Kommission angestoßenen Arbeitsgruppe Ländliches Afrika betont, dass die Länder Afrikas von einer von der Europäischen Union (EU) unterstützten Transformation des Agrar- und Ernährungssektors profitieren würden. Doch er schweigt zu den europäischen Interessen, die möglicherweise hinter den Vorschlägen stehen – etwa der Ausbau von Märkten für Exporte, die Förderung von europäischen Privatinvestitionen in Afrika, die Schaffung von Jobs in Europa und nicht zuletzt die Eindämmung von Migration.
Um zu einer wirtschaftlichen Partnerschaft auf Augenhöhe zu gelangen, müssen gemeinsame Interessen identifiziert und zur Sprache gebracht werden. Diesen Anspruch erfüllt der Bericht nicht: Europa erscheint als selbstloser Wohltäter, Afrika hingegen als Bittsteller. Dabei sollte diese Denkweise laut EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker der Vergangenheit angehören: „Afrika braucht keine Almosen, es braucht eine echte und faire Partnerschaft. Und Europa braucht diese Partnerschaft auch“, sagte er vergangenes Jahr bei einer Rede im EU-Parlament.
Trotzdem spricht der Bericht wichtige Punkte an: Genug Arbeitsplätze für die schnell wachsende afrikanische Bevölkerung zu schaffen und ihr so zu Einkommen zu verhelfen, ist eine drängende Aufgabe. Die Landwirtschaft spielt dabei eine wichtige Rolle, weil sie für einen großen Teil der Bevölkerung die Lebensgrundlage ist und einen wichtigen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt liefert. Für das wirtschaftliche Wachstum auf dem Kontinent wird die Entwicklung des Agrar- und Ernährungssektors in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
Freihandelsabkommen zwischen der EU und Afrika
Der Bericht weist zutreffend auf einige der Probleme hin, denen die afrikanische Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion gegenüberstehen: eine wenig diversifizierte Wirtschaft, zu wenig Investitionen in Ausbildung, schlechte Regierungsführung und Menschenrechtsverletzungen, niedrige Einkommen und kein Zugang zu Land, Krediten, Märkten und Technologien.
Allerdings schenkt der Bericht den verheerenden Folgen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik für die afrikanische Landwirtschaft kaum Beachtung. Zölle, nichttarifäre Handelshemmnisse und der Export von europäischen Lebensmitteln zu Dumpingpreisen machen den afrikanischen Landwirten und Lebensmittelproduzenten nach wie vor zu schaffen. Und sie behindern ganz allgemein die Entwicklung der afrikanischen Landwirtschaft.
Autor
Francis Ngang
ist Direktor von Inades-Formation, einem Netzwerk landwirtschaftlicher Organisationen mit Büros in zehn afrikanischen Ländern.Der Bericht nennt vier Handlungsfelder: die Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommen; den schonenden Umgang mit Land und natürlichen Ressourcen; die nachhaltige Transformation der afrikanischen Landwirtschaft; und die Entwicklung von afrikanischen Lebensmittelindustrien und -märkten. Das hört sich vielversprechend an, denn auf diese Weise könnte das Potenzial der afrikanischen Landwirtschaft geweckt werden. Insbesondere die ländliche Bevölkerung, die mit den Lebensmitteln den größten Teil des Reichtums produziert, auf dem die afrikanischen Metropolen beruhen, würde vom Ausbau der Infrastruktur profitieren.
Kleinbauern bekamen nicht genügend Aufmerksamkeit
Niemand bestreitet, dass dafür eine Menge Geld investiert werden muss. Der Bericht geht davon aus, dass hier vor allem die Privatwirtschaft gefragt ist. Die Arbeitsgruppe schlägt vor, sogenannte innovative Finanzinstrumente zu nutzen und privates Kapital mit öffentlichen Anreizen zu locken. Das bedeutet in der Praxis, dass Entwicklungshilfe genutzt wird, um ein günstiges Umfeld für ausländische Privatinvestitionen zu schaffen. Mit diesem Vorschlag folgt der Bericht der Linie der G8-Allianz für Ernährungssicherheit. In deren Rahmen versprachen die daran teilnehmenden afrikanischen Länder, für ein günstiges Umfeld für private Investitionen im Agrarsektor zu sorgen. Zur Unterstützung der Reformen erhielten sie Entwicklungshilfe.
Studien zivilgesellschaftlicher Organisationen haben gezeigt, dass dadurch die Übernahme landwirtschaftlicher Betriebe durch große Unternehmen erleichtert wurde. Diese Politik wirkt nachteilig auf Kleinbauern, auf die Umwelt, die Ernährungssicherheit, die Armutsbekämpfung und eine sozial ausgewogene Entwicklung. Eine Studie der britischen Entwicklungsorganisation Oxfam kommt zu dem Schluss, dass beispielsweise in Burkina Faso der Schwerpunkt der G8-Allianz auf der Sicherung eines guten Investitionsklimas für private Investoren lag; Kleinbauern hingegen bekamen nicht genügend Aufmerksamkeit. „Maßnahmen wie Steuer- und Zollanreize sind auf Unternehmen zugeschnitten, nicht auf kleine Lebensmittelhersteller“, heißt es in der Oxfam-Studie.
Ein vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebener Bericht kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Das Ziel der G8-Allianz, die landwirtwirtschaftliche Produktion von einkommensschwachen Ländern zu verbessern und so ihre Abhängigkeit von Importen und Hilfslieferungen zu verringern, sei begrüßenswert. Allerdings wiesen die Kooperationsvereinbarungen erhebliche Mängel auf. Laut dem Bericht beziehen sie sich nur selektiv auf internationale Standards für Agrarinvestitionen, propagieren die zügige Vergabe von Landtiteln, ohne die Gefahren für landlose Bauern zu berücksichtigen, und fordern eine Reform von Saatgutrichtlinien im Interesse von Pflanzenzüchtern, ohne zugleich auf die Bedürfnisse von bäuerlichen Saatgutsystemen zu achten.
Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen mit bisherigen Ansätzen zur Stärkung der Landwirtschaft in Afrika, bei denen der Privatwirtschaft eine Schlüsselrolle zugedacht war, ist es besorgniserregend, dass die Arbeitsgruppe Ländliches Afrika jetzt auf ähnliche Rezepte setzt.
Aus dem Englischen von Moritz Elliesen.
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