In Deutschland ist die Genitalbeschneidung bei Frauen verboten. Diese Praxis ist hierzulande seit dem Jahr 2013 ein eigener Straftatbestand. Seit 2015 ist es auch strafbar, wenn in Deutschland lebende Eltern ihre Tochter in ihrem Herkunftsland beschneiden lassen. Verurteilungen gab es wegen beider Straftatbestände bisher in Deutschland aber noch nicht.
Unter der Beschneidung der weiblichen Sexualorgane versteht die Weltgesundheitsorganisation alle Eingriffe, bei denen Frauen äußere Genitalien teilweise oder vollständig entfernt werden. Die Beschneidung von Mädchen ist in zahlreichen Ländern West- und Ostafrikas sowie auf der Arabischen Halbinsel und in Teilen Asiens immer noch weitverbreitet – trotz vieler Bemühungen, die Praxis einzudämmen. Hilfsorganisationen schätzen, dass weltweit rund 150 bis 200 Millionen Frauen betroffen sind.
Durch die Zuwanderung von Menschen aus Ländern wie Ägypten, Sudan, Somalia, Dschibuti, Eritrea und Guinea ist die Zahl beschnittener Mädchen und Frauen in Deutschland in den vergangenen Jahren gestiegen. Laut einer Schätzung der Organisation Terre des Femmes sind es derzeit knapp 65.000; darüber hinaus seien mindestens 15.500 Mädchen gefährdet, beschnitten zu werden. Für die Berechnung der Zahlen berücksichtigt Terre des Femmes, aus welchen Ländern die Mädchen kommen und wie verbreitet dort nach Informationen von Amnesty International und des Kinderhilfswerks UNICEF die Beschneidung ist.
Die Beschneidung hat gravierende Folgen für Psyche und Gesundheit der Mädchen und Frauen. So steigt beispielsweise das Risiko, dass Frauen bei der Geburt eines Kindes Komplikationen erleiden, vor allem wenn ihre Genitalien nach der Beschneidung zugenäht wurden (Infibulation). In deutschen Krankenhäusern ist man darauf nicht ausreichend vorbereitet: Ärzte und Hebammen sind oft unsicher, wie sie am besten vorgehen, wenn eine beschnittene Schwangere zur Entbindung ins Krankenhaus kommt. Auch würden Frauen von Ärzten oder Pflegepersonal manchmal respektlos behandelt und als exotisch vorgeführt, sagt Günter Haverkamp vom Düsseldorfer Verein Aktion Weißes Friedensband.
Das Thema in Schulen zu besprechen, ist nicht leicht
Der Verein wurde im Jahr 2003 gegründet und weist gemeinsam mit jungen Menschen in der Bildungsarbeit auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen hin. Das Thema Mädchenbeschneidung erwies sich zunächst als schwierig; viele Schulen wollten es nicht aufgreifen. „Es gibt bei Schülerinnen und Schülern, aber auch bei vielen Lehrern eine große Scheu, über die Themen Sexualität und Körperlichkeit zu sprechen“, sagt Haverkamp.
Um das Thema besser in die Öffentlichkeit zu bringen, entstand auf Initiative der Aktion Weißes Friedensband bereits im Februar 2007 in Düsseldorf ein runder Tisch gegen Mädchenbeschneidung, damals die erste Initiative dieser Art in einem Bundesland. Hier treffen sich seitdem viermal im Jahr Fachleute aus dem Gesundheitswesen, aus Schulen und Jugendämtern sowie der Landespolitik mit Initiativen beschnittener Mädchen und Frauen und Organisationen der Zivilgesellschaft. Ziel ist, die medizinische, soziale und rechtliche Situation beschnittener Frauen in Nordrhein-Westfalen zu verbessern und Mädchen vor dem Eingriff zu schützen. Denn allein das gesetzliche Verbot hilft den Frauen und gefährdeten Mädchen wenig. „Wir können die Menschen nur vor Ort in den Kommunen erreichen“, sagt Haverkamp. „Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Arztpraxen brauchen dazu geeignete Informationen.“
Migranten müssen eingebunden werden
Insgesamt ist das Problem in Nordrhein-Westfalen inzwischen stärker im öffentlichen Bewusstsein; mehrere Initiativen kümmern sich darum. In Dortmund hat die Arbeiterwohlfahrt eine Gruppe für geflüchtete Mädchen eingerichtet, in der auch über Sexualität gesprochen wird. Darüber hinaus haben die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe Fortbildungen für Ärzte angeboten. Dennoch sei das Thema noch nicht genug in der Medizinerausbildung verankert, meint Haverkamp. Weitere Fortbildungen in den einzelnen Regionen Nordrhein-Westfalens seien notwendig. Auch die Gründung weiterer runder Tische in anderen Kommunen ist bislang gescheitert; Initiativen in Köln und Kerpen sind nach einer Weile wieder eingeschlafen.
Grundsätzlich gilt: Migrantinnen und Migranten müssen eingebunden werden, um Fortschritte zu erzielen. Hier braucht es Brückenbauer wie die Somalierin Jawahir Cumar. Sie ist Geschäftsführerin des Düsseldorfer Vereins Stop Mutilation und hat den runden Tisch in der Stadt am Rhein mit angestoßen. Der Verein betreibt die einzige Beratungsstelle zu Fragen der Genitalbeschneidung in Nordrhein-Westfalen. Als Geschäftsführerin hat Cumar eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, die afrikanische Community einzubinden. Gerade Männer seien oft entsetzt, wenn sie erfahren, was den Mädchen mit der Beschneidung angetan werde, sagt Haverkamp.
Außerhalb von Nordrhein-Westfalen haben allerdings erst wenige Kommunen und Bundesländer nachgezogen. Vergleichbare Initiativen gibt es nur in Berlin, Hamburg und München. Niedersachsen will im Jahr 2019 aktiv werden. Das Sozialministerium hat Initiativen und Organisationen im Bundesland für den Februar zu einem Gespräch eingeladen.
Verstümmelung, nicht ‚Beschneidung‘
Das Wort ‚Beschneidung ‚ ist irreführend. Der englische Begriff ‚Female genital Mutilation‘ trifft es eher: Bei dem was Mädchen und jungen Frauen da angetan wird handelt es sich schlichtweg um Verstümmelung!
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