Zwischen 2008 und 2014 wurden weltweit 184 Millionen Menschen Opfer von Überschwemmungen, Wirbelstürmen, Erdbeben oder Dürren. Die meisten suchen im eigenen Land Zuflucht und stehen unter dem Schutz der UN-Leitprinzipien zu internen Vertreibungen. Wer jedoch wegen einer Naturkatastrophe ins Ausland flüchtet, fällt in eine Schutzlücke. Für diese Flüchtlinge gilt weder die Flüchtlingskonvention von 1951, noch regeln die Menschenrechte Aspekte wie die Einreise, den Aufenthalt und die Grundrechte der Betroffenen.
Ihre Zahl wird angesichts des Klimawandels steigen. Alleine in Bangladesch ist in den kommenden Jahrzehnten die Lebensgrundlage von 35 Millionen Menschen vom steigenden Meeresspiegel bedroht, sagt Nicole Stolz von Caritas Schweiz. Angesichts der drängenden Situation lancierten die Schweiz und Norwegen 2012 eine Initiative, um Schutzlücken zu schließen.
Polarforscher und Menschenfreund
Die Nansen-Initiative ist nach dem norwegischen Polarforscher, Diplomat und Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen benannt. Er ...
Angestrebt wurde eine Schutzagenda mit drei Pfeilern: Internationale Kooperation und Solidarität, Standards für Einreise, Aufenthalt und Status von Migranten und Flüchtlingen sowie Finanzierung erforderlicher Hilfe etwa durch humanitäre Organisationen. Ergebnis der Konsultationen war die „Agenda zum Schutz der aufgrund von Katastrophen und Folgen des Klimawandels über Grenzen hinweg Vertriebenen“.
Die 45-seitige Agenda fokussiert auf die grenzüberschreitende vom Klimawandel verursachte Migration. Die Maßnahmen reichen von der Ausstellung humanitärer Visa, über die Sensibilisierung von Grenzwächtern, die Regelung des Familiennachzugs bis hin zu regionalen und überregionalen Katastrophenvorsorge-Plänen. Die Schutzagenda enthält aber auch Vorschläge für die Herkunftsländer von Klimaflüchtlingen, etwa zur Katastrophenvorsorge.
Nicht nur Lob aus der Zivilgesellschaft
Der Schweizer Gesandte der Nansen-Initiative, der Völkerrechtsprofessor Walter Kälin, sagte in einem Interview, in einer Welt, in der eine internationale Konvention zum Schutz von Klimaflüchtlingen nicht machbar oder nicht geeignet sei, liefere die Initiative einen Handlungsrahmen für Regierungen und andere Beteiligte, der an die unterschiedlichen regionalen Anforderungen angepasst werden könne. Es gebe genügend Erfahrungen im Umgang mit Klimaflüchtlingen und Möglichkeiten, ihnen zu helfen, wie die Schutzagenda zeige.
In der Zivilgesellschaft wird die Idee der Nansen-Initiative als hoch relevant und ihrer Zeit voraus gelobt. Kritisiert wird allerdings, dass sie zu sehr auf die Freiwilligkeit der Staaten setzt: „Eine Konvention, ein verbindlicher Rechtsrahmen für Staaten, wäre begrüßenswert“, sagt Nicole Stolz von Caritas. Ob die Nansen-Initiative sich durchsetzen wird, bleibt offen. Außerhalb der Schweiz und Norwegens ist sie kaum bekannt.
Zudem liefert die Initiative keine Antwort auf die Frage, woher das Geld kommen soll, dass nötig wäre, um den vom Klimawandel bedrohten Menschen zu helfen. Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen fordern deshalb, dass diese Frage in die Debatte um Klimawandel und Katastrophenvorsorge aufgenommen wird und die Industriestaaten ihre Verantwortung als Verursacher des Klimawandels wahrnehmen.
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