Jährlich beschäftigen Schweizer Bauernbetriebe zwischen 25.000 und 30.000 Personen aus dem Ausland. Es ließen sich für die Arbeiten kaum Schweizer finden, heißt es beim Schweizer Bauernverband (SBV) zur Begründung. Die in der Regel befristet angestellten Arbeiter im Obst- und Gemüseanbau sowie in der Viehwirtschaft stammen vor allem aus Polen und Portugal.
Doch seit der im Februar 2014 angenommenen Volksinitiative gegen eine angebliche Masseneinwanderung ist auch die Landwirtschaft dazu angehalten, bevorzugt inländische Arbeitskräfte einzustellen. Der Schweizer Pass ist dabei keine Voraussetzung, auch anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge zählen als „inländische“ Arbeitskraft.
Mit einem dreijährigen Pilotprojekt will der Bauernverband nun gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Er will Arbeits- und Integrationsmöglichkeiten für Flüchtlinge schaffen, der Landwirtschaft inländische Arbeitskräfte zur Verfügung stellen und die öffentliche Hand finanziell entlasten. Ziel des vom Staatssekretariat für Migration (SEM) unterstützten Projekts sei es, eine „Win-Win-Situation“ für alle zu schaffen.
Im ersten Monat müssen die Betriebe den arbeitenden Flüchtlingen jeweils 2300 Schweizer Franken (rund 2200 Euro) brutto zahlen. Danach erhalten sie den Mindestlohn gemäß Normalarbeitsvertrag, der in den meisten Kantonen 3200 Franken (rund 3050 Euro) brutto beträgt. In einigen Kantonen fallen ab Arbeitsbeginn sofort sämtliche Unterstützungszahlungen weg: Die Flüchtlinge müssen in diesem Fall selbst für Unterkunft, Essen und Krankenkasse aufkommen.
Kritiker sagen, den Bauern gehe es nur um eigene Interessen
Die Aktion stößt auf große Zustimmung, es gibt aber auch kritische Stimmen: Die Landwirtschaft brauche nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative einfach eine neue Quelle billiger Arbeitskräfte, ist in Kommentarspalten zu lesen. Der Bauernverband handle aus purem Eigeninteresse. Der niedrige Lohn im ersten Beschäftigungsmonat könne die Bauern dazu verleiten, immer wieder neue Flüchtlinge für vier Wochen zu Dumping-Löhnen anzustellen. Von „Ausbeutung“ ist die Rede. Zudem sei die Branche nicht gerade für ihre „Flüchtlingsfreundlichkeit“ bekannt.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hingegen begrüßt das Pilotprojekt grundsätzlich. Seit Jahren fordert sie, Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsbewilligung über die berufliche Integration in die Gesellschaft einzugliedern. Sie stellt aber die Frage, ob mit dem Lohn eine Familie ernährt werden kann, und fordert, dass das bei der Auswertung des Projekts geprüft wird. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund verlangt, dass die Flüchtlinge entsprechend den Schweizer Arbeitsbedingungen angestellt und entlohnt werden.
Das Staatssekretariat und der Bauernverband tragen je die Hälfte der insgesamt 400.000 Franken teuren Projektkosten. Beteiligt sind derzeit zehn Bauernhöfe in sieben Kantonen.
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