Viele Afrikaner fühlen sich in chinesischen Firmen in ihrem Land übel behandelt. Ist das ein Zeichen für Rassismus?
Nach meiner Ansicht sind heute viele in China rassistisch. Aber ihr Rassismus unterscheidet sich grundlegend von dem, der in den USA und Europa verbreitet ist oder früher war: Er hebt auf kulturelle Unterschiede ab, nicht auf biologische. Ich habe rassistische Einstellungen in der Gesellschaft anhand des sozialen Mediums Zhihu untersucht; da stellen Leute Fragen wie „Was denkst du über Afrika?“ oder „Welche Erfahrungen hast du mit Afrikanern?“. Von denen, die antworten, haben viele in Afrika gearbeitet. Ich habe die Antworten auf Stereotypen abgeklopft.
Welche haben Sie gefunden?
Faulheit wird sehr oft Afrikanern zugeschrieben, auch Unzuverlässigkeit. Häufig wird Promiskuität genannt, etwa dass ein Mann fünf Freundinnen gleichzeitig habe. Dann natürlich Armut sowie Ineffizienz und eine Neigung zu Kriminalität – etwa dass afrikanische Angestellte Toilettenpapier oder Büromaterial stehlen. Es heißt auch, dass Afrika und China beide unter Kolonialherrschaft standen; China habe es geschafft, wieder mächtig zu werden, während Afrika noch immer sei wie früher. Chinesen sehen ihre Arbeitsethik als Kontrast zur Faulheit von Afrikanern. Aber es heißt nicht, dass Afrikanern Intelligenz fehlt oder sie körperlich unterlegen sind.
Arbeiter zum Beispiel in Nigeria sagen, dass Vorgesetzte aus China sie als Affen bezeichnen. Geht es da nicht um biologische Abwertung?
Chinesen bezeichnen nicht nur dunkelhäutige Menschen als Affen, sondern auch weiße wie Europäer: Schaut mal, die sind so stark behaart und so groß, die sehen aus wie Affen. Wen Chinesen mit Affen vergleichen, hat nichts mit der Hautfarbe zu tun.
Sie würden aber nicht zu mir sagen, ich sei ein Affe.
Nein, wohl nicht. Das hängt damit zusammen, dass Chinesen die Länder Europas und Nordamerikas als weit entwickelt und reich wahrnehmen. Und wichtig für ihr Selbstbild ist: China ist schon immer ein Vielvölkerstaat, es konnte aber anders als Europa verschiedene Völker zusammenführen. Außer Tibetern und Uiguren haben fast alle Minderheiten die kulturelle Identität als Chinesen übernommen. Ich selbst gehöre zur Minderheit der Mongolen. Wenn ich mich jemandem vorstelle, bezeichne ich mich in erster Linie als Chinesin.
Welche Bilder von Afrika verbreitet und fördert der Staat in China?
Die gleichen Klischees, wenn nicht noch schlimmere. Im staatlichen Fernsehen gab es zum Beispiel in der Gala zum chinesischen Neujahr 2018 einen lachhaften Sketch voller übler Klischees über Afrika.
Propagieren sie auch, China habe die Lösungen für Afrikas Probleme?
Ja. Für die internationale Öffentlichkeit wird Afrika als Partner dargestellt und von Süd-Süd-Zusammenarbeit und gegenseitigem Nutzen gesprochen. Aber für die chinesische Öffentlichkeit werden Afrikaner als hilfsbedürftig gezeichnet. Und weder die sozialen Medien noch die offiziellen regen Chinesen an, über ihr Verhältnis zu Menschen anderer Kultur oder Hautfarbe nachzudenken. Es gibt auch kaum Kulturaustausch, man findet in China kaum übersetzte afrikanische Literatur oder afrikanische Filme. Und Manager, die nach Afrika gehen, bekommen wahrscheinlich vorher kein interkulturelles Training.
Das erklärt rüdes Verhalten gegenüber afrikanischen Arbeitskräften?
Zum Teil. Die China Africa Research Initiative an der John Hopkins University in den USA hat die Arbeitsbeziehungen in chinesischen und US-amerikanischen Firmen in Kenia verglichen. Das Ergebnis lautet: Weder amerikanische noch chinesische Manager behandeln Afrikaner als Gleiche und als qualifizierte Kräfte. Aber die Chinesen bringen das in ihrer Sprache und ihrem Verhalten viel stärker zum Ausdruck als Amerikaner. Das liegt auch daran, dass man ihnen nicht beibringt, über kulturelle Unterschiede zu reflektieren. Sie denken nicht darüber nach, dass es verletzend ist, jemanden als Affen zu bezeichnen.
Wie reagieren Chinesen, wenn Afrikaner ihnen Rassismus vorwerfen?
Sehr unterschiedlich. Einige bringt das zum Nachdenken. Interessanterweise sind Chinesen empfindlich, wenn sie selbst Opfer von Klischees werden. Vor kurzem hat eine italienische Modemarke für ihre Werbung ein chinesisches Model gezeigt, das Pizza mit Stäbchen isst. Das hat große Empörung in China verursacht und galt als rassistisch; die Firma wurde boykottiert, bis sie sich öffentlich entschuldigte. Aber wenn es um ihre Klischees über andere geht, sagen viele Chinesen: Wir sind keine Rassisten und sollten nicht so empfindlich sein. Ein Post im sozialen Medium Zhihu sagt ausdrücklich: Wir sollen nicht so sensibel gegenüber Rassismus sein wie die Amerikaner, denn wir haben ja niemals Schwarze versklavt oder Völkermorde begangen.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
Zweifelhafte Identität
"China ist schon immer ein Vielvölkerstaat, es konnte aber anders als Europa verschiedene Völker zusammenführen. Außer Tibetern und Uiguren haben fast alle Minderheiten die kulturelle Identität als Chinesen übernommen. " Diese Aussage halte ich für sehr schwammig. Haben Sie die chinesische Identität angenommen, oder wurde es Ihnen nicht eher auferlegt - aufgezwungen?
Immerhin versucht die Chinesische Regierung derzeit die Uiguren auszulöschen, anstatt diese Ihren eigene Kultur zu
ausleben zu lassen.
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