Nigerianer müssen draußen bleiben

Rassismus am Arbeitsplatz
Unternehmer aus China sorgen in Nigeria für Jobs. Viele chinesische Chefs blicken jedoch mit Verachtung auf ihre afrikanischen Angestellten.

Vertreter der chinesischen Botschaft werden nicht müde, die Geschäftserfolge ihres Landes in Nigeria zu preisen. Milliardenschwere Projekte chinesischer Unternehmen sind in den vergangenen Jahren überall in dem westafrikanischen Land aus dem Boden gesprossen. Dazu zählen einige der modernsten Eisenbahnlinien in Afrika und der künftig größte Tiefseehafen Westafrikas in Lekki. Chinesische Firmen stecken auch hinter zahlreichen Kraftwerken, die Nigerias Energieversorgung erheblich verbessern sollen. Laut der staatlichen Regulierungsbehörde für Unternehmen sind in Nigeria 3400 Firmen aus der Volksrepublik registriert, die meisten im Baugewerbe und in der verarbeitenden Industrie.

Doch die Erfolgsgeschichte hat eine Schattenseite. Nigerianer, die in chinesischen Unternehmen beschäftigt sind, klagen über Rassismus an ihrem Arbeitsplatz. Das Arbeitsumfeld sei nicht von dem üblichen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geprägt. Die Chinesen betrachteten sich vielmehr als „Herren“, während die Nigerianer zu „Knechten“ degradiert würden. Dies könnte erklären, warum nigerianische Beschäftigte ihre chinesischen Chefs mit „Master“ ansprechen. „Wir müssen sie so nennen, nur weil sie Chinesen sind. Selbst wenn wir älter sind als sie“, sagt Omoruyi Raymond, der in einer chinesischen Stahlfabrik arbeitet. Umgekehrt verwendeten die Chinesen im Gespräch mit ihren nigerianischen Arbeitern gerne abwertende und rassistische Ausdrücke.

„Wenn sie sauer sind, nennen sie uns nutzlose Schwarze“

„Wenn es Probleme gibt, werden sie manchmal wütend und bezeichnen die Schwarzen als Sklaven“, sagt Shola Adeboye, die bei einem chinesischen Hersteller von Plastikplanen angestellt ist. Felicia Osagie stimmt ihr zu. „Wenn sie sauer sind, nennen sie uns nutzlose Schwarze“, berichtet die Arbeiterin in einer Stahl­fabrik. Und Olawale Tunji, der in einer Fabrik für Keramikwaren arbeitet, kennt ein besonders extremes Beispiel von Rassismus: „Mich haben sie schon ein paar Mal als schwarzen Affen beschimpft.“

Diese Berichte sind keine Ausnahme – sie passen vielmehr in ein Muster von weit verbreitetem Rassismus in chinesischen Unternehmen, die in Nigeria produzieren und Geschäfte machen. Shola Adeboye war schon in verschiedenen ausländischen Firmen beschäftigt. „Die Chinesen sind die schlimmsten Rassisten“, sagt er. „Andere Ausländer, für die ich gearbeitet habe, etwa die Europäer, sind freundlich. Doch die Chinesen sind anders.“

Chinesische Fabriken in Nigeria nehmen in der Regel große Flächen ein und sind von hohen Mauern umgeben. Sie sehen aus wie Gefängnisse. Hunderte Nigerianer arbeiten hier Seite an Seite mit chinesischen Kollegen – und sie beschreiben, wie in diesen Enklaven die Rassentrennung gedeiht. „Die Öffentlichkeit weiß nicht, was hinter den Mauern vor sich geht“, meint Adeboye.

Felicia Osagie erlebt die Stahlfabrik, in der sie arbeitet, als zwei verschiedene Welten: Die Chinesen leben in der einen und verbannten die Nigerianer auf die andere. „Auf dem Firmengelände hast du das Gefühl, dass eine dicke Mauer die Chinesen von den Nigerianern trennt“, sagt sie. Shola Adeboye bestätigt diesen Eindruck: „Sie distanzieren sich stets von uns.“ Tatsächlich gibt es in manchen Betrieben mit chinesischen Eigentümern Zeichen für eine Rassentrennung: So haben viele von ihnen zwei Kantinen – eine für Chinesen, eine für Nigerianer. Andere haben nur ein Restaurant, in dem lediglich Chinesen bedient werden – Nigerianer müssen draußen bleiben. Sogar solche, die Führungspositionen bekleiden, wie Adeboye sagt. Schwarze Arbeiter dürfen zudem oft nur bestimmte Bereiche des Geländes betreten, andere sind ihren chinesischen Kollegen vorbehalten.

Frühere Angestellte des chinesischen TV- und Medienunternehmens  „StarTimes“ berichten von einer so strikten Rassentrennung, dass sogar höhergestellte nigerianische Ingenieure wichtige Anlagen wie den Serverraum nicht betreten durften. Mehrere Beschäftigte haben aufgrund rassistischer Diskriminierungen gekündigt. Auf eine Interviewanfrage dazu hat „StarTimes“ nicht reagiert. In einer Presseerklärung kurz nach der Kündigungswelle hatte das Unternehmen alle Anschuldigungen zurückgewiesen. „Zu keinem Zeitpunkt“ habe es Rassismus oder Spannungen zwischen den Mitarbeitenden gegeben, hieß es – und: Das Unternehmen sehe sich weiter verpflichtet „unsere Beschäftigten im Einklang mit unseren Grundwerten“ zu fördern und zu entwickeln.

Rassentrennung in chninesischen Unternehmen?

Nigerianische Medien haben Fotos veröffentlicht, die darauf hindeuten, dass es in chinesischen Unternehmen so etwas wie Rassentrennung gibt. Die Bilder stammen nach Medienangaben von einer Eisenbahnbaustelle der China Civil Engineering Construction Company. Zu sehen sind Schilder, die anzeigen, dass der Zugang zu bestimmten Räumen nach der Herkunft der Arbeiter geregelt ist. „Nigerianisches Personal“ heißt es auf manchen Türen, während andere die Aufschrift tragen: „Nur für Chinesen“. Eine solche Rassentrennung, Apartheid, prägte bis 1994 die Gesellschaft in Südafrika. „Man sollte annehmen, dass die Apartheid vor langer Zeit vom afrikanischen Kontinent verschwunden ist“, sagt Shola Adeboye. „Aber in Nigeria wird sie immer noch eifrig praktiziert.“  

Autor

Sam Olukoya

ist freier Journalist im nigerianischen Lagos.
Sogar der Anspruch auf Schutzkleidung ist eine Sache der Herkunft, wie Arbeiter berichten. In Firmen, in denen die Beschäftigten Gesundheits- oder Verletzungsrisiken ausgesetzt sind, erhalten die Nigerianer entweder keine oder qualitativ minderwertige Helme, Handschuhe und Augenschutz. Chinesen dagegen, die diesen Risiken in der Regel nicht direkt ausgesetzt sind, werden bestens mit Schutzkleidung ausstaffiert. „Für uns sei dieser Schutz zu teuer, haben sie gesagt“, erzählt der Stahlarbeiter Omoruyi Raymond. Der Mangel an Schutzkleidung oder ihre schlechte Qualität ist möglicherweise verantwortlich für eine Reihe von Arbeitsunfällen unter Nigerianern in chinesischen Fa­briken. Pro Monat geschehe mindestens ein schwerer Unfall, manchmal mit Todesfolge, sagen Arbeiter. Stephen Adesoji etwa verlor ein Auge durch einen Stahlsplitter. Trotz hohen Verletzungsrisikos bei seinem Job hatte er keinen Augenschutz erhalten.

Manchmal führe der allgegenwärtige Rassismus zum Streit zwischen nigerianischen Arbeitern und chinesischen Vorgesetzten, erklärt Omoruyi Raymond. Diese informierten dann ihre Chefs, die sich lediglich die Version der Chinesen anhörten und die Nigerianer verurteilten, ohne mit ihnen zu sprechen. „Es spielt keine Rolle, ob du im Recht bist. Sie hören nur auf ihre Landsleute und fangen an, dich zu beschimpfen“, sagt Raymond. „Chinesen wollen nicht, dass Schwarze sie kritisieren, wenn sie einen Fehler gemacht haben.“  

Wer widerspricht, fliegt

Es gibt zahlreiche Berichte von Nigerianern, die nach einem Streit mit einem Chinesen ihren Job verloren. So erging es auch Akeem Adeyemi, Verkaufsleiter bei CIG Motors Limited, der nigerianischen Niederlassung der Guanghzou Automobile Company. Nigerianische Zeitungen berichteten, dass er gekündigt wurde, weil er gegen rassistische Beschimpfungen des Geschäftsführers Chen Xuixia protestierte. Dieser wurde mit der Äußerung zitiert, Nigerianer seien „zu nichts nutze und deshalb sind die meisten meiner Angestellten hier Chinesen“. Adeyemi erklärte, das sei kein Einzelfall gewesen. Xuixia habe sich darin gefallen, sich bei ihm zu beschweren und ihm rassistische Kommentare zuzuraunen.

CIG antwortete nicht auf die Anfrage nach einem Interview, um die Vorwürfe zu verifizieren. Adeyemi hat das Unternehmen inzwischen vor dem nigerianischen Arbeitsgericht verklagt. Er sieht sein Recht auf Freiheit vor Diskriminierung verletzt und verlangt, dass seine Entlassung rückgängig gemacht wird. 

Nigeria befindet sich in einer wirtschaftlichen Krise, die Arbeitslosigkeit im bevölkerungsreichsten Land Afrikas nimmt zu. „Chinesische Unternehmen und Investitionen haben Zehntausende Jobs für Nigerianer geschaffen“, sagte der Botschafter der Volksrepublik, Zhou Pingjian, im vergangenen Jahr. Nigerianische Arbeiter sagen hingegen, die Chinesen profitierten von der hohen Arbeitslosigkeit, um sie als billige Arbeitskräfte unter harten Bedingungen auszubeuten und damit ihren Gewinn zu maximieren. Olawale Tunji aus der Keramikfabrik meint, die hohe Zahl der Arbeitslosen könnte auch den Rassismus unter den Chinesen angefacht haben – denn diese wüssten ja, dass viele Interessenten bereitstünden. „Bei manchen Fabriken übersteigt die Zahl derer, die vor den Toren auf Arbeit warten, die der Beschäftigten drinnen“, sagt er.

Es war leider nicht möglich, von der chinesischen Botschaft eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gegenüber den chinesischen Unternehmen zu erhalten. Die Telefonnummern auf ihrer Internetseite scheinen nicht zu funktionieren.  

Aus dem Englischen von Gesine Kauffmann.

Permalink

Es wird eh nichts gegen Rassismus in diesen Firmen unternommen. Alle berichten darüber, aber passieren wird eh nichts, da all unsere Präsidenten, die für solche anliegen verantwortlich sind, nichts dagegen machen.

Neuen Kommentar hinzufügen

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
CAPTCHA
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das LKW aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
erschienen in Ausgabe 3 / 2019: Rassismus
Dies ist keine Paywall.
Aber Geld brauchen wir schon:
Unseren Journalismus, der vernachlässigte Themen und Sichtweisen aus dem globalen Süden aufgreift, gibt es nicht für lau. Wir brauchen dafür Ihre Unterstützung – schon 3 Euro im Monat helfen!
Ja, ich unterstütze die Arbeit von welt-sichten mit einem freiwilligen Beitrag.
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!