(22.4.2013) Klimaschutz hat auch in Deutschland zurzeit keine Konjunktur. Der jüngste Beleg dafür ist der Beschluss des Europäischen Parlaments, den Verfall der Preise für Emissionsrechte in der Europäischen Union (EU) vorerst hinzunehmen. Das beschädigt mit dem Emissionshandel das wichtigste Instrument des Klimaschutzes in der EU – und Angela Merkel hat schweigend zugesehen, wie Europa-Abgeordnete ihrer eigenen Partei dazu beigetragen haben. Schwere Zeiten also für Umweltverbände, Entwicklungsorganisationen oder Kirchen, die den Klimaschutz voranbringen wollen. Manche dort hoffen insgeheim auf eine neue Regierung im Herbst – ohne die FDP, die beim Umweltschutz bremst.
Doch vielleicht ist gerade Anfang 2014 ein Bündnis der klimapolitisch engagierten Verbände eingestellt worden: die Klima-Allianz Deutschland. Sie wurde 2007 gegründet, um mit öffentlichem Druck und breitem gesellschaftlichem Rückhalt Blockaden in der Klimapolitik zu überwinden. Zu den gut 110 Mitgliedern gehören große Umweltverbände und Entwicklungswerke – darunter Brot für die Welt und Misereor –, evangelische Landeskirchen und katholische Fachverbände – etwa die Arbeitnehmerbewegung –, die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IGBAU), ein Verband von „grünen“ Unternehmern sowie zahlreiche kleine, teils lokale Initiativen und Vereine. Die Allianz war zunächst auf zwei Jahre angelegt und wurde 2009 bis Ende 2013 verlängert.
Unstrittiger Erfolg: Die Kampagne gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke
Anfang Juni müssen die Mitglieder entscheiden, ob sie fortgeführt wird, wie es der achtköpfige SprecherInnenrat empfohlen hat. Einige Entwicklungsorganisationen, etwa Brot für die Welt und Germanwatch, setzen sich dafür ein. Naturschutzverbände aber zweifeln; der NABU und der BUND wollen aussteigen, weitere überlegen das. Geld ist nicht das Hauptproblem, die Struktur ist schlank und preiswert: Die Allianz hat keinen eigenen Rechtsstatus, sondern ist dem Deutschen Naturschutzring DNR angegliedert, und sie wird aus Mitgliedsbeiträgen finanziert, die je nach Organisation einige hundert bis etwa zehntausend Euro jährlich betragen. Doch nicht alle Mitglieder sind überzeugt, dass sie das richtige Instrument ist, um klimapolitisch wieder in die Offensive zu kommen.
Das liegt zum Teil an unterschiedlichen Ansichten über die Erfolge der Klima-Allianz. Einige halten die Wirkung in die Öffentlichkeit und die Politik für zu gering. Zwar war die Kampagne gegen den Bau neuer Steinkohlekraftwerke unstrittig ein großer Erfolg. Laut Carsten Wachholz vom NABU wurde sie allerdings aus Mitteln der Stiftung European Climate Foundation (ECF) bezahlt – das Budget der Allianz ist zu schmal – und wäre wohl auch ohne die Klima-Allianz zustande gekommen. Zudem sind neue Kohlekraftwerke heute ohnehin unrentabel. Viele Umweltverbände halten es deshalb für nötig, jetzt heikle Themen anzugehen wie die Stilllegung bestehender Braunkohlekraftwerke sowie Klimaschäden aus Verkehr und Landwirtschaft. Klare gemeinsame Positionen dazu sind in der Klima-Allianz aber nicht leicht zu erreichen. So scheint in den Umweltverbänden eine gewisse Frustration entstanden, dass lange Debatten mit verschiedensten großen und kleinen Gruppen bestenfalls Minimalkonsense ergeben.
Außer der IGBAU konnte keine Gewerkschaft als Mitglied gewonnen werden
Gerade diese Debatten aber gelten in Kirchen und Entwicklungsorganisationen als wichtig, um mehr Akzeptanz für Klimaschutz zu schaffen, wo der etwas kostet. So erklärt Klaus Breyer, der für die Evangelische Landeskirche Westfalen im Sprecherrat der Klima-Allianz sitzt, dass diese stark zum Aufbau von klimapolitischer Kompetenz in den Kirchen beigetragen habe. Es gehe jedoch nicht nur um Ökologie, sondern auch um Gerechtigkeit etwa bei der Verteilung von Kosten und Gewinnen der Energiewende. Wenn Umweltverbände gemeinsam mit Kirchen, Gewerkschaften, Verbraucherinitiativen und anderen aufträten, stärke dies das politische Gewicht des Klimaschutzes. Die Klima-Allianz hat denn auch eine Initiative unter Schirmherrschaft des früheren Umweltministers Klaus Töpfer angestoßen, die die Parteien zum Dialog über die soziale Gestaltung der Energiewende auffordert. Auch Sozial- und Verbraucherschutzverbände beteiligen sich daran.
Die Wirkung in die evangelischen Kirchen werten auch Umweltverbände als wichtigen Erfolg. Schon bei der katholischen Kirche war das schwieriger, weil hier nicht Synoden in Vertretung des Kirchenvolks über die Haltung der Leitung entscheiden, sondern die Bischöfe; bisher unterstützen die Vertretungen der Laien in mehreren Bistümern die Allianz, aber keine katholische Diözese selbst. Außer der IGBAU, die schon im Gespräch mit Umweltgruppen war, ist auch keine Gewerkschaft beigetreten. Daher beurteilen Umweltverbände auch die Innenwirkung der Allianz skeptisch. Sie stimmen zwar zu, dass breite Bündnisse nötig sind, möchten die aber künftig lieber themenbezogen und flexibel schließen – mit verschiedenen Partnern etwa zu Verkehr, Braunkohle oder Landwirtschaft. Das würde wohl speziell Kirchen außen vor lassen.
Künftig bräuchte die Klima-Allianz auch eine neue institutionelle Anbindung
Einige in der Allianz vermuten, große Umweltverbände wollten öffentlichkeitswirksame Auftritte lieber unter eigenem Logo machen. Ob das nun stimmt oder nicht: Es verweist darauf, dass der Disput auch in der Natur der beteiligten Organisationen begründet ist. Große Umweltverbände werden von Mitgliedern getragen, damit sie klare Umweltschutz-Forderungen erheben. Klimafragen gehören zu ihrer Kernkompetenz, und sie leben davon, dass sie öffentlich auftreten und mobilisieren können. Davon profitieren Mitglieder der Klima-Allianz aus anderen Arbeitsfeldern, die sich kaum mit Details etwa der Energie- oder Verkehrspolitik befassen können. Sie bringen umgekehrt Sachkunde in Entwicklungs- oder Sozialpolitik ein, doch damit – vor allem der letzteren – befassen sich Klimaschützer bisher wenig. Zudem müssen gerade Kirchen beachten, dass ihnen Christen mit sehr verschiedenen Ansichten angehören. Sie können nicht in der Klimapolitik vorpreschen, ohne intern eine breite Verständigung anzustreben. Abgeschwächt gilt das auch etwa für Gewerkschaften, deren Mitglieder in Umweltfragen nicht unbedingt einig sind.
Unterschiedliche Ansätze sind daher in gewissem Maße unvermeidlich. Die Frage ist, inwieweit sie sich ergänzen können: Schaffen es Klima-Bewegte verschiedener Provenienz, gemeinsam zu brennenden Fragen klar Stellung zu nehmen und gleichzeitig in neuen Kreisen Akzeptanz und damit Einfluss zu gewinnen (wovon dann auch Umweltverbände profitieren)? Ob dafür die Klima-Allianz nötig und sinnvoll ist, obwohl die großen Umweltverbände aussteigen, müssen die Mitglieder Anfang Juni beantworten. Wenn sie die Allianz fortführen, müssen sie auch eine neue institutionelle Anbindung finden; der DNR kann sie nicht mehr unter sein Dach nehmen, wenn dessen große Mitglieder aussteigen. Was immer die Mitglieder der Allianz entscheiden: Die Aufgabe, stets neu die Balance zu finden zwischen Zuspitzung und der Suche nach mehr Akzeptanz, wird sie wie alle sozialen Bewegungen weiter begleiten.
Fantastische Ziele
Was Sie "Brüchiges Bündnis" nennen, ist die Beschreibung vom Verblassen eines unerreichbaren Zieles. Das wird anscheinend immer mehr Beteiligten klar. Mich wundert stets aufs Neue die Beharrlichkeit mit der behauptet und unterstellt wird, die Bewohner des Planeten hätten Instrumente zur Veränderung des Klimas. Hier ist weder Raum noch Zeit, intensiv auf die Gründe für das Scheitern einer "Klimapolitik" einzugehen. Deshalb müssen Stichworte reichen um Anregungen für substanzielle Überlegungen zu geben. Die Menschheit ist schon nicht in der Lage, das regionale Wetter zu beeinflussen. Dieses ist ein winziger Bruchteil des globalen Klimageschehens. Das globale Wettergeschehen wird wesentlich von den riesigen Wassermassen der Weltmeere gelenkt und es ist schlichtweg lächerlich mit den Möglichketen des Homo sapiens hier wirksam einzugreifen. Wie unübersehbar ist, werden die Wassermassen der Meere von der Sonne mehr oder weniger erwärmt und es sollte jedem vernünftig denkenden Menschen einleuchten, mit der Einsparung von fossiler Energie wird die Erwärmung der Meere nicht abnehmen. Nimmt man sich die Worthülse "Klima-Allianz" vor kann man nur konstatieren, ein Erfolg der Allianz würde sog. Klimagase auch nur in Deutschland vermindern. Und was dann? Ist nicht schon längst offensichtlich, welchen Anteil die Wachstumsregionen in China, Indien, Brasilien usf. an den steigenden Verbrauch von fossiler Energie haben? Stichwort Wirtschaftswachstum: In keinem Land der Welt ist Wohlstandsmehrung ohne Wirtschaftswachstum möglich und dieses nicht ohne fossile Energie. Will wirklich jemand auf den Wohlstandsinseln Europas ernsthaft vorschlagen, die nach materiellem Wohlstand strebenden Völker sollen auf das verzichten, was es bei uns schon Jahrzehnte gibt? Politik aus Deutschland würde zur Lachnummer und in diesem Flohzirkus wird gerade vorgeführt, welche Folgen Politik ohne Sachverstand hat. Haushaltsstrom wird sprunghaft teurer, damit industrielle Großverbraucher die höheren Energiekosten nicht auf die Preise abwälzen. Klimapolitik ist Politik und die muss nicht zwingend rational sein, vermutlich würde das die Kreise nur stören. Die Klima-Bewegten mögen Menschenketten formen, Wunderkerzen abbrennen und allerlei Allianzen bilden. Sie folgen nur den Rattenfängern der Politik mit Medienmacht zu den periodisch auftretenden Wahlurnen. Entschieden wird woanders. Sie können mit ihrem emotionalen Engagement die gesetzmäßigen Abläufe in Wirtschaft und Natur nicht beeinflussen. Bündnisse ohne erreichbare Ziele sind Verschwendung von Ressourcen und Zeit.
Genüsslicher Fatalismus
Lieber Herr Lohmann, Ihr Kommentar reißt eine lange Liste von Fragen an, doch wenigstens auf zwei Behauptungen möchte ich etwas erwidern. Zum ersten wundert mich die Ansicht sehr, der Mensch könne das Klima gar nicht beeinflussen. Sie scheinen zu behaupten, dass es den Treibhauseffekt und den von Menschen gemachten Klimawandel gar nicht geben kann. Das widerspricht der Ansicht praktisch aller Fachleute. Dass die Konzentration der Treibhausgase Einfluss auf die Erwärmung der Meere hat, ist kaum zu bestreiten; was Sie zu der gegenteiligen Behauptung veranlasst, verstehe ich einfach nicht. Zum zweiten behaupten Sie, Klimaschutz sei nicht erreichbar, weil niemand auf Wachstum verzichten will. Hier ist möglich, dass Sie Recht haben. Nur scheint mir, Sie genießen geradezu diese Einsicht: Man könne (und müsse) nichts tun und die Idealisten, die sich für die Abwendung der Katastrophe (die es für Sie vielleicht gar nicht gibt?) einsetzen, gingen bloß "Rattenfängern" auf den Leim. Wer für ernsten Klimaschutz ist, ist danach naiv und ein bisshen dumm - kluge Leute lehnen sich zurück und freuen sich, dass sie schon immer um die Unausweichlichkeit des Klimageschehens wussten. Ich gestehe, dass ich die Chancen auf wirksamen Klimaschutz, zumal global, auch skeptisch sehe. Aber widerlegen kann man die Skepsis nur praktisch: Klimaschutz-Maßnahmen durchsetzen. Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, finde ich in diesem Punkt Ihre Art von resignierter Klugheit nicht so reizvoll und riskiere lieber, auf manche naiv zu wirken.
Purer Realismus
Lieber Herr Ludermann, Ihre Antwort vom 8.Mai ist mir entgangen und ich bitte mir nachzusehen, dass ich erst jetzt darauf zurückkomme. Sie irren sich, wenn Sie mir genüsslichen Fatalismus unterstellen. Ich leide, wenn Zeit und Ressourcen verschwendet werden. Wir gehen bei unserem Gedankenaustausch von sehr unterschiedlichem Kenntnisstand aus und haben weit auseinanderliegende Vorstellungen davon, was die Menschheit als ganzes leisten kann. Es ist leider unvermeidlich, bei unseren unterschiedlichen Ansätzen zu krass divergierenden Ergebnissen zu kommen. Aber nehmen Sie mal an, die folgenden Zahlen stimmen (Zitiert aus Dieter Walch/Wolken+Wetter)
"Alle drei Minuten schickt die Sonne den Weltstrombedarf eines Jahres zur Erde. 35% davon werden von der Lufthülle absorbiert, der Rest erreicht den Boden, der davon einen Teil wieder abstrahlt. Täte er das nicht, würde sich die Erdoberfläche pro Tag um 245°C aufheizen"
Wenn Walch richtig liegt, dann bestimmt die Sonne das Erdenklima und nicht die 400ppm CO2. Nun zu den Fachleuten. Wir wir alle wissen, ist nicht automatisch richtig, was unisono verlautbart wird. Dazu ein Beispiel aus der Lebenswirklichkeit. Rund 300 Jahre wurde die Menschheit durch die Pest geplagt und dezimiert. Damals war Konsens, die Pest wäre eine Strafe Gottes und die Päpste dieser Epochen riefen zu weltweiten Gebeten auf (Freiherr von Pastor/Geschichte der Päpste). Und siehe da, nach ein paar Wochen erkrankte kaum noch jemand und die Überlebenden wurden wieder gesund. Was beweist das? Das Gesundbeten hilft?
Stellen Sie sich mal vor, Sie lebten in einer vom Hochwasser gefährdeten Zone. Sie wären ganz sicher, die regelmässigen Jahrhunderthochwasser wären auf die von Menschen verursachten Klimagase zurückzuführen. Und dann würden Sie zur Abwendung zukünftiger Gefahren jede mögliche CO2-Emission vermeiden. Das wäre doch naiv. Auf Klimaschutzmassnahmen in Deutschland setzen ist naiv. Dazu ein Zitat aus dem STERN-Interview Lomborg/Welzer vom 2.Mai 2013.
"Die kostspieligen CO2-Einsparungen der vergangenen 20 Jahre machen nicht einmal wett, was China in einem Monat in die Atmosphäre pustet (Lomborg)"
Jetzt sage ich Ihnen nochmal, was "wir" tun müssen. Die Menschheit muss sich jetzt um die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels kümmern. Das heisst, Menschen umsiedeln, Dämme bauen, neue Agrarflächen erschliessen. Mit energiesparenden Autos und Geräten ist nichts gewonnen. Kluge Leute bauen schon jetzt keine Sperrholzhäuser in Tornado-Alleen und gehen auch nicht mehr in Häuser in New Orleans, die 8 Meter unter dem Meeresspiegel liegen, solang dort nicht die Dämme befestigt und erhöht werden. Zur Resignation sehe ich keinen Grund, ausser wenn es mir nicht gelänge, Sie in kleinen Schritten vom Wünschbaren zum Machbaren zu begleiten.
Kurzschluss
Lieber Herr Lohmann,
wie gesagt - viele Ihrer Argumente kann ich teilen. Nur zwei Entgegnungen: Erstens ist mir Ihr Argument mit der Sonnenstrahlung einfach unbegreiflich. Niemand bezweifelt, dass die Erde von der Sonne erwärmt wird. Wie viel Wärme wieder ins All zurückgestrahlt wird, hängt aber wesentlich von der Konzentration der Treibhausgase ab. Das widerspricht nicht der entscheidenden Rolle der Sonne und soweit ich weiß, bestreiten nicht einmal Klimaskeptiker diesen Sachverhalt. Sie gehen doch auch davon aus, dass der Klimawandel im Gang ist - sonst müsste man sich ja nicht auf die Folgen vorbereiten. Deshalb verstehe ich einfach nicht, was Sie meinen, wenn Sie gleichzeitig behaupten, auf die CO2-Konzentration komme es nicht an. Zweitens bildet sich kein Befürworter des Klimaschutzes ein, man könne das Problem mit Einsparungen in Deutschland (oder irgendeinem Land) allein lösen. Die Frage ist, ob und wie man einen Prozess in Gang setzen kann, der zu globalen Grenzen führt. Dazu muss jemand anfangen. Dass dies gelingt, scheint auch mir inzwischen unwahrscheinlich. Anders als Sie plädiere ich aber dafür, es trotzdem zu versuchen.
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