Heikler Einsatz bei Ausschaffungsflügen

Nach dem Tod eines nigerianischen Ausschaffungshäftlings im Frühling 2010 überwacht seit Mitte des Jahres der Schweizerische Evangelische Kirchenbund die umstrittenen Ausschaffungsflüge der Schweiz. Dafür wird er als Komplize der Behörden kritisiert. Sein Mandat will er nicht weiterführen.

Joseph N. Chiakwa war der dritte abgewiesene Asylbewerber, der bei der Abschiebung aus der Schweiz in seine Heimat ums Leben kam. Nach seinem Tod setzte das zuständige Bundesamt für Migration (BFM) Ausschaffungsflüge nach Nigeria zeitweilig aus. Menschenrechtsorganisationen forderten einmal mehr unabhängige Begleiter. Seit Januar 2011 ist ihr Einsatz in einer neuen Rückführungsrichtlinie der Europäischen Union (EU) vorgeschrieben.

Autorin

Rebecca Vermot

ist Redakteurin bei der Schweizerischen Depeschenagentur sda und ständige Korrespondentin von "welt-sichten".

Die Schweiz hatte Mühe, unabhängige Beobachter zu finden – erst recht, nachdem das Schweizerische Rote Kreuz aus Furcht vor einem Imageschaden abgewinkt hatte. Deshalb wurde das Beobachtermandat Ende vergangenen Jahres öffentlich ausgeschrieben und schließlich – trotz 200 Bewerbungen – an den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) herangetragen. Allerdings überwachen keine Kirchenvertreter die umstrittenen Flüge, sondern Personen aus Politik, Justiz und Strafverfolgung. Der Kirchenbund erarbeitet bis zum Ende des Jahres zusammen mit der Schweizer Flüchtlingshilfe, den Migrationsbehörden der Kantone, den Polizeikommandanten der Schweiz und dem BFM Leitlinien für das Monitoring.

Legitimiert die Kirche durch ihr Mittun die Ausschaffungen?

Das Engagement löste nicht nur bei Menschenrechts- und Asylorganisationen Kritik aus, sondern auch in der Kirche. Der Zürcher Theologieprofessor Pierre Bühler etwa wirft dem Kirchenbund vor, das Dilemma zu verschweigen, in das er sich manövriert hat. Seine Partnerorganisation, die Flüchtlingshilfe, habe deutlich gemacht, dass das Mandat zur Überwachung der Flüge keine Zustimmung zu einzelnen Ausschaffungen oder zum Gewalteinsatz bedeutet. Der Kirchenbund hingegen tue so, als ob das Dilemma nicht existiere. In einem Gastbeitrag in der „Reformierten Presse“ fragt sich Bühler, ob der SEK sich überlegt habe, dass er hätte ablehnen können – um nicht die Zwangsausschaffungen durch sein Mittun zu legitimieren.

Angesichts der Kontroverse um das umstrittene Mandat hat der Kirchenbund eine Webseite eingerichtet. Dort heißt es unter anderem, der SEK setze sich für die auszuschaffenden Menschen ein und nicht für das Ausschaffungsrecht. Über das Für und Wider der Ausschaffung könnten die Meinungen weit auseinandergehen. Aber es dürfe keine Meinungsunterschiede darüber geben, „dass die Ausschaffungspraxis den Grundsätzen der Humanität ohne Wenn und Aber genügen muss“. Laut SEK-Sprecher Simon Weber geht es bis zum Ende des Jahres „noch darum, einen Weg zu finden, wie das Fachgremium und das völkerrechtliche Vollzugsmonitoring ohne den Kirchenbund weiter funktionieren können“. Das Mandat sei befristet und werde nicht weitergeführt.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2011: Bodenschätze: Reiche Minen, arme Länder
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