Kritik an neuer Initiative für nachhaltigen Kaffee

Ein indonesischer Kaffeebauer pflückt Kaffeebohnen.
picture alliance / Sipa USA/Dimas Rachmatsyah
Ein Kaffeebauer pflückt Putang-Kaffeebohnen auf dem Berg Puntang, in Westjava, Indonesien. Die meisten Kaffeebauern können von ihrem Einkommen nicht leben, eine Initiative soll jetzt das Kaffeegeschäft in der Schweiz umwelt- und sozialverträglicher machen.
Schweiz
Eine Initiative von Staat, Industrieverbänden und Entwicklungsorganisationen will das Kaffeegeschäft in der Schweiz umwelt- und sozialverträglicher machen. Freiwilliges Engagement der Firmen reicht aber nicht, sagen Kritiker.

Die Schweiz ist der größte Kaffeehandelsplatz der Welt; auf hier ansässige Firmen entfällt die Hälfte des weltweiten Handels mit Rohkaffee. Damit trägt die Schweiz Verantwortung dafür, gegen weit verbreitete Missstände vorzugehen: Achtzig Prozent des Kaffees weltweit wird von Kleinbauern angebaut, ihr Einkommen reicht oft kaum zum Leben, auf vielen Plantagen arbeiten Kinder.

Eine neue Initiative soll das Schweizer Kaffeegeschäft nun umwelt- und sozialverträglicher machen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) hat Anfang Juni in Zusammenarbeit mit Industrieverbänden, Hilfsorganisationen und Vertretern der Wissenschaft die Swiss Sustainable Coffee Platform (SSCP) initiiert mit dem Ziel, Kaffeeproduzenten mit Sitz in der Schweiz zur Einhaltung von Menschenrechten und mehr Nachhaltigkeit zu verpflichten

Gelingen soll dies soll etwa über den Wissensaustausch zwischen Produzenten und Schweizer Hilfsorganisationen oder über Projekte zur Förderung einer umwelt- und sozialverträglichen Produktion, die teilweise vom SECO finanziert werden. „Wir sind überzeugt, mit dieser Plattform das richtige Instrument geschaffen zu haben, um unsere gemeinsame Verantwortung wahrzunehmen“, wird Nicolas A. Tamari, Präsident der SSCP, in der Medienmitteilung des SECOs zitiert. 

"Rechtlich unverbindliche Quasselbude"

Kritiker jedoch äußern erhebliche Zweifel daran, dass das Schweizer Kaffeegeschäft damit nachhaltiger wird. Die Organisation Public Eye bezeichnete die Plattform in einer Mitteilung als „rechtlich unverbindliche Quasselbude“, die auf freiwilliges Engagement der Firmen setze statt auf strengere Gesetze. Zudem gelte die freiwillige Selbstverpflichtung nur für jene Kaffeeprodukte, die in die Schweiz importiert würden; diese machten jedoch nur einen Bruchteil des über die Schweiz abgewickelten globalen Kaffeehandels aus. 

„Die Firmen bekennen sich zwar zu mehr Nachhaltigkeit, aber es fehlt an Verbindlichkeit, ohne Berichterstattungspflicht“, sagt Carla Hoinkes von Public Eye. Die Erfahrung zeige, dass solche freiwilligen Bekenntnisse selten zu grundlegenden Veränderungen führen. So zeigt ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Public Eye, dass Nestlé zwar erklärt habe, seinen Kaffee bis 2025 hundert Prozent „verantwortungsvoll“ produzierten Kaffee zu verkaufen.

Doch Recherchen in zwei Anbauländern ergaben, dass sich an den Arbeitsbedingungen der Kaffeebauern, die für Nescafé Kaffee anbauen, kaum etwas geändert hat. Zudem stütze sich Nestlé bei der Definition von „verantwortungsvoll“ auf einen Branchenstandard, den die Firma selbst mitentwickelt habe. Dieser stelle nur geringe Anforderungen, die kaum über die Einhaltung von ohnehin geltenden Vorschriften in den Produktionsländern hinausgehe. 

Es braucht strengere Gesetze

Um Verbesserungen zu erreichen, führe kein Weg an strengeren Gesetzen vorbei, sagt Hoinkes. Eine Initiative, die den Austausch etwa zwischen Industrie und Umwelt- und Entwicklungsorganisationen fördere, sei nicht per se schlecht. Sie müsse aber von Gesetzesänderungen begleitet werden. „Doch hier geht es offenbar darum das eine zu tun, um das andere nicht machen zu müssen.“

Esther Haldimann von der Schweizer Hilfsorganisation Helvetas, einem der zivilgesellschaftlichen Partner der SSCP, kann die Kritik von Public Eye teilweise nachvollziehen. „Natürlich braucht es strengere staatliche Regulierungen“, sagt sie. „Aber so oder so sollte man trotzdem auch auf Freiwilligkeit bauen, das schließt sich nicht aus.“ Es gehe bei der Plattform darum, zunächst alle ins Boot zu holen und einen gemeinsamen Nenner zu finden, um danach die Ambitionen gemeinsam zu erhöhen. Da manche Firmen bereits weiter seien in Sachen Nachhaltigkeit als andere, könne eine Plattform wie die SSCP den Anreiz verstärken, sich zu verbessern.

EU-Lieferkettengesetz gilt nur bedingt in der Schweiz

Im Gegensatz zur Schweiz geht die EU zunehmend dazu über, Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten sowie zum Umwelt- und Klimaschutz im internationalen Handel zu verpflichten. Eine neue Verordnung etwa legt fest, dass bestimmte Produkte, darunter Kaffee, für deren Herstellung Regenwald abgeholzt wurde, nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfen. Zudem gilt das im Mai beschlossene EU-Lieferkettengesetz auch für einige Großunternehmen mit Sitz im Ausland, darunter auch Kaffeehändler in der Schweiz. Faktisch aber könnten sie in der Schweiz für Verstöße gegen die EU-Verordnung nicht belangt werden, sagt Hoinkes, weil nach Schweizer Rechtslage es nicht möglich ist, Firmen für Verstöße im Ausland zu verklagen. 

Hoinkes’ hofft deswegen auf einen raschen und vollständigen Nachvollzug der EU-Regulierung in der Schweiz. Die heute geltenden Berichterstattungspflichten, die nach der Ablehnung der Konzernverantwortungsinitiative 2020 eingeführt wurden, werden weitum als zahnlos kritisiert. Eine Verschärfung, auf die viele zivilgesellschaftliche Organisationen in der Schweiz nach der Verabschiedung des EU-Lieferkettengesetzes drängen, sei ein zentraler erster Schritt, um auch das Kaffeegeschäft umwelt- und sozialverträglicher zu machen, sagt Hoinkes.

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