Die neue Afrika-Strategie der Schweiz für die Jahre 2025 bis 2028 umfasst das erste Mal den ganzen Kontinent. Bisher gab es eine Subsahara-Strategie – während Nordafrika in der MENA-Strategie abgedeckt war. Bei der Umsetzung der letzten Subsahara-Afrika-Strategie habe man festgestellt, dass Subsahara-Afrika nicht ohne Nordafrika gedacht werden könne, heißt es in der Einleitung der Strategie.
„In Afrika gibt es eine große politische Bewegung, als Einheit aufzutreten“, sagt Ueli Staeger, Assistenzprofessor für Internationale Beziehungen an der Universität Amsterdam. Die Kategorie „Subsahara-Afrika“ habe ihren Ursprung im Kolonialismus und sei auf dem Kontinent heute nicht mehr erwünscht. Mit ihrer neuen Strategie wolle die Schweiz zeigen, dass man diese Entwicklung anerkenne und darauf eingehe. Bis jetzt gehörte die Schweiz zu den wenigen Ländern, die die Kategorie Subsahara-Afrika überhaupt noch verwenden, sagt Staeger, der im Rahmen seiner Forschung rund zwanzig Afrika-Strategien verschiedener Länder untersucht hat. „Die Schweiz will zeigen, dass sie mit der Zeit geht.“ Geographisch übernimmt die Strategie nun die Einteilung der Afrikanischen Union: In Nord-, West-, Zentral- und Ostafrika und südliches Afrika.
Inhaltlich folgt die Afrikastrategie den vier Schwerpunkten der Außenpolitischen Strategie der Schweiz: Frieden und Sicherheit, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt, Demokratie und Gouvernanz. Für die praktische Zusammenarbeit mit Afrika folgen daraus Fragen wie: Wie reagiert die Schweiz, wenn es in einem Land zu einem Putsch kommt? Streicht sie Entwicklungshilfe, um Druck auf die neuen Machthaber auszuüben? „Der Umgang der Schweiz mit Umstürzen ist pragmatisch“, sagt Staeger. Entwicklungshilfe werde in der Regel auch nach einem Machtwechsel weitergeführt – die Schweiz versuche, auch in schwierigen politischen Situationen so lange wie möglich vor Ort zu bleiben.
Unparteiische humanitäre Hilfe
„Die Humanitäre Hilfe stellt einen zentralen und bewährten Pfeiler der Schweizer Aktivitäten in Afrika dar“, heißt es in der Strategie. „Das Schweizerische Korps für humanitäre Hilfe (SKH) verdeutlicht dies durch unparteiische Hilfe für die Opfer von Konflikten und Katastrophen.“ Laut Staeger folgt die Schweiz damit dem Grundsatz, dass man Staaten anerkenne, nicht einzelne Regierungen.
Das liege einerseits daran, dass die Entwicklungshilfe der Schweiz im Vergleich etwa zu der der EU zu klein sei, um sie als politischen Hebel zu nutzen. Gleichzeitig wolle man sich mit damit bewusst von der EU unterscheiden und als anderer, pragmatischerer Akteur auftreten. In der Strategie wird die Schweizer Unparteilichkeit auch in der Friedensförderung betont. Nicht zuletzt hebt sich die Schweiz dadurch ab, dass sie in Afrika kaum mit der Kolonialgeschichte in Verbindung gebracht wird.
Während die Strategie geografisch nun den ganzen Kontinent umfasst, hätte sie auch inhaltlich ganzheitlicher sein können, moniert Staeger. Beim Thema Migration etwa betone die Strategie zwar richtig, dass man die Ursachen angehen müsse. Doch eigentlich müsste man auch die Migration in der Schweiz einbeziehen und hätte die afrikanische Diaspora an der Erarbeitung der Strategie beteiligen und Themen wie Rückzahlungen aus der Diaspora in die Heimatländer berücksichtigen können. In Estland etwa arbeite die Afrikanische Union mit einer Cryptobank zusammen, um Rückzahlungen zu erleichtern.
Die Migrationspolitik steht im Widerspruch zur Afrikapolitik
Beat Gerber von Amnesty Schweiz kritisiert, dass die Schweizer Migrationspolitik, die wie in Europa insgesamt weitgehend auf Abschottung ziele, zunehmend im Widerspruch zu den außenpolitischen Zielen der Schweiz auf dem Kontinent stehe. „Um die Rückschaffung von abgewiesenen Asylbewerbern voranzutreiben, ist man immer mehr bereit, mit repressiven Regierungen zusammenzuarbeiten.“ Der Graben zwischen den innenpolitischen Forderungen nach konsequenter Rückführung und dem außenpolitischen Ziel der Förderung von Frieden, Demokratie oder guter Regierungsführung werde zunehmend größer.
„Grundsätzlich ist die Strategie stark von wirtschaftlichen Eigeninteressen geprägt, ohne dass die Rolle der Schweiz hinterfragt wird“, sagt Stefan Gribi von der Caritas. Zum Beispiel im Rohstoffbereich: Als wichtigster Rohstoffhandelsplatz weltweit könne die Schweiz auf die Bedingungen des Abbaus entscheidend einwirken, so Gribi. „Die Schweiz verzichtet aber auch in dieser Afrika-Strategie auf ein klares Bekenntnis, den Rohstoffhandel transparenter zu gestalten und besser zu regeln.“ So trage sie dazu bei, dass Probleme wie Korruption, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden ungelöst blieben.
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