Alte Inhalte, neuer Ton

picture alliance / photothek/Ute Grabowsky
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (rechts) stellt zusammen mit Ahunna Esiakonwa, Afrikadirektorin des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, die neue Afrikastrategie vor.
Afrikastrategie
Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat vor kurzem eine neue Afrikastrategie ihres Hauses vorgestellt. Weniger Paternalismus, mehr Fairness, lautet das Motto. Vor allem Frauen sollen stärker zum Zug kommen.

Fast zur selben Zeit, als Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) Ende Januar in Berlin ihre neue Afrikastrategie vorlegt, touren die Außenminister von China und Russland durch den Kontinent, und aus Washington ist die US-Finanzministerin angereist. Einige afrikanische Staatschefs hatten kurz zuvor in Washington Abmachungen über die Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie Kobalt getroffen. 

Auch Schulze betont bei der Vorstellung ihrer neuen Strategie die Bedeutung von Kobalt für die deutsche Energiewende. Das 33 Seiten lange Papier erkennt an, dass große Wirtschaftsmächte um Einfluss und Märkte auf dem geopolitisch immer wichtigeren Kontinent konkurrieren. „Afrika wird das 21. Jahrhundert prägen“, heißt es in der Strategie. Doch die deutsche Politik habe einen anderen Anspruch, als bloß Rohstoffe einzukaufen, betont Schulze: „Wir setzen uns gemeinsam für faire Löhne und bessere Bedingungen ein.“ Im 2017 vorgestellten Marshallplan mit Afrika hieß es noch, Deutschland wolle afrikanische Länder vor allem dabei unterstützen, ihr Investitionsklima zu verbessern – natürlich auch zugunsten deutscher Unternehmen. Schulze betont nun stärker den Aspekt der sozialen Gerechtigkeit.

Ein Schwerpunkt der Strategie befasst sich mit Arbeit und Beschäftigung. 25 Millionen Jobs brauche Afrika jährlich für seine jungen Menschen, hob Schulze hervor. Die Strategie tritt zudem für mehr reguläre Arbeitsmigration aus Afrika nach Europa ein Demnach sollen Beratungszentren in afrikanischen Partnerländern zu Zentren für Migration und Entwicklung weiterentwickelt werden. Außer um Möglichkeiten regulärer Arbeitsmigration geht es um regionale Mobilität innerhalb Afrikas, um Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration sowie um eine bessere Verzahnung mit beruflicher Bildung. Weitere Schwerpunkte der Strategie sind Gesundheit, Geschlechtergerechtigkeit, Rechtstaatlichkeit sowie Frieden und Sicherheit.

Das UNDP findet die Strategie „ungewohnt inspirierend“

Inhaltlich ähnelt die neue Strategie bisherigen Konzepten, sie unterscheidet sich aber von diesen in Gewichtung und Ton. Es ist die Absicht erkennbar, sich von manch paternalistischen Anmutungen der Vergangenheit zu distanzieren. So wünscht Schulze sich im Zeichen von Respekt auch einen künftig offeneren Dialog zur Frage: „Wieviel Kolonialismus wird noch empfunden?“

Die Afrikadirektorin des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, Ahunna Esiakonwa, würdigte die Strategie als „ungewohnt inspirierend“; sie erkenne den Wunsch nach einer gemeinsamen Reise in gegenseitiger Achtung, sagte sie in Berlin. Das Konzept sei ein Beitrag, koloniales Erbe abzuschütteln und Afrika als selbstbewussten Ort der Stärke, Weisheit und von Lösungen anzuerkennen. Esiakonwa setzt darauf, dass Deutschland stärker dafür eintritt, dass die Stimme des Kontinents gehört werde. Chido Mpemba, Jugendbotschafterin der Afrikanischen Union, begrüßte den hohen Stellenwert von Jugend und Zivilgesellschaft in der Strategie.

Die deutsche Zivilgesellschaft hatte dagegen schon vor der Veröffentlichung beklagt, dass sie nur marginal konsultiert worden sei. Die Strategie wäre sonst mutiger ausgefallen, mutmaßt Imke Tiemann-Middleton von Brot für die Welt. Doch sie begrüßt den feministischen Ansatz und das Plädoyer, den Beitrag von Frauen in Entscheidungen ernster zu nehmen sowie ungleiche Machtstrukturen offener zu benennen, zu bekämpfen und in der Zusammenarbeit zu überwinden. Zugleich kritisieren Brot für die Welt und das katholische Hilfswerk Misereor, praktische Fragen kämen zu kurz. So wolle die Bundesregierung in Afrika Partner für die Herstellung von Wasserstoff für die Energieversorgung gewinnen. Offen bleibe aber, wie sichergestellt werden soll, dass die lokale Bevölkerung von dem Boom profitiert.

Investitionsfreundlichkeit steht künftig nicht mehr im Vordergrund

Mit Blick auf die Praxis verwies Schulze darauf, man werde neue Wege bei den Reformpartnerschaften gehen, die Deutschland seit 2019 mit ausgewählten Ländern wie der Elfenbeinküste oder Äthiopien im Rahmen der G20-Initiative Compact with Africa geschlossen hat. Während das Papier von einer Weiterentwicklung spricht, stellt die Ministerin klar, dass das auf Investitionsfreundlichkeit ausgerichtete Kooperationsmodell „auslaufen“ soll. An seine Stelle könnten andere Vereinbarungen zur Umsetzung der neuen Schwerpunkte der Strategie treten – darunter die Partnerschaften für einen sozialverträglichen Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien (Just Energy Transition Partnerships). 

Während Stimmen aus der Wirtschaft das Fehlen neuer Impulse für außenwirtschaftliche Projekte kritisieren, vermisst die CDU/CSU-Opposition angesichts knapper Mittel Prioritäten in der langen Liste von Förderbereichen. „Hier hat der Mut gefehlt, die wichtigsten Interessen beider Seiten im Sinne eines Aktionsplans herauszuarbeiten“, sagt Vizefraktionschef Hermann Gröhe, während dem entwicklungspolitischen Sprecher der Unionsfraktion Volkmar Klein ausreichend Haushaltsmittel und konkrete Lösungsansätze für neue Jobs im Mittelstand fehlen. 

Auch die Linke kritisiert die Strategie als zu unkonkret. Es bleibe im Nebel, was getan werden solle, sagt ihre Sprecherin Cornelia Möhring. Zu einem echten Systemwechsel in der Zusammenarbeit mit Afrika gehörten Ernährungssouveränität, Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln sowie agrarökologische Ansätze. Ohne eine Abkehr von jahrhundertealten Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnissen werde Dekolonialisierung ein Schlagwort bleiben.

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