Ein Dutzend deutsche Hilfsorganisationen hat von ihren Partnern im globalen Süden Best Practice-Beispiele für lokale Friedensarbeit eingeholt und in einem Bericht mit dem Titel „Imagine“ zusammengefasst, den der Dachverband Venro Ende Januar in Berlin vorgestellt hat. Seine Botschaft: Ohne Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt es keine nachhaltige Entwicklung, und ohne nachhaltige Entwicklung sind Frieden und Zusammenhalt in Gefahr.
Um ihre Partner zu unterstützen, brauchen deutsche Organisationen Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt, vor allem vom Entwicklungsministerium (BMZ). Solche Unterstützung kommt häufig als Nothilfe und „strukturbildende Übergangshilfe“; letztere dient dazu, Gemeinwesen und deren Institutionen nach Gewaltkonflikten zu stabilisieren, um ein friedlicheres Zusammenleben in Krisen zu ermöglichen.
Gewaltfreies Aushandeln von Konflikten ist ein zentrales Element der Friedensarbeit, stellt der Bericht heraus. Vor allem lokale Organisationen und Initiativen verfügten über das dafür erforderliche Einfühlungsvermögen und Vertrauen. „Die Zivilgesellschaft erfährt den Konflikt am eigenen Leib“, sagte die Direktorin der kolumbischen Friedens- und Menschenrechtsorganisation CIASE, Rosa Emilia Salamanca, in einem eingespielten Video. Sie sei deshalb am ehesten gerüstet, rund um die Ursachen – oft Konkurrenz um knappe Ressourcen wie Land und Wasser – zu vermitteln.
Streitschlichtung, Schulspeisungen und Saatgut für alle
Das leistet auch die Organisation Ripples im von langen Dürren geplagten Osten Kenias. Sie hat dort mit Sozialarbeitern und freiwilligen Mediatoren Zentren der Streitschlichtung aufgebaut, die zwischen sesshaften Bauerngemeinschaften und nomadisch lebenden Hirtengruppen vermitteln. Ziel ist es, für beide Seiten akzeptable Lösungen der Landnutzung zu finden, ohne die Justiz einzuschalten. Gleichzeitig kooperiert Ripples mit der deutschen Kindernothilfe in der humanitären Hilfe und fördert Schulspeisungen und die Verteilung von Saatgut, so ihre Vertreterin Mercy Chiddi in Berlin.
Der Klimawandel verschärfe die Konfliktanfälligkeit, sagte Chiddi. Umso wichtiger sei es, frühe Warnsignale zu erkennen. Dann könne ihre Organisation bei Regierungsstellen frühzeitig Unterstützung fordern. Bislang komme die Forschung zu den Ursachen von Landkonflikten oder zu geeigneter Hilfe für die Anpassung an den Klimawandel zu kurz – ebenso wie bisweilen die Koordinierung unter beteiligten lokalen nichtstaatlichen Organisationen.
Sonja Birnbaum von Help Age Deutschland wünscht sich bessere Absprachen zwischen Auswärtigem Amt und BMZ, wie Sofort- und Übergangshilfe ineinandergreifen können. Die Organisation hat ältere Menschen rund um den Globus im Blick, auch in Ländern wie Pakistan, wo in den Unruheprovinzen nahe Afghanistan die traditionelle Autorität der Älteren für die friedliche Wiedereingliederung von rückkehrenden Vertriebenen und für den Dialog zwischen Generationen genutzt wird.
Entwicklungszusammenarbeit als Sicherheitspolitik
Für das BMZ ist Entwicklungszusammenarbeit langfristige Sicherheitspolitik. Man habe mit der Zivilgesellschaft dafür wertvolle gemeinsame Instrumente und Strategien entwickelt, sagte BMZ-Direktorin Constanze Neher in Berlin. Gerade in einer Zeit, in der Entwicklungszusammenarbeit starken Gegenwind erfahre, seien so breit gefächerte Erfahrungen wie in dem Venro-Bericht von großem Wert, um den Beitrag dieser Arbeit zur Lösung von Verteilungskämpfen zu verdeutlichen. Im Strategiepapier „Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt“ des BMZ vom Juni 2024 heißt es, Entwicklungszusammenarbeit stelle Krisenprävention und langfristige menschliche Sicherheit in den Mittelpunkt, statt nur reaktiv die Symptome von Krisen und gewaltsamen Konflikten zu lindern.
Nach Daten der schwedischen Universität Uppsala hat die Zahl der Konflikte weltweit seit Beginn der Erfassung 1946 im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht, hebt der Venro-Bericht hervor. Der weltweite Einsatz für den Frieden sei deshalb „wichtiger denn je“. In Syrien, wo es gilt, ein Land nach dem Ende eines Krieges zu stabilisieren, liegen die BMZ-Schwerpunkte auf Zugang zu Bildung, Gesundheit, Einkommen für die notleidende Bevölkerung, der Wahrung von Land- und Eigentumsrechten und der Stärkung der Zivilgesellschaft. Projekte werden ausschließlich über UN-Hilfswerke und nichtstaatliche Organisationen umgesetzt.
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