Kirchen enttäuscht von der Ampel-Regierung

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Von links: Prälat Karl Jüsten, katholischer Vorsitzender der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), die evangelische GKKE-Vorsitzende Prälatin Anne Gidion und der Friedensforscher Max Mutschler, Vorsitzender der GKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte, am 18. Dezember vor der Bundespressekonferenz bei der Vorstellung des GKKE-Rüstungsexportberichts 2024.
Rüstungsexporte
Die beiden großen Kirchen in Deutschland kritisieren in ihrem diesjährigen Rüstungsexportbericht eine deutliche Zunahme von Lieferungen an Staaten außerhalb der EU und der Nato. Die Kirchen äußern sich außerdem zu Waffenlieferungen an Israel.

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) fordert die Bundesregierung auf, „keine Rüstungsexporte nach Israel zu genehmigen, wenn ein hinreichender Verdacht besteht, dass die Rüstungsgüter zu schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht benutzt werden“. So dürfe etwa keine Panzermunition geliefert werden, „solange die israelische Regierung der Sicherheit der Zivilbevölkerung in Gaza keine signifikant höhere Priorität einräumt“, erklärte der katholische GKKE-Vorsitzende Karl Jüsten vor der Presse in Berlin.

Deutschland hatte nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 verstärkt Rüstungslieferungen genehmigt, für Israel ist Deutschland besonders bei Schiffen und U-Booten ein wichtiger Rüstungspartner. Diese sind aus Sicht der Kirchen relevant für Israels Verteidigungsfähigkeit etwa gegen Angriffe des Iran und weisen zugleich ein geringes Risiko von Menschenrechtsverletzungen auf.

Durch Angriffe auf zivile Ziele und Infrastruktur in Gaza hat Israel viel Kritik auf sich gezogen, darunter von den Vereinten Nationen und mehreren europäischen Staaten, die ihre Rüstungsexporte an Israel teilweise ausgesetzt haben. Die Bundesregierung ermahnte Israel zur Einhaltung der humanitären Regeln, schränkte die Rüstungslieferungen aber nur zeitweise ein. So genehmigte die Ampel 2023 noch Lieferungen für 326,5 Millionen Euro an Israel, fuhr die Genehmigungen in den ersten Monaten 2024 aber drastisch zurück. Die CDU-Opposition warf ihr daraufhin vor, Exportanträge zu blockieren. Dem widersprach Bundeskanzler Olaf Scholz: „Wir haben Waffen geliefert, und wir werden Waffen liefern“, versicherte er am Jahrestag des Hamas-Überfalls im Bundestag. 

Rüstung für 161 Millionen Euro an Israel

Tatsächlich steigen die Genehmigungen wieder. Nach einem Rückgang im ersten Halbjahr 2024 wurden seit August wieder Ausfuhren im Wert von 94 Millionen Euro bewilligt, teilte Ende Oktober das Auswärtige Amt mit. In den vorläufigen Rüstungsexportzahlen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) vom 18. Dezember wurde bis dahin für Israel ein Gesamtwert von 161 Millionen Euro seit Januar 2024 ausgewiesen.

Wie Jüsten betonte, sähen sich die Kirchen in demselben Dilemma wie die Bundesregierung. „Wir sind uns der Ambivalenzen unserer Positionierungen bewusst.“ Man könne die Augen nicht davor verschließen, dass Israel in seiner Kriegsführung möglicherweise humanitäres Völkerrecht breche. „Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, darauf zu achten, keine Waffen nach Israel zu exportieren, die dazu angetan sind, Menschenrechtsverletzungen zu ermöglichen.“ Aus Sicht der GKKE reicht es dafür allerdings nicht, so wie die Bundesregierung von Israel bloß entsprechende Erklärungen zu verlangen, dass Waffen nicht völkerrechtswidrig eingesetzt würden. 

Scharf kritisieren die Kirchen in ihrem Bericht, dass sich 2024 – anders als in den beiden Vorjahren – viele Drittstaaten unter den Hauptempfängerländern deutscher Rüstungsexporte mit Genehmigungswerten teilweise im dreistelligen Millionenbereich befinden – also Länder, die nicht der EU oder der Nato angehören oder wie Japan, die Schweiz, Australien und Neuseeland als der Nato gleichgestellte Länder gelten. Unter den Empfängern seien Singapur, Algerien, Indien sowie „hoch problematische Länder“ wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar.

Keine restriktive Exportpolitik

Die Ampel-Regierung sei von ihrem Ziel einer restriktiven Exportpolitik abgerückt, stellt die GKKE fest. Mit Rüstungsexporten im Wert von 12,13 Milliarden Euro im Jahr 2023 sei ein neuer Rekord erreicht worden, auch wenn der Löwenanteil an Nato-Partner und die Ukraine gehe, was als legitim betrachtet werde. Doch fordert der Bericht mit Nachdruck, den Kurs zu ändern. 

Eine weitere zentrale Kritik trifft das Versäumnis der Ampel, ein starkes Rüstungsexportkontrollgesetz zu verabschieden. An seine Stelle seien vage Formulierungen getreten, die mit Allgemeingenehmigungen den Kreis sogenannter Werte- und Sicherheitspartner stetig ausweiteten, sagte die evangelische Vorsitzende der GKKE, Prälatin Anne Gidion. So würden neben Israel, Taiwan, der Ukraine oder Brasilien auch beispielsweise Indien, Armenien oder gar Saudi-Arabien bisweilen als solche Partner bezeichnet. Ohne klarere Standards drohe eine „weitere Erosion der Rüstungskontrolle“, Waffenexporte drohten zunehmend zu einer geostrategischen Verhandlungsmasse zu werden. „Das ist ein Rückschritt“, so Gidion. 

Das BMWK bestätigte am Tag der Veröffentlichung des GKKE-Berichts, dass die Rüstungsexporte eine neue Rekordhöhe erreicht haben. Von Januar bis Dezember 2024 sind nach vorläufigen Zahlen Ausfuhrgenehmigungen im Wert von rund 13,2 Milliarden Euro (nach 12,13 Milliarden Euro 2023) erteilt worden, also noch einmal knapp eine Milliarde Euro mehr als 2023. Rund 14 Prozent davon entfallen auf Drittländer. 

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