„Ich habe schon Drohungen wegen meiner Arbeit bekommen“
Derzeit leite ich das Straßenbauprojekt „Kali-Gandaki Korridor“, ein Prestigeprojekt der Regierung. Ich bin verantwortlich für eine Gruppe von Ingenieuren sowie für die Buchhaltungs- und Verwaltungsabteilungen und die Unternehmen, die die Straßen bauen.
Beamte haben Entscheidungsbefugnisse, die sie zum Wohle der Allgemeinheit nutzen können. Doch es gibt Schlupflöcher und Bereiche, in denen die Entscheidungsfindung subjektiv ist. Dies ermöglicht es Menschen in bestimmten Positionen, ihre Macht für persönliche Vorteile zu nutzen. Auch ich erhalte viele unethische Vorschläge, insbesondere von Straßenbauunternehmern, die einen Auftrag erhalten möchten. Aber sie wenden sich selten direkt an mich, weil sie mich für eine untadelige Beamtin halten. Dieses Image habe ich mir mit Ehrlichkeit und Integrität erarbeitet. Ich habe schon Drohungen wegen meiner Arbeit erhalten, oder wenn Verträge ausgesetzt oder Auftragnehmer auf eine schwarze Liste gesetzt wurden. Man hat mir gedroht, mich der Annahme von Bestechung zu beschuldigen und Gerüchte mit meinem Foto im Internet zu verbreiten.
Normalerweise sehen wir Korruption mit Geld, aber auch unethisches Verhalten, Parteilichkeit und Demotivierung von jungen Menschen oder Frauen am Arbeitsplatz sind Korruption. Um die Einstellung korrupter Beamter zu ändern, brauchen wir strenge Strafen, aber auch bessere Gehälter und Leistungen, die sie davon abhalten, Bestechungsgeld anzunehmen. Wir nennen korrupte Beamte beim Namen, aber wir müssen auch die ehrlichen anerkennen: Das macht das Accountability Lab mit seiner Anti-Korruptions-Anerkennung „Integrity Icon“. Ich bin stolz darauf, 2022 zu den Trägern dieser Auszeichnung zu gehören. Ich weiß, ich kann nicht das ganze System ändern, aber ich kann meinen Kollegen ein Vorbild sein.
Aufgezeichnet von Bibek Bhandari.
„Wir konnten schon viele Fälle aufdecken“
In unserer Firma sind viele Idealisten. Wir glauben an eine bessere Zukunft für den öffentlichen Sektor, frei von Korruption. Deshalb arbeiten wir seit 2019 daran, Unregelmäßigkeiten durch Datenanalyse in Echtzeit zu erkennen. Das von uns entwickelte System besteht aus 40 Robotern mit künstlicher Intelligenz, die die Datenbank laufend aktualisieren und alle Daten analysieren.
Wir werden von Vertretern des öffentlichen Dienstes beauftragt, zum Beispiel von Bürgermeistern, Gouverneuren, Regierungssekretariaten oder Bundesministern. Mit unserem System können wir Daten der öffentlichen Verwaltung in Informationen umwandeln, mit denen Regierungen mögliche Korruptionsfälle erkennen können. Ziel soll sein, dass sie Fehler bei der Beschaffung und Einstellung von Personal und Dienstleistungen korrigieren und Veruntreuung im Vorfeld verhindern können. Viele öffentliche Einrichtungen sind an unserem System interessiert, aber ich kann aus Geschäftsgründen nicht sagen, wie viele oder welche. Wir haben jedoch bereits in Städten in mindestens fünf politisch und wirtschaftlich sehr wichtigen Bundesstaaten gearbeitet.
Überall, wo wir tätig sind, sehen wir Erfolge unserer Arbeit, besonders in kleineren Gemeinden, die normalerweise nicht von spezialisierten Stellen wie den Rechnungshöfen oder dem Justizministerium geprüft werden. Unsere Methode beschränkt sich nicht auf Verträge oder Ausschreibungen mit hohem Wert, sondern umfasst auch kleine Anschaffungen. So konnten wir viele Korruptionsfälle aufdecken. Ein Beispiel: In Brasilien gibt es oft Ärzte, die in vier oder fünf Städten gleichzeitig tätig sind. Sie erhalten fünf Gehälter, ohne dafür zu arbeiten. Das System gleicht Daten ab – in diesem Fall die Gehaltsdaten, die öffentlich sind –, stellt diese Unregelmäßigkeiten fest und zeigt sie dem öffentlichen Verwalter an, der dann darauf reagieren kann. Ein Bürgermeister kann auf unserer Plattform, die nur für autorisierte Personen zugänglich ist, auch sehen, wie viele Röntgengeräte in einem Krankenhaus vorhanden sein sollten und nicht da sind.
Aufgezeichnet von Sarah Fernandes.
„Für eine sichere Entbindung musste ich den Arzt bestechen“
Ich erinnere mich noch ganz genau an den 12. März 2022, als ich hochschwanger mit einem kleinen Jungen war. Ich hatte Wehen bekommen und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Ich fühlte mich sehr schwach, aber das Krankenhauspersonal kümmerte sich nicht um mich. Sie schienen sehr beschäftigt zu sein, aber ich denke, das war ihre Art, aus den Patienten Geld herauszupressen. Ich musste schließlich einen Arzt im Kilosa District Hospital mit 100.000 Tansania-Schilling (ca. 50 US-Dollar) bestechen, um sicherzugehen, dass ich richtig behandelt werde und sicher entbinden kann. Am nächsten Tag, dem 13. März, war es so weit. Ich brachte mein Kind zur Welt, nachdem der Arzt mir seine volle Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Hätte ich aber für diesen eigentlich kostenlosen „Service“ nicht bezahlt, wären sowohl ich als auch das Baby in mir vielleicht gestorben. Meine Freunde hatten mir vorher gesagt, dass ich den Arzt sicherheitshalber bestechen solle, ich war also darauf vorbereitet. Die Regierung sagt zwar, wir sollen das Krankenhauspersonal nicht bestechen, aber wenn wir es nicht tun, könnten wir sterben. In der Theorie ist Bestechung illegal, aber in der Praxis ist sie Teil unseres Lebens und Alltags.
Dennoch war es sehr schwer für mich, das Geld für die Ärzte aufzutreiben, ich musste mir etwas von meinen Freunden leihen. Als ich mit meinem Sohn schwanger war, verließ mich mein Mann und ich zog zu meinen Eltern. Ich hatte bereits eine Tochter, Abigael, die inzwischen sieben Jahre alt ist. Bei meinen Eltern konnte ich nach der Geburt meines Sohnes nicht bleiben, weil sie arm sind und nicht für mich und meine beiden Kinder sorgen konnten. Also zog ich in die Stadt Morogoro, wo ich in einem Vorort ein Zimmer für 25.000 Schilling (etwa 10 US-Dollar) im Monat miete. Ich habe Mühe, die Miete zu bezahlen, weil ich mit dem Verkauf von Gemüse und Obst nur sehr wenig Geld verdiene. Doch weil ich nicht lesen und schreiben kann, finde ich keine bessere Arbeit. In unserem Zimmer haben wir weder ein Bett noch eine Matratze, wir schlafen auf ein paar Laken auf dem Boden. Leider kann ich meinen Kindern auch keine drei Mahlzeiten am Tag geben, deswegen helfen die Nachbarn manchmal aus.
Aufgezeichnet von Deodatus Mfugale.
„Ich habe keine andere Wahl, als Bestechungsgelder zu kassieren“
Für einen durchschnittlichen Polizisten in Nigeria gehört Korruption zum Job dazu. Viele von uns sind zur Polizei gegangen, weil sie hofften, mit Bestechung viel Geld zu verdienen. Die nigerianische Gesellschaft ist korrupt, davon wird auch die Polizei beeinflusst.
Anstatt das Richtige zu tun, verlassen sich die Nigerianer darauf, die Polizei bestechen zu können. Das sehe ich bei meiner Arbeit an Kontrollpunkten: Viele Fahrer haben nicht die richtigen Papiere, gewerbliche Fahrer haben zu viele Fahrgäste im Auto. Also zahlen sie Bestechungsgeld, um nicht verhaftet zu werden. Oft strecken sie schon die Hände mit Geld aus dem Fenster, sobald sie an der Kontrollstelle auf einen zufahren.
Wir wiederum müssen unsere Vorgesetzten dafür bezahlen, damit sie uns Aufgaben zuteilen, mit denen wir zusätzliches Geld verdienen können, wie etwa mit der Arbeit an Kontrollpunkten an stark befahrenen Straßen. Ich finde auch Grenzgebiete lukrativ, weil Schmuggler, die meist Reis oder gebrauchte Fahrzeuge aus Europa transportieren, bereit sind, viel Geld zu zahlen. Ich verdiene auch schnelles Geld, wenn ich zum Beispiel an Ermittlungen zu Betrugsfällen beteiligt bin. Viele Leute sind bereit, viel Geld zu zahlen, um nicht belangt zu werden.
Wenn mir Bestechungsgelder angeboten werden, habe ich keine andere Wahl, als das Geld zu kassieren. Denn wenn ich darauf bestehe, die Angelegenheit weiterzuverfolgen, wird der Täter am Ende einen vorgesetzten Beamten bestechen, und ich werde den Kürzeren ziehen. Das ist mir schon oft passiert. Unser Gehalt ist sehr niedrig. Angesichts der wirtschaftlichen Lage in Nigeria muss ich mir etwas dazuverdienen, um für meine Familie sorgen zu können. Außerdem ist der Polizeiberuf in Nigeria sehr gefährlich, Bewaffnete können dich jederzeit töten oder verletzen. Falls das passiert, würde meine Familie in Not leben, wenn sie sich vorher nur auf mein Gehalt verlässt.
Aufgezeichnet von Sam Olukoya.
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