Waffen auf Abwegen

KEYSTONE/Peter Klaunzer
Polizisten im Kanton Fribourg sammeln im Mai 2024 Gewehre ein, die Privatpersonen abgegeben haben, und schaffen sie zur Entsorgung. Aus der Schweiz in andere Länder exportierte Waffen hingegen verschwinden hin und wieder, was die Frage aufwirft, wie gut die Kontrollen funktionieren.
Schweiz
Aus der Schweiz exportierte Rüstungsgüter müssen grundsätzlich im Empfängerland bleiben. Schweizer Prüfer stellen allerdings immer wieder Verstöße dagegen fest, kürzlich in Indien. Jetzt wird über eine Lockerung der Regel diskutiert.

Von der Schweiz gekaufte Waffen dürfen nicht ohne Bewilligung der Schweizer Regierung an Drittstaaten weitergegeben werden. Die Käufer müssen eine entsprechende Erklärung auf der Grundlage des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) unterschreiben; das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) überprüft stichprobenartig, ob sie sich daran halten. Wie letztes Jahr unter anderem in Indien: Dort kam heraus, dass ein Großteil der gelieferten Maschinenpistolen nicht auffindbar war. Das Ergebnis der Inspektion im November 2023 stuft das Seco deshalb im Bericht dazu als „ungenügend“ ein. Dies hat das Schweizer Radio und Fernsehen SRF berichtet[3] , das den Bericht eingesehen hat.

Darin steht, dass die Schweizer Kontrolleure manche Waffen nur über einen Videostream vom angeblichen Standort oder sogar nur über vorher aufgenommene Videos inspizieren konnten. Einen großen Teil der Maschinenpistolen hätten sie zudem gar nicht gesehen, nicht einmal via Videostream, weil angeblich die Internetverbindung an den Waffenstandorten ungenügend sei.

Es gebe zwar keinen konkreten Verdacht, dass die Waffen in unberechtigte Hände gelangt seien, allerdings lasse sich das mit dem Ergebnis der Kontrolle auch „nicht vollständig ausschließen“, schreibt das Seco. Videos könnten Kontrollen vor Ort nicht ersetzen; der Standort der Waffen lasse sich nicht überprüfen und so bleibe ein Restrisiko.

Keine Exporte mehr in den Libanon

Die Note „ungenügend“ ist vom Seco schon mehrfach vergeben worden, etwa im Libanon, wo bei einer Prüfung 2019 zahlreiche Schnellfeuerwaffen nicht auffindbar waren. Danach wurden Exporte von Kriegsmaterial in den Libanon grundsätzlich nicht mehr bewilligt. Auch nach Ghana wurde die Ausfuhr ausgesetzt, weil gegen die Auflagen der Nichtwiederausfuhr-Erklärung verstoßen wurde.

Hat die ungenügende Kontrolle auch für Indien Konsequenzen? „Das negative Ergebnis müsse bei zukünftigen Ausfuhrgesuchen von Kleinwaffen umfassend berücksichtigt werden, zitiert SRF aus dem Seco-Bericht. Wegen des Grenzkonflikts mit Pakistan würden Exporte nach Indien ohnehin strenger beurteilt als bei anderen Staaten, das Ergebnis der Kontrolle werde in die künftige Beurteilung von Exportgesuchen einfließen. Möglich wäre gemäß Gesetz, dass die Schweiz ihre diplomatische Unterstützung einschränkt, beispielsweise das betreffende Land nicht mehr bei Kandidaturen für Mitgliedschaften in internationalen Organisationen unterstützt, oder wie im Fall des Libanon oder Ghanas die Exporte vollständig stoppt. Dies scheint bei Indien laut den vorliegenden Berichten derzeit aber nicht der Fall zu sein. 

Eingeführt hat die Schweiz die Kontrollen 2012, nachdem die Vereinigten Arabischen Emirate Schweizer Handgranaten an Rebellen in Syrien weitergegeben hatten. Rund 60 Prüfungen hat die Schweiz bislang vorgenommen. Linke Parlamentarierinnen und Parlamentarier üben jedoch regelmäßig Kritik an den Kontrollen und fordern, diese in einem anderen Departement anzusiedeln, etwa dem Außendepartement. Das Seco sei nicht geeignet, da es in einem Zielkonflikt stehe: Einerseits soll es die Wirtschaft fördern, und somit auch die Rüstungsindustrie, andererseits die Menschenrechte einhalten, was für strenge Exportregeln spräche.

Keine Waffen für die Ukraine

Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) beurteilt die Überprüfungen generell kritisch. Stichproben und Fotobeweise dürften nicht reichen. „Gute Noten darf es nur geben, wenn man sämtliche Waren physisch überprüfen konnte“, sagte GSoA-Sekretärin Nadia Kuhn gegenüber dem „Tages-Anzeiger“ und verwies auf einen Fall aus dem Jahr 2020, als es bei einer Inspektion in der Dominikanischen Republik ein „genügend“ gab, obwohl nicht alles Material gefunden wurde. Sonst seien die Kontrollen am Ende nur ein Feigenblatt, unter dem Exporte in Krisenregionen weiter erlaubt bleiben.

Lockerungen der Regeln werden seit Russlands Angriff auf die Ukraine ohnehin diskutiert. Denn die Schweiz steht wegen ihres restriktiven Kriegsmaterialgesetzes international unter starkem Druck. Dieses verbietet den Käufern die Weitergabe von Waffen an Staaten, die in einen Krieg verwickelt sind. So untersagte die Schweiz Deutschland, Spanien und Dänemark, in der Schweiz gekaufte Kriegsgeräte an die Ukraine weiterzugeben.

Vor Kurzem warnte die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats, europäische Länder schreckten zunehmend davor zurück, unter diesen Bedingungen Schweizer Waffen zu kaufen. Die Mehrheit der Kommission sprach sich diesen Sommer deshalb für eine Lockerung aus: Westlichen, demokratischen Staaten soll es unter gewissen Bedingungen erlaubt sein, Kriegsmaterial aus Schweizer Produktion fünf Jahre nach dem Kauf weiterzugeben. Der Vorschlag ist allerdings umstritten – eine Entscheidung fällt nächstes Jahr.

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