Deutlich weniger Geld für Entwicklungszusammenarbeit

Ahmad Salem/Bloomberg via Getty Images
Palästinenser in Gaza erhalten Nahrungsmittel vom UN-Welternährungsprogramm. Wenn die Schweiz ernst macht mit ihrem Sparprogramm bei der internationalen Zusammenarbeit, dürfte das auch UN-Organisationen und die humanitäre Hilfe weltweit betreffen.
Schweiz
Die Schweizer Regierung hat die neue Strategie für die Internationale Zusammenarbeit verabschiedet. Die Ukraine-Hilfe soll aus dem Entwicklungsbudget finanziert werden. Und es drohen weitere Kürzungen.

Fünf Milliarden Franken will der Bundesrat in den nächsten zwölf Jahren für den Wiederaufbau der Ukraine bereitstellen. Die ersten 1,5 Milliarden sollen gemäß der neuen Strategie der Internationalen Zusammenarbeit für die Jahre 2025 bis 2028 komplett aus dem Entwicklungsbudget finanziert werden. Das sind knapp 400 Millionen Franken pro Jahr. Die Ukraine wird damit mehr Geld als alle bilateralen Deza-Programme in Subsahara-Afrika zusammen erhalten. Da das Gesamtbudget der Entwicklungszusammenarbeit nicht aufgestockt wird, muss bei anderen Schwerpunktländern gespart werden. Für die Zeit ab 2029 sollen laut Mitteilung des Bundesrates dann „weitere Finanzierungswege“ über die Internationale Zusammenarbeit hinaus geprüft werden, um die übrigen 3,5 Milliarden Franken für die Ukraine zu finanzieren.

„Diese geplante Kürzung ist falsch und gefährlich“, sagt Melchior Lengsfeld, Geschäftsführer der Hilfsorganisation Helvetas. Wo genau gekürzt wird, hat der Bundesrat noch nicht gesagt. Sicher sei aber, sagt der Helvetas-Geschäftsführer, dass in Subsahara-Afrika oder im Nahen Osten deutlich weniger Menschen unterstützt werden könnten – zum Beispiel beim Zugang zu Trinkwasser oder Bildung.

Lengsfeld sieht in der geplanten Finanzierung auch eine Zweckentfremdung der Entwicklungsgelder. Schließlich sei das Budget nicht dazu da, den Wiederaufbau eines europäischen Landes zu finanzieren. „Wir halten die großzügige Unterstützung der Ukraine beim Wiederaufbau für wichtig. Dies darf aber nicht zulasten der ärmsten Länder gehen.“

Ukraine-Hilfe nicht zulasten anderer Regionen

Ähnlich waren die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung vergangenes Jahr, bei der sich Parteien, Organisationen und die Kantone zur neuen Strategie der Internationalen Zusammenarbeit äußern konnten. In drei von vier Antworten wurde gefordert, dass die Ukraine-Hilfe nicht zulasten anderer Regionen geht. Doch in der Zwischenzeit ist viel passiert. So hat sich beispielsweise die Schweizer Bevölkerung in einer Abstimmung für eine Erhöhung der Rente ausgesprochen, was den Druck auf das ohnehin angespannte Bundesbudget erhöhte.

So kam es, dass nur zwei Wochen nach der Verabschiedung der Strategie die kleine Parlamentskammer, der Ständerat, die Lage zusätzlich verschärfte: Sie stimmte einem Antrag zu, die Ausgaben für die Armee um vier Milliarden Franken aufzustocken – und die Hälfte davon bei der Entwicklungshilfe einzusparen. Für das Budget der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit hieße das insgesamt ein Minus um ein Drittel. Was das für Konsequenzen hätte, verdeutlichen Vergleiche, die das Außendepartement der Zeitung „NZZ am Sonntag“ vorlegte: Demnach entspricht die Kürzung etwa dem, was die Schweiz insgesamt für humanitäre Hilfe ausgibt. Oder den Kernbeiträgen, die sie an die großen UN-Organisationen, das Rote Kreuz und an heimische Hilfsorganisationen zahlt. 

Schaden für die Reputation der Schweiz

Andreas Missbach, Geschäftsführer von Alliance Sud, einem Zusammenschluss verschiedener Schweizer Hilfswerke, warnte in einer Mitteilung vor einer solchen drastischen Kürzung: „Die Schweiz wäre nicht mehr in der Lage, ihren verfassungsmäßigen Auftrag wahrzunehmen.“ Laut Bundesverfassung muss die Regierung unter anderem „zur Linderung von Not und Armut in der Welt“ beitragen. Als Konsequenz müsste sie multilateralen Organisationen wie dem Welternährungsprogramm, dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF oder der Afrikanischen Entwicklungsbank die Unterstützung entziehen. Das schade nicht zuletzt erheblich der internationalen Reputation der Schweiz, sagte Missbach.

Der Antrag geht nun in die große Parlamentskammer, den Nationalrat, wo er mit hoher Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden dürfte. Doch dass er in der kleinen Kammer durchkam, verdeutlicht, wie klein die Lobby für die Entwicklungszusammenarbeit im Schweizer Parlament in den letzten Jahren geworden ist. Im Kampf um die knappen Bundesmittel ist es einfacher, im Ausland zu sparen, wo es nicht die eigenen Interessen trifft. Selbst Bundesrat und Außenminister Ignazio Cassis (FDP) sagte an der Medienkonferenz zu der Strategie der Internationalen Zusammenarbeit: „Die Geografie spielt eine Rolle. Wir haben ein großes Interesse daran, unsere Nachbarn zu unterstützen.“

Die Entscheidungen der Regierung und des Parlaments spiegeln auch nicht die Interessen der Bevölkerung: Laut einer Umfrage der ETH Zürich befürwortet eine Mehrheit von 60 Prozent der Schweizer die Erhöhung der Entwicklungsausgaben, aber nur eine Minderheit von 26 Prozent die Erhöhung des Armeebudgets.

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