Feministische Entwicklungspolitik messbar machen

SIMON MAINA/AFP via Getty Images
Die Genitalien von Edinah Nyasu­guta Omwenga aus Kisii in Kenia wurden verstümmelt, ihre Tochter hat sie vor dieser Tortur geschützt. Die kenianische Organisation Manga HEART kämpft gegen den Brauch. Solche Initiativen sollte eine feministische Entwicklungspolitik stärker unterstützen, sagen Hilfsorganisationen.
Berlin
Neun Monate nach der Strategie zur feministischen Entwicklungszusammenarbeit legt Ministerin Svenja Schulze mit dem Gender-Aktionsplan 2024-27 nach: Der gibt vor, wo Projektmittel ankommen und wie Fortschritte überprüft werden sollen.

Der Aktionsplan betont die feministische Ausrichtung und die Wirkungskontrolle – das hebt ihn von vorherigen Gender-Aktionsplänen ab. Sein Ziel ist es, die Strategie der feministischen Entwicklungspolitik mit praktischen Maßnahmen zu unterfüttern, damit die Rechte, Ressourcen und die Sichtbarkeit von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen gestärkt werden. Wie viel das kosten darf, oder bis wann was verwirklicht werden soll, lässt das Konzept offen. Gender-Aktivistinnen hatten denn auch konkrete Haushaltszusagen für feministische Inhalte gefordert, etwa zur Unterstützung der feministischen Zivilgesellschaft, sagt Carla Dietzel, Ko-Sprecherin der AG Gender von der Dachorganisation Venro. 

Das Entwicklungsministerium (BMZ) will laut dem Aktionsplan den Anteil von Vorhaben, die zur Gleichstellung der Geschlechter beitragen, von 64 Prozent seines gesamten Portfolios im Jahr 2021 bis 2025 auf 93 Prozent anheben. Das können etwa Gelder zur Anpassung an den Klimawandel sein, die eine bevorzugte Teilhabe von Frauen mitfinanzieren. Hier ist die Gleichberechtigung ein wichtiges Nebenziel. Der Anteil der Neuprojekte, die zuvorderst auf Gleichstellung zielen – etwa zur Eindämmung weiblicher Genitalverstümmelung –, soll bis 2025 auf acht Prozent der Bewilligungen verdoppelt werden.

Das BMZ will zeigen, dass feministische Entwicklungspolitik sich in der Praxis bewährt. Dabei dürfte sich Erreichtes einfacher quantitativ darstellen lassen: Wieviel Geld ist geflossen, wie viele Frauen wurden erreicht? „Wenn Frauen gleichberechtigt sind und gleiche Verantwortung tragen, gibt es weniger Armut, weniger Hunger und mehr Stabilität in der Welt“, erklärt die Ministerin in dem Plan. Das lässt sich mit Daten zur wirtschaftlichen und sozialen Stärkung von Frauen, zu ihrem Zugang zu Arbeit, Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Betriebsmitteln oder ihrer Teilhabe an der Konfliktbewältigung überprüfen.

Schwierig zu bewerten

Schwieriger wird es, den „gendertransformativen Ansatz“ zu bewerten, der zur tragenden Säule werden soll: Deutsche Entwicklungszusammenarbeit soll demnach an den Wurzeln von Gender-Ungleichheiten ansetzen, also an den Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern sowie an sozialen Normen und Rollenbildern. Dafür müssen zwischenmenschlich und gesellschaftlich diskriminierende Stereotype aufgebrochen werden, heißt es im Aktionsplan. Ein neues Monitoring-System und begleitende Studien sollen zeigen, welche Beiträge helfen, Ungleichheiten langfristig zu überwinden. 

So sollen Vorhaben zusammen mit Durchführungsorganisationen, Partnerregierungen und Zielgruppen unter anderem mit Methoden des sogenannten Storytellings beschrieben und qualitativ bewertet werden. Für die Einbeziehung von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und lokalem Wissen ist ein neues Gremium geplant, das Institutionen und Personen aus Partnerländern einbezieht und sich mindestens jährlich zu Beratungen trifft. Zudem soll ein Halbzeitbericht laufende Anpassungen von Projektansätzen ermöglichen.

Carla Dietzel, Referentin für Gender Advocacy bei Care Deutschland, hofft, dass das BMZ bei seinem Monitoring nicht nur Leuchtturmprojekte herausstellen wird, wie das beim vorangegangenen Aktionsplan der Fall war. Wie sich diese schwierige Aufgabe entwickle, sei eine spannende Frage. Klar sei, dass Wissen und Kompetenzen von Frauenorganisationen und anderen Beteiligten in den Partnerländern mehr wertgeschätzt werden müssen. Statt internationale Berater zu beauftragen, sollten Partnerorganisationen und Projektteilnehmende befähigt werden, selbst Erfolge zu definieren.

Forderungen aufgegriffen

Venro stimmt derzeit eine Stellungnahme zu dem Aktionsplan ab. Aber Dietzel bestätigt schon jetzt, dass das Ministerium einige Forderungen der Zivilgesellschaft aufgegriffen habe. So lege der Aktionsplan einen breiten Fokus auf Geschlechtsidentitäten von LGBTQ+ und orientiere sich an Ansätzen, die machtkritisch ein postkoloniales, antirassistisches Verständnis von Entwicklungspolitik fördern. Gleiches gelte für intersektionales Denken, das verstärkt darauf achtet, wie sich Mehrfachdiskriminierung wechselseitig verstärken. 

Laut dem BMZ-Transparenzportal hat Deutschland bislang Mittel in Höhe von insgesamt vier Milliarden Euro zum UN-Nachhaltigkeitsziel 5 der Geschlechtergleichstellung beigetragen. Ob einzelne Handlungsfelder künftig neu gewichtet werden, ist in dem Aktionsplan nicht ersichtlich. Dort werden die zentralen Bereiche in dieser Reihenfolge genannt: Auf die Rolle von Frauen für Frieden und gesellschaftlichem Zusammenhalt folgt die Problematik geschlechtsbasierter Gewalt vor den Themen Gesundheit, wirtschaftliche Teilhabe, Just Transition (Klima) und Ernährungssicherheit.

Wie stark sich feministische Inhalte künftig durchsetzen, wird auch davon abhängen, wie sich die entsprechende Kompetenz im Ministerium durchsetzt. Dietzel sieht das BMZ hier auf einem guten Weg. Aber mit Blick auf einen möglichen Regierungswechsel 2025 sagt sie auch: „Es bleiben nun noch zwei Jahre, feministische Entwicklungszusammenarbeit institutionell so zu verankern, dass sie nicht sofort wieder zurückzudrehen ist.“

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