Kritik an feministischer Außen- und Entwicklungspolitik

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Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, und Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, stellen die Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik nach der Kabinettssitzung vor dem Bundeskanzleramt vor.
Geschlechtergerechtigkeit
Die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik soll künftig einem feministischen Kurs folgen. An der Notwendigkeit, mehr für Geschlechtergerechtigkeit weltweit zu tun, zweifelt niemand, an den Konzepten der beiden zuständigen Ministerinnen dagegen schon. 

Die Bundesregierung hat die neuen Leitlinien des Auswärtigen Amts  und des Entwicklungsministeriums (BMZ) nicht formell beschlossen. Ein Auftritt von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) vor dem Kanzleramt sollte den neuen Zielen deshalb zusätzlich Gewicht verleihen. „Wir verfolgen eine feministische Außenpolitik, weil es bitternötig ist“, sagte Baerbock dort. „Weil Männer und Frauen weltweit noch immer nicht gleichgestellt sind.“ Schulze ergänzte: „Bisher wurden Frauen und Mädchen häufig im Rahmen bestehender Strukturen unterstützt. Mit der Neuausrichtung der Entwicklungspolitik sollen ungerechte Machtstrukturen verändert werden.“

Die feministische Außen- und Entwicklungspolitik soll Frauen sichtbarer machen und in der Gesellschaft stärker beteiligen als bisher – und zwar über den Ansatz der „drei R“: mehr Repräsentanz, Rechte und Ressourcen. Dies soll bei der Planung in den Ministerien, bei Gesprächen mit Partnerregierungen und auf internationaler Bühne künftig ganz vorne stehen. Dass das nötig ist, ist lange bekannt. Laut Weltbank haben Frauen in den meisten Ländern in der Wirtschaft deutlich weniger Chancen  als Männer; in Afrika südlich der Sahara können nur 59 Prozent der Frauen lesen und schreiben im Vergleich zu 72 Prozent der Männer; drei von vier HIV-Ansteckungen unter 25 Jahren in West- und Zentral-Afrika entfallen auf Frauen und Mädchen; 150 Millionen mehr Frauen als Männer weltweit leiden laut der Hilfsorganisation Care Hunger. 

Die Entwicklungspolitik hat diese Schieflagen bereits auf dem Schirm, künftig soll sich das aber deutlicher im Budget niederschlagen. Bis 2025 sollen mehr als 90 Prozent der Mittel des Entwicklungsministeriums (BMZ) in Projekte fließen, die Gleichstellung als Haupt- oder Nebenziel voranbringen. Laut der Organisation One galt das im vergangenen Jahr für nicht einmal 40 Prozent der Mittel für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Laut Baerbock und Schulze soll eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik zudem historisch gewachsene Machtstrukturen überwinden helfen. So heißt es in der BMZ-Strategie, das Patriarchat, Rassismus und Sexismus zementierten „gewaltvolle und ungleiche Machtstrukturen“ und seien eine Nachwirkung kolonialer Denkmuster. 

Männerdominierte Staatseliten sind das Problem

Robert Kappel, Professor für Afrikastudien an der Universität Leipzig, kritisiert das: Statt auf den Kolonialismus solle das BMZ besser auf männerdominierte Staatseliten fokussieren. „Sie unterminieren das lokale Wissen. Sie sind für die ungleichen Geschlechterverhältnisse verantwortlich.“ Für eine „Anmaßung“ hält Kappel, dass das Konzept feministischer Außen- und Entwicklungspolitik für die ganze Welt gelten soll. Der Kampf für eine bessere Lage von Frauen verdiene höchste Unterstützung, sagt Kappel. Aber: „Machtverhältnisse werden in den Ländern nach ihren Standards verändert und nicht nach in Berlin ausgedachten Konzepten.“ Von außen Standards für feministische Politik in Ländern des globalen Südens etablieren zu wollen, könne dort genau jene Kräfte schwächen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. Denn häufig stimmten unsere Vorstellungen nicht mit denen vor Ort überein. 

Zudem werde übersehen, was Frauen und zivilgesellschaftliche Organisationen in aller Welt bereits für die „drei R“ tun. Das sei „ein harter Kampf“, sagt Kappel, „von dem die Berliner Szene kaum Kenntnis hat“. Ministerin Schulze entgegnet auf diese Kritik, ihr sei bewusst, dass deutsche Politik den Kampf nicht stellvertretend für betroffene Frauen führen kann. In einem Zeitungsinterview sagte sie, sie setze auf Projekte, die zeigen, dass patriarchal geprägte Gesellschaften aus Gleichberechtigung letztlich Gewinn ziehen. 

Uta Ruppert von der Goethe-Universität Frankfurt wirft dem BMZ „institutionelle Vereinnahmung“ vor. Seit Jahrzehnten bereits spielten Stimmen aus der Entwicklungspolitik in den feministischen Auseinandersetzungen über gerechte Weltverhältnisse eine wichtige Rolle. Wenn das BMZ diese Perspektive nun zum Programm erhebe, sei dies auch als Erfolg dieser Stimmen zu sehen, schreibt sie in einem Artikel

Die imperiale Lebensweise ist das Problem

Zudem konstatiert Ruppert eine große Kluft zwischen Anspruch und Möglichkeiten der BMZ-Strategie. Wolle das Ministerium „auch die politisch-ökonomischen Grundstrukturen vergeschlechtlichter Machtverhältnisse angehen“, hieße das auch, „die für (Frauen)Armut, Ungleichheit und (Frauen)Unterdrückung ursächliche, imperiale Lebensweise‘ der Privilegierten des globalen Nordens anzugehen, die seit Jahrhunderten auf Kosten der Marginalisierten des globalen Südens geht“. Was über Welthandel sowie Rohstoff-, Investitions- und (Agro)Industriepolitik permanent neu produziert und verfestigt werde, könne man mit Gleichstellungspolitik schwerlich beikommen.

Die CDU kritisiert, Ministerin Schulze überfrachte ihre Strategie mit einem ideologischen Überbau, der den Bedürfnissen vieler Partnerländer nicht entspreche – „und auch wieder als paternalistisch wahrgenommen werden dürfte“, heißt es in einer Pressemitteilung der Unionsfraktion. Es fehlten Klarheit und Praxisorientierung, konkrete Ziele und Vorhaben würden wohl in einen späteren Aktionsplan ausgegliedert. Aus Sicht der Linken müsste eine feministische Perspektive konsequent menschliche Bedürfnisse vor Wirtschaftsinteressen stellen, doch vom Kampf gegen Steueroasen oder privatisierte Sozial- und Gesundheitssystemen sei in der Strategie keine Rede.

Permalink

Baerbock und Schulze schaden dem Ansehen Deutschlands. In einer ernsthaften Entwicklungs- und Außenpolitik hat Feminismus nichts zu suchen: das ist 'feministischer Neokolonialismus' und wird auch als solcher im Ausland als Beleidigung wahrgenommen, hineintretend ins wilhelminische Fettnäpfchen. Das wird von allen Weltreligionen überhaupt nicht mal ernst genommen und ruft nur Gelächter hervor. Damit katapultiert sich die deutsche Entwicklungs- und Aussenpolitik ins Abseits: naive geschichtsvergessene Unerfahrenheit!
Christoph Wagner

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erschienen in Ausgabe 2 / 2023: Religion und Frieden
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