Gute Projekte, doch keine Strategie

picture alliance / photothek/Dominik Butzmann
Aufgabe für die ganze Regierung: Bundeskanzler Olav Scholz (Mitte) stellt zusammen mit Umweltministerin Steffi Lemke, Entwicklungsministerin Svenja Schulze, Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (von links) am 6. Dezember die Klimaaußenpolitikstrategie vor.
Klimaaußenpolitk
Die Bundesregierung hat passend zum Weltklimagipfel in Dubai eine Klimaaußenpolitikstrategie vorgestellt. Die enthält viele kluge Einsichten und Vorhaben, mogelt sich aber um Zielkonflikte und Finanzfragen herum – keine echte Strategie also, kommentiert Bernd Ludermann.

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.

Die Bundesregierung will beim internationalen Einsatz für Klimaschutz künftig kohärent vorgehen, alle Ministerien sollen an einem Strang ziehen. Dazu hat sie erstmals eine Klimaaußenpolitikstrategie beschlossen. Vier Ressorts – die für Außenpolitik, Wirtschaft und Klima, Umweltschutz sowie Entwicklung – haben das umfangreiche Papier am 6.12. veröffentlicht. 

Manches darin ist ein Fortschritt. Zum Beispiel wird betont, dass die Partizipation der Bevölkerung im Klimaschutz ausgebaut werden soll und der stets zusammen mit dem Schutz der Biodiversität und der Umwelt insgesamt verfolgt werden muss. Merkwürdig ist allerdings, dass die Strategie zur Landwirtschaft und Landnutzung kaum etwas sagt – dieses Ministerium scheint zu wenig in den „Gesamtansatz“ eingebunden zu sein. Gut ist hingegen, dass die Bundesregierung künftig auch Länder, die vom Öl- oder Gasexport leben, beim Übergang zu anderen Einkommensquellen unterstützen will. Und zu begrüßen ist, dass Berlin die Fortentwicklung von Techniken wie Wasserstoffnutzung fördern will und die künstliche Verdunkelung der Atmosphäre (Solar Radiation Management) erst einmal ausschließt.

Auflistung von bekannten Vorhaben

Anderes wirkt wie eine Zusammenstellung bekannter Ziele und Vorhaben. Das gilt sowohl für die vorrangigen Handlungsfelder – zum Beispiel will Berlin die globale Energiewende beschleunigen, Rohstofflieferketten diversifizieren und die Vernichtung von Tropenwälder stoppen helfen – als auch für die Instrumente, mit denen all das erreicht werden soll. Da tauchen etwa der von Kanzler Olaf Scholz angestoßene Klub von Vorreiterländern auf, Just Energy Transition Partnerships mit einzelnen Ländern, Hilfen für „ökosystembasierte und lokale Ansätze zur Klimaanpassung“ und Pläne, die Entwicklungs- und Nothilfe klimaresilienter zu machen. Alles schon in Arbeit. Man vermisst aber strategische Abwägungen: Welche Instrumente sind besonders wichtig und unter welchen Voraussetzungen mehr oder weniger geeignet, welche der Ziele zu erreichen?

Drei Mängel fallen besonders auf. Erstens bleibt die Finanzierung offen. Die Bundesregierung sagt, sie wolle verlässlich ihren Teil zur internationalen Klimafinanzierung leisten und daneben mit vielerlei Vorhaben Partnerländer bei der Transformation unterstützen – aber was das für den Bundeshaushalt bedeutet, ist völlig unklar. Gesagt wird, dass Berlin mit öffentlichem Geld verstärkt privates einwerben will, was bisher kaum gelingt und insbesondere für Klimaanpassung und die ärmsten Länder ein ganz falscher Weg ist. Und statt den Abbau klimaschädlicher Subventionen klar zuzusagen, heißt es lasch: „Wir verfolgen das Ziel“ – Finanzminister Lindner lässt von Ferne grüßen.

Zielkonflikte rhetorisch zugekleistert

Zweitens werden Konflikte zwischen den vielen hehren Zielen der Strategie nicht offengelegt und abgewogen, sondern rhetorisch zugekleistert. In der Zusammenfassung liest man zum Beispiel: „Der Einsatz für Frieden, Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale und Geschlechtergerechtigkeit sowie Nachhaltigkeit, der Schutz unseres Landes, der EU und unserer Verbündeten und die Mehrung von Wohlstand“ seien unverzichtbare Teile der deutschen Klimaaußenpolitik. Man muss bezweifeln, dass schon diese umfassenden Ziele alle vereinbar sind. Und auf derselben Seite heißt es dann: „Klimazusammenarbeit kann gerade mit Partnern, die nicht alle unsere Werte teilen, … Brücken bauen.“ Wie denn nun? Sollen für Klimazusammenarbeit mit Ländern wie dem Iran oder Ägypten, die weder Menschenrechte achten noch den Rechtsstaat oder die Demokratie, eigene Werte zurückgestellt werden – und welche? 

Es ist wohlgemerkt klug, dass die Bundesregierung Klimazusammenarbeit auch nutzen will, um Brücken zwischen geopolitischen Lagern und in Autokratien hinein zu bauen. Man möchte aber schon wissen, was das konkret bedeutet, etwa für das Verhalten gegenüber China – von Russland ganz zu schweigen. Soll das Ziel, die für Klimaschutz nötige globale Zusammenarbeit zu erhalten, Vorrang bekommen oder soll es nur verfolgt werden, wo es zu Erfordernissen der eigenen Bündnispolitik, Machtkonkurrenz sowie Wirtschafts- und Exportförderung passt? 

Das führt zum dritten Problem: Die Strategie ist in weiten Teilen vom alten Denken geprägt, nach dem Länder – nicht nur Firmen – ökonomisch im Wettbewerb stehen sollen. Entsprechend wird Klimaschutz auch als Mittel verstanden, sich auf Dauer Wettbewerbsvorteile in der Weltwirtschaft zu sichern. Zwar will die Bundesregierung zugleich mehr Wertschöpfung in Partnerländern fördern. Wenn deutsche Autobauer Batterien in Lateinamerika fertigen lassen, passt auch beides zusammen. Aber was, wenn nicht – zum Beispiel wenn asiatische Firmen Solarzellen billiger anbieten als deutsche? Fördert Berlin dann die Elektrifizierung im Senegal mit Solarzellen aus asiatischer Produktion?

Eine schlüssige Strategie hat Berlin hier nicht geliefert. Eher ist es ein Beleg dafür, dass die Erderhitzung inzwischen zwar als Problem und Aufgabe für viele Politikfelder begriffen wird, auch für die Außen- und Sicherheitspolitik. Aber die gehen das doch weitgehend mit alten Denkmustern der Machtpolitik an, statt zu fragen, ob vielleicht genau die zum Problem beitragen.

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