Ein Großteil der Nahrungsmittel, die in Subsahara-Afrika verbraucht werden, wird nach wie vor in kleinbäuerlicher Landwirtschaft erzeugt. Um die widerstandsfähiger gegen Krisen zu machen, bietet Agrarökologie ein großes Potenzial.
Wie kann die Landwirtschaft in den Ländern Afrikas angesichts der weltweiten Ernährungskrise resilienter werden?
Können Sie das erklären?
Eine von Misereor veröffentlichte Studie von 2021 hat gezeigt, dass das Agrobusiness in Subsahara-Afrika kaum Nahrungsmittel anbaut, sondern profitablere Agrarrohstoffe zumeist für den Export. Dies führt dazu, dass in der Summe Flächen für die Nahrungsmittelproduktion verloren gehen. Gleichzeitig geht kleinbäuerlichen Betrieben Land verloren. Aber es entstehen kaum feste Anstellungen, sondern vor allem saisonale Lohnarbeit mit geringen Löhnen. Studien zeigen, dass die Beschäftigungsquoten dieser großflächigen agrarindustriellen Betriebe niedrig sind.
Ein auf Agrobusiness bauendes Entwicklungsmodell lässt außerdem außer Acht, dass die ländliche Bevölkerung in Subsahara-Afrika über 2050 hinaus in absoluten Zahlen weiterwachsen wird. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft wird damit die wichtigste Grundlage für Beschäftigung im ländlichen Raum bleiben. Diesem Umstand muss Rechnung getragen werden, oder wir stehen vor gewaltigen sozialen Verwerfungen.
Es geht also nicht nur um Nahrungs-, sondern auch um Beschäftigungssicherung?
Ja, denn es gibt kaum Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Sektoren. Die verarbeitende Industrie stagniert seit Jahrzehnten. Landwirtschaftssysteme müssen deshalb nicht nur nachhaltig werden, sondern einer wachsenden, größtenteils ungelernten ländlichen Bevölkerung eine Existenzgrundlage verschaffen, also Ernährung und Einkommen. Damit dies gelingt, gilt es die Vielfalt in bäuerlichen Anbausystemen zu stärken. Im Zentrum stehen dabei verlässliche Erträge und Einkommen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen wir das Beispiel Uganda. Im Südwesten und Zentraluganda basiert die kleinbäuerliche Landwirtschaft auf dem Anbau von Kochbananen und Kaffee sowie Bohnen, Maniok, Hirse, Süßkartoffeln, lokale Gemüsesorten. Aufgrund des Klimawandels sind die Niederschläge in den letzten 15 Jahren landesweit um 12 Prozent gesunken und unsicherer geworden. Dies, kombiniert mit Krankheiten und zunehmender Monokultur, hat die Erträge der Kochbananen stark sinken lassen. Mittels eines Bündels an Maßnahmen wie Gräben zur Verbesserung der Wasserverfügbarkeit, Mulchen, Bodendeckerpflanzen, Kompost sowie einem verbesserten Management konnten die Erträge der Kochbanane derart verbessert werden, dass die Bäuerinnen und Bauern nun rund um das Jahr ausreichend für die eigene Versorgung produzieren und darüber hinaus wöchentliche Einnahmen aus dem Verkauf erwirtschaften. Der Boden kann mehr Wasser speichern und durch die Vielfalt auf dem Acker gibt es weniger Schädlingsbefall. Die bäuerlichen Betriebe halten Tiere, die dringend benötigten Dung für die Felder liefern, die Proteinversorgung der Ernährung verbessern, aber auch als produktive Rücklagen in Notzeiten dienen. Die Integration von Bäumen verbessert das Mikroklima und erhöht die verfügbare Biomasse, die zum sukzessiven Humusaufbau benötigt wird. Zusätzlich absorbieren die Bäume CO2 aus der Luft und fungieren als Kohlenstoffsenken. Untersuchungen haben gezeigt, dass die kleinbäuerlichen Betriebe die Anzahl ihrer Anbauprodukte in den letzten zwei Jahrzehnten nach und nach auf durchschnittlich 23 erweitert haben. Ingwer, Rosmarin und Minze haben neben dem Kaffeeanbau als wichtigste Verkaufsprodukte vor allem bei sehr kleinen Betrieben an Bedeutung gewonnen.
Derart agrarökologisch wirtschaftende Betriebe bauen eine Vielfalt an Produkten für den Markt und für die Eigenversorgung an, so dass sie starke Preisschwankungen bei einzelnen Verkaufsprodukten mit anderen Einnahmen oder Ernteverluste aufgrund von Dürren besser abpuffern können. Das macht sie resilienter.
Neben der Vielfalt auf dem Acker gilt es jedoch gleichzeitig auch die Agrarlandschaften in den Blick zu nehmen. Konventionelle Landwirtschaft mit Spezialisierung und Monokultur geht einher mit einem Verlust an Artenvielfalt auf dem Acker und in der Agrarlandschaft. Dies beeinträchtigt wichtige Leistungen des Ökosystems wie beispielsweise Nährstoffkreisläufe, Bestäubung durch Insekten oder natürliche Schädlingskontrolle. Die Wissenschaft geht davon aus, dass Agrarlandschaften mindestens 20 Prozent „natürliche“, also nicht der Nutzung unterliegende Landschaftselemente benötigen, um die Biodiversität und die Ökosystemleistungen aufrechtzuerhalten. Auch hier gibt es enormen Handlungsbedarf.
Gibt es so etwas wie einen agrarökologischen Modellbetrieb oder auch Pflanzen, die sich besonders für diese nachhaltige Anbauweise eignen?
Nein, es gibt keine Blaupausen. Landwirtschaft ist immer standortspezifisch zu sehen. Es gilt, ausgehend von den vorhandenen Umwelt- und Produktionsbedingungen gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern nachhaltige, robuste Systeme zu entwickeln. Je nach Standort heißt dies auch, dass Diversifizierung auch andere, zum Beispiel handwerkliche Einkommensquellen außerhalb der Landwirtschaft einschließt.
Wäre mehr Unabhängigkeit von Handel und Weltmärkten der richtige Weg zu Ernährungssicherheit?
Länder wie Ägypten, Marokko oder Tunesien haben sich zu sehr von Weizenimporten abhängig gemacht – das haben wir besonders deutlich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gesehen. Küstenländer, aber auch ölexportierende Länder und Inselstaaten wie Kap Verde, Sao Tomé oder die Seychellen importieren häufig mehr Nahrungsmittel vom Weltmarkt. Das liegt daran, dass Länder mit Seehäfen landwirtschaftliche Produkte billiger über den Weltmarkt beziehen können als Binnenländer, in denen dafür zusätzlich hohe Transportkosten anfallen. Sinnvoll für den afrikanischen Kontinent ist der Ausbau regionaler Wirtschaftsverbünde, wie etwa der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, vor allem dort, wo die Mitgliedsländer unterschiedliche Produkte austauschen, also komplementär ausgerichtet sind. Damit die Mitgliedsstaaten untereinander mehr Agrarhandel treiben können, müsste man aber zunächst in bessere Transportwege investieren. Damit Kleinbauern von den regionalen Märkten profitieren können, braucht es darüber hinaus ihre effiziente Organisation in Erzeugergemeinschaften.
Das Gespräch führte Barbara Erbe.
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