Es ist dringend nötig, über Rassismus in der Entwicklungszusammenarbeit nichtstaatlicher Hilfsorganisationen zu sprechen. Das zeigt sich schon daran, dass es immer noch Organisationen gibt, die mit entwürdigenden Bildern von armen, verletzlichen Menschen brauner oder schwarzer Hautfarbe, manchmal sogar Kindern, um Spendengelder werben. Die Verwendung solcher Fotos ist bloß der offensichtlichste Ausdruck von entwicklungspolitischem Rassismus, heißt es in einer Studie von mehreren zivilgesellschaftlichen Initiativen, die die Ergebnisse eines Workshops von 158 Aktivisten, Entwicklungsarbeitern, NGO-Vertretern, Journalisten und Wissenschaftlern zusammenfasst. Das Problem geht viel tiefer, und zu wenige Hilfsorganisationen machen sich das bewusst, lautet ein Ergebnis des Treffens.
Die Wurzeln auch der nichtstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit liegen demnach in der Zivilisierungsmission der Kolonialmächte. Heute äußere sich das in einer professionalisierten Hilfsindustrie, in der international tätige Organisationen aus dem Norden mit ihren „Partnern“ im Süden ihre Projekte abwickeln. Diese Partner seien aber in vielen Fällen auch nur elitäre Einrichtungen ohne Bezug zur Bevölkerung. Insofern sei die angestrebte „Lokalisierung“ in vielen Fällen bloß ein Feigenblatt, das die wahren Machtverhältnisse hinter solchen Partnerschaften verstecke. Echte Hilfe würde nach Ansicht der Workshopteilnehmerinnen bedeuten, die Bevölkerung dabei zu unterstützen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.
Weiße Entwicklungshelfer müssen sich nicht anpassen
Oberflächlich äußert sich struktureller Rassismus in der täglichen Entwicklungszusammenarbeit darin, dass lokale Mitarbeiter und Organisationen sich an die Standards der internationalen Hilfsindustrie anpassen müssen, nicht aber weiße Entwicklungshelfer an Erfordernisse und Standards vor Ort. Von der Konzeptentwicklung über Projektanträge bis zur Evaluierung – in der Entwicklungszusammenarbeit ist alles vom Norden aus gesteuert und der Süden wird daran „beteiligt“.
Viele Probleme und Mängel, die auf dem Workshop diskutiert wurden, sind schon ziemlich alt und werden schon lange beackert. Bewegungen wie #BlackLivesMatter und #MeToo haben sie mit Wucht neu auf die entwicklungspolitische Tagesordnung gebracht, wie diese Studie zeigt.
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