Sie laufen nicht nur dem Schweizer Verständnis einer direkten Demokratie zuwider, sondern auch der offiziellen Schweizer Entwicklungspolitik. Deren Strategie zur internationalen Zusammenarbeit bekräftigt nämlich unter anderem „die Bedeutung der Förderung des zivilgesellschaftlichen Beitrages an die Armutsreduktion und an die soziale Gerechtigkeit“.
Große Reichweite zivilgesellschaftlicher Organisationen
Beruhigend wirkte zuletzt, dass das Bundesgericht es abgelehnt hat, über Beschwerden der Jungen FDP zu entscheiden. Vertreter der Jungpartei hatten gegen das Engagement der Landeskirchen zugunsten der Konzernverantwortungsinitiative Beschwerde eingelegt. Auch der Bundesrat schreibt, er sehe deshalb aktuell keinen Handlungsbedarf, und stellte fest:
„Eine starke und vielfältige Zivilgesellschaft gehört zur politischen Kultur der Schweiz.“ Doch man kann es drehen und wenden, wie man will: Vertreter der bürgerlichen Parteien unternehmen gerade einiges, um den Einfluss der Zivilgesellschaft zu beschränken.
Ein Grund dafür ist wohl die zunehmende Professionalität und gesellschaftliche Reichweite der nichtstaatlichen Organisationen. Nicht zuletzt mit Hilfe der Fridays-For-Future-Bewegung und der wachsenden politischen Beteiligung von Frauen und jungen Menschen ist es zivilgesellschaftlichen Organisationen gelungen, große Teile der Bevölkerung für ihre politischen Initiativen und Abstimmungen zu gewinnen. Die bislang tonangebenden Parteien sehen ebenso wie Wirtschafts-, Gewerbe- und Bauernverbände ihren Einfluss schwinden.
Dünnhäutige Reaktionen aus der Politik
Dass die Mehrheit der Bevölkerung – wenn auch nicht die Kantonsmehrheit – für die Konzernverantwortungsinitiative gestimmt hat, aber auch dass die Bevölkerung das Jagdgesetz zur Lockerung des Wolfsschutzes abgelehnt hat und weitere Landwirtschafts- und Klimaabstimmungen anstehen, führt zu überzogenen Reaktionen. Einige Politikerinnen und Politiker reagieren auf politische Stellungnahmen kirchlicher und kirchennaher Organisationen äußerst dünnhäutig. So erntete auch Fastenopfer Kritik, nicht zuletzt vonseiten der Bauern- und Fleischverbände, als die Fastenkampagne 2021 dazu aufrief, zugunsten von Klima und Regenwald weniger Fleisch zu essen.
Im Sinne einer Parteilichkeit für die Armen war Fastenopfer aber schon immer politisch. In ihren Statuten verpflichtet sich die Organisation, sich beispielsweise in der ökumenischen Zusammenarbeit mit Brot für alle für gerechtere Strukturen zur Überwindung von Armut einzusetzen, für die Menschenrechte, für Geschlechtergerechtigkeit, Schuldenerlasse oder ethische Geldanlagen und gegen den Klimawandel.
Es braucht von Parteien unabhängige politische Kräfte
In diesem Juni behandelt das Parlament weitere Vorstöße, die sich gegen das politische Engagement von NGOs und Kirchen wenden. Gleichzeitig wird das Volk über das Gesetz zur CO2-Reduktion abstimmen. Hierzu hat sich Fastenopfer mit einer Ja-Parole klar positioniert, ebenso die bischöfliche Kommission Justitia et Pax, aber auch andere Hilfswerke, NGOs, fast alle großen Parteien und auch einige Wirtschaftsverbände. Für alle Seiten ist dies auch ein Glaubwürdigkeitstest. Wie ernst nehmen wir es mit Demokratie und Freiheit im eigenen Land? Wie mutig werden Zivilgesellschaft und Kirche an ihrem Einsatz für Gerechtigkeit festhalten, angesichts des angedrohten Entzugs von Bundesmitteln?
Zu wünschen wäre eine Rückbesinnung auf den Mehrwert, den eine breite politische Auseinandersetzung schafft, und der letztlich Mensch und Umwelt zugutekommt. Ganz im Sinne der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, die sowohl im Norden wie im Süden eine gesellschaftliche Transformation hin zu echter Nachhaltigkeit fordert. Dazu braucht es alle gesellschaftlichen Kräfte, unabhängig von Parteien und Interessensverbänden.
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