Die vielen Pharmaunternehmen, die Mittel anbieten, mit denen sich die Haut aufhellen lässt, machen glänzende Geschäfte. Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner streben nach dem Wohlstand, der Kultur und – immer öfter – der Hautfarbe der westlichen Gesellschaft. Steckt Afrika in einer Identitätskrise? Die zunehmende Vorliebe für weiße Haut ist keine Frage des persönlichen Geschmacks oder der Ästhetik. Vielmehr scheint sie aus Selbstzweifeln und einer noch immer gestörten postkolonialen Identität zu erwachsen.
Hautaufhellende Cremes enthalten gefährliche und giftige Inhaltsstoffe wie Hydrochinon, Quecksilber und Kortison, die Nierenversagen, Bluthochdruck, Diabetes und Krebs verursachen und sogar zum Tod führen können. Ungeachtet dieser Gefahren hat die Aufhellung oder Bleichung der Haut in vielen afrikanischen Ländern epidemische Ausmaße angenommen. Immer mehr erwachsene Frauen greifen zu solchen Mitteln und nicht wenige schmieren sogar ihre Kinder damit ein.
Die meisten dieser Frauen würden nicht zugeben, dass sie hautaufhellende Produkte verwenden, denn sie schämen sich dafür. Die, die von Natur aus hell sind, und jene, bei denen die Hautfarbe aus dem Tiegel kommt, unterscheiden sich deutlich. Unter der erbarmungslosen afrikanischen Sonne können diese Unterschiede umso stärker ins Auge springen. Werden diese Mittel dauerhaft angewendet, zeigen sich verräterische Zeichen von Ochronose, einer bläulich-schwarzen Verfärbung der Haut. Diese tritt gerne an den Wangenknochen auf und heißt auf Twi, einer Sprache in Ghana, süffisanterweise „nansoben“: „Wer hat dich denn dazu gebracht?“
Tief verwurzeltes Gefühl der Minderwertigkeit
Warum also ist diese gefährliche und mit Scham behaftete Praxis so weit verbreitet? Dass Aussehen und Hautfarbe in der afrikanischen Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen, ist nicht neu, sondern hat eine lange Tradition. Nach Jahrhunderten imperialer Herrschaft haben sich kaukasische Gesichtszüge und weiße Hautfarbe als Zeichen von Schönheit und sozialem Status durchgesetzt. Vor drei Jahrhunderten waren westliche Wissenschaftler und Akademiker überzeugt, ein universelles Schönheitsideal entdecken und vermessen zu können. Wenn sich Schönheit vermessen und bewerten lässt, dann gilt das auch für die Merkmale ethnischer Gruppen.
Diese Theorien waren der ideologische Unterbau des Kolonialismus. Die Weißen glaubten, die hochwertigste menschliche Rasse zu sein. Die Schwarzen nahmen den untersten Rang ein, das rechtfertigte ihre untergeordnete Position in der Gesellschaft. Diese Hierarchie wurde gestärkt durch die Art und Weise, wie jene behandelt wurden, die aus Beziehungen zwischen Weißen und Einheimischen hervorgegangen waren. In der Sklavenzeit wurden sie als Haussklaven eingesetzt und von ihren dunkelhäutigeren Gefährten getrennt, die die Feldarbeit zu erledigen hatten. Die Weißen hielten Schwarze mit weißen Vorfahren im Vergleich zu jenen mit rein afrikanischer Abstammung für intellektuell überlegen. Diese Ungleichbehandlung schuf unausweichlich eine Kluft zwischen Hell- und Dunkelhäutigen. Der Druck auf eine ohnehin entrechtete Gruppe erhöhte sich und das Gefühl der Minderwertigkeit wurde tief in ihrem Inneren verwurzelt.
Die koloniale Unterwerfung und die Unterscheidung zwischen verschiedenen Schwarzen hallen bis heute nach. Dass jemand versucht, an seinem Aussehen etwas zu verändern, ist nichts Neues. Aber mit Absicht die oberste Schicht der Haut zu zerstören, lässt auf ein verzerrtes Schönheitsempfinden schließen: Es steht für den tief verwurzelten Glauben, dass wir nur dann sozial aufsteigen können, wenn wir unseren weißen Idealen ähneln.
Der farbige Mensch, hatte der Psychiater Frantz Fanon 1952 geschrieben, sei ständig bestrebt, vor der eigenen Individualität wegzulaufen und die eigene Gegenwart auszulöschen. Und genau auf dieses Gefühl spielt die Werbung an, die die natürliche Schönheit von Afrikanerinnen und Afrikanern abwertet. Das ist nicht bloß ein Rückfall in die Tage von Imperialismus und Sklaverei. Nein, die weißen und aufgehellten Gesichter sind überall präsent in Afrika, auf Plakaten und auf Produkten in tausenden Regalen, und beeinträchtigen die Selbstwahrnehmung von Afrikanern.
Eine Studentin in Accra sagt: „Ghanaer sind von Natur aus dunkel. Wenn man also hell ist, denken die Leute, du bist hübscher, etwas Besonderes. Und die meisten Männer würden lieber eine hellhäutige Frau heiraten.“ In einer Kultur, in der sozialer Status und Wohlstand üblicherweise durch Heirat oder Bildung erworben werden, bietet die Werbung Menschen ohne Zugang zu Bildung eine einfache Erklärung dafür, wie ihre Probleme mit ihrer Hautfarbe verbunden sind. Aus diesem Grund ist das Hautbleichen vor allem in Slumgebieten so weit verbreitet. Aber auch die gescheitesten Köpfe sind für die Verlockung anfällig und verfallen in tief verwurzelte psychologische und koloniale Denkmuster.
Für die Mehrzahl der Weißen in afrikanischen Ländern besteht die Welt aus eingezäunten, bewachten Wohngebieten, großzügigen Eigenheimen, fließendem Wasser, geländegängigen Fahrzeugen und internationalen Schulen – weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der meisten schwarzen Afrikaner. So geht die weiße Hautfarbe augenscheinlich einher mit einem wohlhabenden und anspruchsvollen Lebensstil, was teilweise erklärt, warum weiße oder zumindest hellere Haut auf viele so anziehend wirkt. Mit ihrem Minderwertigkeitsgefühl versuchen viele Afrikaner einem solchen Leben mit Hilfe von Haarverlängerung und Hautaufhellung nachzueifern, statt auf traditionellen Wegen nach Erfolg und Selbstachtung zu streben. In den USA sind hellerhäutige Schwarze auf fast allen Gebieten wie Arbeit, Bildung und Einkommen erfolgreicher als jene mit dunklerer Haut.
Auch in Indien gilt hellere Haut als schön
Fernsehen und Musik aus dem Westen spiegeln das wider. Die Fernsehprogramme, die ihren Weg über den Atlantik finden, bombardieren die Afrikaner mit den gleichen Bildern und Botschaften von weißer Haut als Symbol für Attraktivität – die Verlockung ist so stark, dass Menschen, die noch nie in ihrem Leben in Europa oder den USA waren, oft große Mühen auf sich nehmen, um mit europäischem oder amerikanischem Akzent zu sprechen. Natürlich haben nicht alle dieselben Möglichkeiten, sich intellektuell zu entfalten, und es gibt eine klare Präferenz, sich den Menschen aus dem Westen eher äußerlich als geistig anzugleichen.
Autorin
Nana Adae-Amoakoh
ist freie Journalistin in Ghana und schreibt unter anderem für das Portal thinkafricapress.com.Erst seit kurzem zeichnet sich ab, dass die Regierungen gegen die Hautaufhellung vorgehen wollen: Das Krebs erzeugende Bleichmittel Hydrochinon wird möglicherweise in Südafrika, Gambia, Kenia und Ghana verboten. Aufrufe dazu gibt es auch in Sambia, Senegal und anderen Ländern – doch das tut dem Boom keinen Abbruch. Mit Hilfe von Bildung sollten die absurden Überzeugungen ausgerottet werden, aber die sozialen Zwänge halten die Mehrzahl der Afrikaner in der Falle. Die letzte koloniale Flagge auf dem Kontinent wurde vor mehr als 30 Jahren eingeholt. Doch möglicherweise war schon zu diesem Zeitpunkt ein bleibender Schaden entstanden.
Eleanor Roosevelt wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Niemand kann dich ohne dein Einverständnis dazu bringen, dich minderwertig zu fühlen.“ Solange aber Multis wie L’Oreal und Unilever vom Phänomen der Hautaufhellung profitieren, ist es um die Selbstakzeptanz schlecht bestellt.
Aus dem Englischen von Barbara Kochhan.
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