Die angeschriebene Stichprobe von rund 2200 Unternehmen mit jeweils mehr als 500 Mitarbeitenden soll nun bis zum 29. Mai die Fragebögen ausgefüllt zurückschicken. Eigentlich sollte diese Frist Ende April enden, doch aufgrund der schwierigen Situation vieler Unternehmen durch die COVID-19-Pandemie sei der Zeitraum verlängert worden, teilte das Auswärtige Amt mit, das für das so genannte Monitoring im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Menschenrechte (NAP) zuständig ist. Staatsminister Michael Roth sagte anschließend im Bundestag, Ergebnisse sollten „im Sommer vorliegen“. Beobachter erwarten, dass sich das bis Mitte Juli zur Sommerpause der Berliner Politik hinziehen wird.
Die Erkenntnisse aus dem Monitoring bilden die Grundlage für die Entscheidung der Koalition über eine gesetzliche Regelung. Abgefragt wird, ob entsprechend der Zielvorgabe bis dieses Jahr mindestens die Hälfte aller größeren Firmen die Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfalt angemessen in ihre Unternehmensprozesse integriert haben. Dazu gehören eine öffentliche Willenserklärung zur Achtung der Menschenrechte, die Ermittlung möglicher menschenrechtlicher Risiken in den Lieferketten, die Bereitschaft zu Gegenmaßnahmen und die Einrichtung eines Beschwerdemechanismus.
Die Ergebnisse der ersten Umfragerunde sind ernüchternd
Die erste Umfragerunde hatte im vergangenen Jahr ein ernüchterndes Bild geliefert. 3300 Unternehmen wurden kontaktiert, rund 460 Fragebögen konnten ausgewertet werden. Ergebnis: Ein knappes Fünftel der Firmen konnte darlegen, die Anforderungen des NAP angemessen umzusetzen („Erfüller“), doch nur rund zehn Prozent sind auf gutem Weg. Außenminister Heiko Maas hatte daraufhin erklärt: „Wenn sich die ersten Ergebnisse des Monitoring bestätigen, sollten wir eine gesetzliche Regelung prüfen.“
Das sehen die Unionsparteien nach wie vor anders, mit Ausnahme von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Ein von Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für Februar angesetzter Termin zur Vorstellung eines Eckwertepapiers für ein Lieferkettengesetz, das im Ausland tätige Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte, von internationalen Arbeitsnormen und von Umweltstandards verpflichten soll, wurde abgesagt – offiziell wegen Krankheit. Nicht nur in der Opposition hieß es anschließend jedoch, Bundeskanzleramt und Wirtschaftsministerium hätten dem Druck großer Wirtschaftsverbände nachgegeben und die beiden zurückgepfiffen.
Im Entwicklungsausschuss des Bundestags versuchte der Parlamentarische Staatssekretär im Entwicklungsministerium, Norbert Barthle (CSU), die Bedenken zu zerstreuen. Er widersprach dem Mythos, dass Unternehmer als Folge einer gesetzlichen Regelung schon mit einem Bein im Gefängnis stünden. Ein Gesetz hätte keinesfalls strafrechtliche, sondern lediglich ordnungsrechtliche Relevanz. Bei der Sitzung Ende April sprachen sich auch die geladenen Expertinnen Miriam Saage-Maaß, Leiterin des Bereichs Wirtschaft und Menschenrechte beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), und die Vertreterin der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Deutschland, Annette Niederfranke, klar für ein Lieferkettengesetz aus.
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